Neue Aufschlüsse über die Anfänge des Consulats des Meeres

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Autor: Adolf Schaube
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Titel: Neue Aufschlüsse über die Anfänge des Consulats des Meeres
Untertitel: Mit Entgegnung von Hans von Kap-herr und Erwiderung von A. Schaube
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 9 (1893), S. 223–258, 288–289; Bd. 10 (1893), S. 127–128.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br.
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[223]
Neue Aufschlüsse über die Anfänge des Consulats des Meeres.
Von
Adolf Schaube.


I.
Das Byzantinische Meeresconsulat, zugleich ein Vorläufer des Consulats des Comune.

Wenn ich in meiner Schrift über das Consulat des Meeres in Pisa die Ansicht vertreten hatte, dass der Ursprung der genannten Institution in dieser Stadt zu suchen und die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert als die Entstehungszeit derselben zu betrachten sei, so ist uns neuerdings durch v. Kap-herr der Aufschluss zu Theil geworden[1], dass das Meeresconsulat in den Byzantinischen Gebieten Süditaliens seine Heimath habe und dass es hier schon um die Mitte des 11. Jahrhunderts durchaus eingebürgert sei; seine Entstehung müssten wir danach in eine noch erheblich frühere Zeit zurückverlegen. Und dieses Byzantinische Meeresconsulat erscheint nicht bloss als Vorgänger der gleichnamigen Institutionen, die in einer späteren Zeit auch in anderen Seeplätzen Italiens und des westlichen Beckens des Mittelmeeres auftreten, seine Wichtigkeit wird vielmehr noch dadurch beträchtlich erhöht, dass es zugleich als Vorläufer der bezeichnendsten Institution der Italienischen Städtefreiheit, des Consulats des Comune, anzusehen ist.

Die Entdeckung dieses Byzantinischen Meeresconsulats, die [224] für die Italienische Verfassungsgeschichte wie für die Geschichte des Handelsrechts von gleich hoher Bedeutung ist, ist nach der Angabe des Entdeckers schon im Jahre 1885 gemacht, aber erst, wenn auch nicht nach 9, so immerhin erst nach 6 Jahren veröffentlicht worden, ohne dass indessen an dem damals festgestellten Text noch eine Veränderung vorgenommen worden wäre. Leider konnte ich sie also in meiner in der Zwischenzeit erschienenen Schrift über das Consulat des Meeres noch nicht berücksichtigen. Und so habe ich denn in derselben noch ganz unbefangen nur vom Consulat des Meeres in Trani gehandelt[2], und noch dazu, wie ich zugeben muss, mit äusserst geringem Respect; keine Ahnung sagte mir, dass es mittlerweile sogar bis zu einem Byzantinischen Meeresconsulat emporgediehen war.

v. Kap-herr hat seiner Entdeckung zwei Stützen verliehen. Die eine besteht in dem bekannten, von den Consuln der Seehandelsinnung von Trani erlassenen Seestatut, das uns in Drucken des 16. und 17. Jahrhunderts mit dem Datum 1063 überliefert ist, die andere in einer von dem Entdecker selbst zuerst herangezogenen Urkunde von Siponto, die nach ihm ebenfalls in das Jahr 1063 gehört und die derzeitigen Consuln dieser Stadt namhaft macht.

Nun haben zwar die wirklich sachverständigen Forscher in ihrer Mehrzahl, und zwar Italiener[3] nicht weniger wie Deutsche[4], das Datum des Statuts von Trani bisher mit grösserer oder geringerer Entschiedenheit als unrichtig abgelehnt. v. Kap-herr aber schliesst so: Das einzige stichhaltige Bedenken, das gegen den Ansatz der Consuln des Meeres von Trani zum Jahre 1063 zu erheben war, bestand darin, dass für diese Zeit das Amt [225] jährlich wechselnder Consuln noch nirgends nachgewiesen war, so dass man an eine nicht unerheblich spätere Entstehung des städtischen Consulats in Italien glaubte. Dies Bedenken ist nun durch die Urkunde von Siponto beseitigt, folglich ist das Datum 1063 auch für Trani echt[5]. Da andererseits die Consuln von Trani in diesem Jahre als Consuln des Meeres bezeichnet werden, da wir ferner in den Italienischen Stadtrepubliken mehrfach neben den consules majores oder consules de communi noch consules de mari oder consules mercatorum erwähnt finden, die, von Kaufleuten gewählt, als Richter und Gesetzgeber in handelsrechtlichen Streitigkeiten auftreten, so ist auch den Consuln von Siponto der Charakter als Meeresconsuln zuzuerkennen[6]. Damit war die Entdeckung gemacht: das Byzantinische Meeresconsulat war fertig.

Vielleicht kommt diese Beweisführung auch manchem Anderen nicht ganz so schlagend wie überraschend vor; wenn sie der neuen „systematischen“ Methode angehört, die v. Kap-herr anzuwenden erklärt[7], so fürchte ich, wird sie derselben nicht viel Freunde werben. Es nimmt uns danach nicht weiter wunder, wenn in demselben Athemzuge noch die Behauptung aufgestellt wird, dass dies Byzantinische Meeresconsulat das Vorbild für das Italienische Stadtconsulat geworden sei.

Es ist nun keineswegs meine Absicht, alle die vielerlei Argumente, die gegen die Richtigkeit des Datums des Seerechts von Trani bisher schon ins Feld geführt worden sind (zum Schaden der Sache waren auch einige stumpfe Waffen darunter), von neuem hervorzusuchen. Indessen der Anachronismus, den man mit der Versetzung dieses aus dem 14. oder 15. Jahrhundert [226] stammenden Statuts in das 11. begeht, ist so gross, dass man hier und da auch noch an einer neuen Seite ansetzen kann, um der Sache beizukommen.

Zunächst muss ich meine Verwunderung darüber aussprechen, dass v. Kap-herr nur von einem Byzantinischen Meeresconsulat und nicht auch von einem Byzantinischen Consularwesen des 11. Jahrhunderts redet. Das Statut spricht nämlich an einer Stelle ganz unzweideutig von überseeischen Consuln als einer völlig eingebürgerten Einrichtung[8]. Es wäre doch gewiss sehr interessant und wichtig, wenn auch diese Institution Byzantinischen Ursprungs und dabei älter als das städtische Consulat sein sollte, um so interessanter, als bisher eine Erwähnung überseeischer Consuln vor der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nicht bekannt war. Glaubten wir bisher, die Entwickelung wäre in der Reihenfolge: consules de communi, consules mercatorum im Inlande, consules (vielfach auch mit den Titeln vicecomites, baiuli) im Auslande, endlich consules maris vor sich gegangen, so kämen wir nun in die Lage, unsere Vorstellungen dahin zu berichtigen, dass wir fortan diese Reihe einfach umkehrten. Dass der Entdecker des Byzantinischen Meeresconsulats diese nothwendige Consequenz für das Consularwesen nicht gezogen hat, ist geeignet, unser Vertrauen zu seiner Entdeckung doch von vornherein ein wenig zu erschüttern.

Eine besondere Rolle bei der ganzen Controverse spielt die Behauptung, dass das in Italienischer Sprache abgefasste Seestatut uns nur in einer Uebersetzung vorliege; das Original sei Lateinisch abgefasst gewesen, wie die in dieser Sprache noch erhaltene Aufschrift und die Datumszeile bewiesen. Diese Meinung wird nun nicht bloss von den Anhängern des Jahres 1063 vertreten, sondern, soweit sie sich zu der Sache äussern, auch von ihren Gegnern; selbst Goldschmidt redet in seinem neuesten grossen Werke von dem verloren gegangenen Lateinischen Urtexte des Seerechts von Trani[9]. Meiner Meinung nach ist das ein durchaus schädliches Zugeständniss, das allen weiteren Irrthümern [227] erst die Thür öffnet und durch die Lage der Sache keineswegs gerechtfertigt ist: nicht eine Uebersetzung, sondern den ursprünglichen Text des Seestatuts selber haben wir vor uns.

Die Aufschrift des Statuts lautet: Ordinamenta et consuetudo maris edita per consules civitatis Trani; ihr entspricht genau der Endvermerk: Espliciunt Ordinamenta maris edita per consules Trani[10]. Will man nun vielleicht auch diesen Endvermerk für den Rest eines Lateinischen Originals halten? Bis jetzt hat es noch niemand behauptet; allerdings scheint man ihn bisher ganz übersehen zu haben. Sehr wunderbar wäre es doch wohl, wenn ein Uebersetzer gerade nur Aufschrift und Schlussvermerk unübersetzt gelassen haben sollte.

Der Umstand, dass diese beiden kurzen Stücke Lateinisch gefasst sind, berechtigt an sich und zunächst nur zu dem Schlusse, dass hier eine Sprachmengerei vorliegt, wie sie im 15. und 16. Jahrhundert eine überaus gewöhnliche Erscheinung ist. Belege liegen in den Ordonnanzen der Aragonischen Könige Neapels in Fülle vor; ich führe beispielsweise das Privileg des Königs Alfons für Trani selbst vom Jahre 1455 an[11], wo Eingang und Schluss Lateinisch, das Materielle des Inhalts Italienisch gegeben ist, oder den Vertrag, den Venedig mit der Stadt Trani im Jahre 1430 abgeschlossen hat[12], wo ein analoges Verfahren beobachtet ist. Wenn das ein in dieser Zeit mehrfach vorkommender Brauch war, so wird damit schon der Schluss auf ein Lateinisches Original des Seestatuts von Trani hinfällig.

In unserem Falle aber liegt die Sache noch etwas anders. Jene Lateinischen Worte am Anfang und am Ende sind nicht nur keine Reste eines Lateinischen Urtextes, sondern nicht einmal ebenso alt wie dieses Seerecht selber; sie sind, wie ich früher schon hervorgehoben habe[13], vielmehr die jüngsten Bestandtheile desselben, sie sind jünger wie der Italienische Text. Derjenige, der dies Seerecht zusammen mit den Statuten von Fermo druckfertig [228] hergerichtet, oder vielleicht auch der, der es ursprünglich diesen Statuten beigefügt hat, hat dem ihm italienisch vorliegenden Seerecht aus eigenen Mitteln die Lateinische Aufschrift und das Lateinische Explicit hinzugefügt. Man achte darauf, dass beide Stücke bis auf die Ausdrücke genau einander entsprechen und – was vor allem wichtig und beweisend ist – dass beide genau dieselbe Ungenauigkeit enthalten, die das Original unmöglich enthalten haben kann. Im Texte des Seerechts selbst werden die Consuln überall als consuli de mare bezeichnet; in der Aufschrift aber heissen sie consules civitatis Trani, im Explicit etwas gekürzt consules Trani. Consuln der Stadt waren sie aber durchaus nicht; im Eingange des Seestatuts werden sie mit ihrem vollen Titel genannt: electi consuli in arte de mare; sie waren die Vorsteher der Seehandelsinnung von Trani, nichts weiter. Hätte das Original eine selbständige Aufschrift besessen, so hätte an dieser Stelle in erster Linie der diesen Consuln rechtmässig gebührende Titel stehen müssen.

Für denjenigen indessen, der dies Seerecht den Statuten von Fermo beifügte, war es höchst gleichgültig, ob er der Behörde, der dies Seerecht einer fremden Stadt seine Entstehung verdankte, ihren richtigen Titel gab oder nicht. Er glaubte einer besonderen Aufschrift zu bedürfen, bediente sich bei der Abfassung derselben wie des Explicits der ihm geläufigen, ihm wohl vornehmer erscheinenden Lateinischen Sprache und hielt hierbei die Anwendung des einfachen Consultitels für ausreichend und zutreffend. Dieselbe, wenig sorgfältige Hand setzte gleichzeitig das Datum des Seestatuts in Lateinische Worte um. Wenn v. Kap-herr die Datumszeile Lateinisch abgefasst nennt[14], so könnte man meinen, eine solche Zeile folgte der Lateinischen Aufschrift unmittelbar. Das ist nicht der Fall. Es heisst zuerst: Al nome de lo omnipotente Dio, amen und nun erst folgen die paar Worte: Anno millesimo sexagesimo tertio, prima indictione. Die Annahme liegt nahe, dass die Zahlen ursprünglich in Zahlzeichen angegeben waren und dass sie von jener Hand in Lateinische Worte umgesetzt worden sind, wobei sich denn durch einen Lese- oder Flüchtigkeitsfehler der verhängnissvolle Irrthum in die Jahresangabe eingeschlichen hat. Wenn v. Kap-herr behauptet: [229] In der Datumszeile heissen die Gesetzgeber „electi consules in arte di mare“, so ist auch das eine irreführende Ungenauigkeit; das Lateinische Wort für Consuln ist an dieser Stelle ebensowenig wie an irgend einer anderen Stelle des Textes gebraucht; der Text ist, von dem Datum selbst abgesehen, durchweg Italienisch.

Und was wir zunächst aus der sachlich falschen Angabe der Aufschrift und des Schlussvermerkes erschlossen haben, wird durch eine Betrachtung der Statuten von Fermo selbst durchaus bestätigt. Dem Seestatut von Trani gehen unmittelbar unter der Lateinischen Aufschrift „Capitula edita super foro et nundinis magnif. Civitatis Firmi etc.“ Verordnungen in Italienischer Sprache vorher: „Prima, che ’l luogo dove si debbia fare la fiera etc.“. Endlich: in den Drucken des 16. Jahrhunderts folgt den Ordinamenta Maris von Trani noch das Havereirecht von Ancona[15]. Und merkwürdig: wie jene ist auch dieses in Italienischer Sprache verfasst und trägt dabei wie sie eine Lateinische Aufschrift: „Ordo, consuetudo et jus Varehae secundum Anconitanos“ – wird man vielleicht auch diese Aufschriften als den Rest eines in Lateinischer Sprache geschriebenen Originals auffassen wollen?

Muss man nun aber die Annahme eines Lateinischen Originals für das Seestatut von Trani fallen lassen, so entfällt damit schon jede äussere Möglichkeit, dies Italienisch abgefasste Statut im 11. Jahrhundert entstanden sein zu lassen, und wie das 11., so kann auch das 12. und das 13. Jahrhundert als Entstehungszeit desselben überhaupt nicht mehr in Betracht kommen.

Im Zusammenhange mit dieser Erörterung sei nun gleich ein zweiter wichtiger Punkt hervorgehoben. Manche der Anhänger des Jahres 1063 scheinen anzunehmen, dass die Verbindung, in der das Seestatut von Trani mit den Statuten von Fermo uns erhalten ist, eine zufällige sei, dass vielleicht irgend ein antiquarisches Interesse die Veranlassung dazu gegeben habe, dem Drucke dieser Statuten von 1507 jenes alte Seerecht von Trani anhangsweise beizufügen, – ich glaube sogar, dass mancher sich die Sache so vorgestellt hat, als sei dieses Seerecht dem Druck der Statuten nur äusserlich angeschlossen.

Das wird nun freilich schon dadurch widerlegt, dass sich [230] diese Verbindung in den späteren Drucken des 16. und 17. Jahrhunderts genau ebenso wiederfindet. Und schon im Drucke von 1507 sind beide Stücke zusammen foliirt; die sechs Bücher der Statuta Communis Firmi reichen bis fol. 138, und auf demselben Blatte beginnen schon die Ordinamenta Maris von Trani. Und nicht am Ende der Statuten von Fermo selbst, sondern erst fol. 142 folgt der Druckvermerk: Impressum Veneciis etc. A. D. MDVII, die XVII Marti. Also nicht zufällig, sondern beabsichtigt ist diese Verbindung; und wie die verschiedenen Drucke der Statuten von Fermo das zu ihrer Zeit in Geltung befindliche Stadtrecht von Fermo enthalten, so war es die Aufgabe des angeschlossenen Seerechts von Trani, für dieselbe Zeit der Rechtsprechung der Behörden von Fermo in Sachen des Seerechts als Anhalt und Richtschnur zu dienen. Besass doch auch Fermo seinen, wenn auch recht unbedeutenden Hafen, den Portus S. Georgii; einem Notar des Podestà von Fermo war hier sein ständiger Aufenthalt angewiesen[16].

Und nun halte man sich vor Augen, dass man zu solchem praktischen Zweck ein aus grauer Vorzeit stammendes Seerecht hervorgesucht haben soll! Man erwäge, dass ein 1063 erlassenes Seestatut nach einem halben Jahrtausend noch den Bedürfnissen des Seeverkehrs entsprochen haben soll, nach einem Zeitraum, innerhalb dessen die Schiffahrt selbst und alle Formen des Seehandelsbetriebs die gewaltigsten Veränderungen erfahren hatten! Ein Punkt wenigstens sei in dieser Beziehung angedeutet. Man weiss, wie lange im Handelsverkehr des Mittelalters der Eigenhandel herrschte, der Kaufmann selbst die Waare begleitete. Und nun setzt unser Statut, das Statut einer Seestadt, in der der Grosshandel nach allem, was wir wissen, keineswegs den Ton angab, mehrfach den Fall, dass sich Kaufleute auf dem Schiff überhaupt nicht befanden[17]. Wem der völlig verschiedene Charakter einer Seerechtsquelle Italiens etwa aus dem 12. und einer aus dem 14. Jahrhundert einmal anschaulich geworden ist, der wird auch ohne Beweisführung im einzelnen die Unmöglichkeit [231] der Versetzung des Seerechts von Trani in das 11. Jahrhundert erkennen.

Vergegenwärtigt man sich jenen praktischen Zweck des uns erhaltenen Seerechts, so wird man zu der Ansicht geradezu gedrängt, dass dieser Anhang der Statuten von Fermo dem Drucke derselben von 1507 zeitlich gar nicht so ferne stehen kann; je näher das Seerecht von Trani der Zeit nach diesen Statuten steht, um so erklärlicher wird seine Reception in Fermo, um so besser musste es den Bedürfnissen, die seine Aufnahme in das Stadtrecht von Fermo veranlasst haben, entsprechen.

So habe ich denn schon früher die Vermuthung geäussert, das wahre Datum des Seerechts von Trani möge das Jahr 1453 sein[18]. Ich schloss dabei folgendermassen: Derjenige, der in Fermo das in Zahlzeichen ihm vorliegende Datum in Lateinische Worte umsetzte, glaubte zu lesen MLXIII, während er in Wahrheit die Ziffern MLDIII vor sich hatte, eine Zeichenzusammensetzung, deren Gebrauch am Anfange des 16. Jahrhunderts sich wohl erklärt. Man sieht, der Lesefehler, der hier angenommen wird, ist gar nicht erheblicher Art. Nun ist aber dem Datum auch noch die Indiction I beigefügt; und – für eine schlechte Conjectur immerhin ein merkwürdiger Zufall – das Jahr 1453 ist ein Jahr der ersten Indiction.

Zur weiteren Unterstützung meiner Vermuthung, dass das Seerecht von Trani erst in das 15. Jahrhundert gehöre, hatte ich ferner darauf hingewiesen, dass manche Rubriken desselben sich in auffallender Weise mit den Catalanischen Costumes de la mar (Consolado del mar) berührten. Zu den Stellen, die ich angeführt habe, hat Goldschmidt in dankenswerther Weise noch eine weitere hinzugefügt[19]. Meinen Ansatz des Seerechts von Trani aber betrachtet er offenbar mit einem gewissen Erstaunen als eine allzukühne Abweichung von den herkömmlichen Ansichten[20]. Besonders glaubte er geltend machen zu müssen, dass [232] diese Abhängigkeit des Seestatuts von Trani von dem Consulat sicher nicht gegen das vielfach für dasselbe angenommene Jahr 1363 spreche, da anzunehmen sei, dass das Consulat damals schon im wesentlichen die Fassung besessen habe, in der es uns erhalten ist. Diese Anschauung habe ich zunächst nicht bestritten. Ich bestreite nur, dass in dieser Zeit schon eine Einwirkung des Seerechts von Barcelona auf das Recht einer Seestadt an der Adria irgendwie wahrscheinlich ist. Nicht einmal irgend welcher Verkehr der beiden Seestädte in dieser Zeit ist bis jetzt nachgewiesen; wohl aber wissen wir, dass der Einfluss Venedigs in diesen Theilen Apuliens damals der herrschende war[21]; Venezianischen Einfluss müssten wir im Jahr 1363 erwarten und nicht Barcelonesischen. Ganz anders lagen die Dinge um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Da hatte König Alfons V. von Aragon die Herrschaft in Unteritalien gewonnen; da konnte die Institution der Consuln des Meeres nach dem Muster der Seeplätze Aragoniens in Trani Eingang finden – vielleicht direct durch königliche Verleihung, wie wir denn wissen, dass gerade ein Privileg dieses Königs vom Jahre 1442 diese Institution in S. Feliu di Guixoles begründet hat[22] –; da konnte endlich auch das Catalanische Seerecht festere Wurzel fassen und auf die heimischen Seerechte Italiens Einfluss gewinnen. Vor dem 15. Jahrhundert ist ein solcher Einfluss nirgends nachweisbar und bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts hat es gedauert, ehe durch die Uebersetzung des Florentiners Jacopo Gelli aus Pergignan, die auf Veranlassung der Florentinischen Handelskammer zu Rom im Jahre 1519 daselbst gedruckt und dem Papste Leo X. gewidmet wurde[23], das Consolat selber in Italien weiteren Eingang fand.

Indessen, mag man trotz alledem das Jahr 1363 vorziehen, indem man annimmt, dass bei der Umsetzung der Zahlzeichen in Worte oder sonstwie durch ein Versehen das trecentesimo fortgeblieben sei – seine allgemeinere Bedeutung verliert das [233] Seestatut von Trani in gleicher Weise, ob es nun ins 14. oder 15. Jahrhundert gesetzt wird. Dem Buchstaben gemäss aber noch am 11. Jahrhundert festhalten zu wollen, dürfte für einen, der überhaupt historische Verhältnisse aufzufassen vermag, nachgerade nicht mehr erlaubt sein. Fällt aber das Consulat des Meeres vom Jahre 1063 für Trani, so entfällt damit auch jeder Schein des Rechtes, in den consules civitatis Sipontinae desselben Jahres Meeresconsuln zu sehen; die Entdeckung v. Kap-herr’s hat sich als eine gänzlich haltlose erwiesen, und unsere nächste Aufgabe ist damit erledigt. Ein Byzantinisches Meeresconsulat hat zu keiner Zeit und an keinem Orte existirt.

Damit fällt sofort auch ein zweites, die Herleitung des städtischen Consulats aus den Organisationen der Kaufleute überhaupt. Davidsohn hat diese Annahme schon für Tuscien entschieden abgelehnt[24]; sie ist in noch höherem Grade für Süditalien selbst zurückzuweisen. Nicht eine Spur deutet in der Urkunde von Siponto darauf hin, dass die drei Consuln, die sie nennt, kaufmännischen Kreisen angehören könnten; auch v. Kap-herr hat nichts derart behauptet; seine ganze Annahme steht und fällt eben allein mit den Consuln des Meeres von Trani. Und nicht minder unhaltbar wird damit endlich auch die weitere Aufstellung v. Kap-herr’s, dass das Consulat von Gaëta gleichsam in der Mitte zwischen dem Meeresconsulat und dem Consulat de communi stünde; jeder besondere Beleg fehlt auch hier.

Bei alledem müsste es immer noch als eine sehr bedeutsame Thatsache erscheinen, wenn es im Jahre 1063 in Siponto schon städtische Consuln gegeben hätte. Es wäre das älteste bekannte Consulcollegium des Mittelalters und es müsste als bleibendes Verdienst v. Kap-herr’s angesehen werden, zuerst auf diesen Vorläufer oder Anfang des Italienischen Städteconsulats aufmerksam gemacht zu haben, wenn sich auch seine Verquickung dieser Consuln mit einem Byzantinischen Meeresconsulat als ein durchaus verfehlter Gedanke erwiesen hat. Für die Herleitung der freien Italienischen Stadtverfassung wäre damit in der That ein neuer Weg gezeigt.

[234] Ja, wenn nur diese Sipontinische Urkunde wenigstens gesichert wäre! v. Kap-herr erklärt zwar, sie sei „unzweifelhaft echt“; indessen die Gründe, die er dafür anführt, sind sämmtlich nicht stichhaltig. Der Geschichtschreiber von Monte Cassino, Erasmo Gattola, der diese Urkunde zuerst veröffentlicht hat, hat sie in das Jahr 1063 gesetzt und v. Kap-herr folgt ihm darin ohne weiteres; „die Daten sind correct“, behauptet er. Sehen wir indessen etwas genauer zu, so stossen wir auf einen bedenklichen Widerspruch zwischen der Angabe des kaiserlichen Regierungsjahres und der Indiction. Wenn der Monat Mai im 4. Regierungsjahre des Constantin Ducas auch in das Jahr 1063 gehört, so kann doch die zweite Indiction für diesen Monat nur auf das Jahr 1064 bezogen werden. Wo bleibt da die Correctheit? Und was ist nun das Richtige? Sollte dieser Widerspruch nicht vielleicht auf die Unklarheit eines Fälschers über die Regierungszeit Constantin’s zurückzufübren sein?

Unter den Zeugen steht an erster Stelle Erzbischof Gerhard von Siponto. v. Kap-herr begnügt sich mit der Bemerkung: „Der in der Urkunde erwähnte Erzbischof G. lässt sich auch sonst nachweisen“. Gewiss, es fragt sich nur, für welche Zeit. Bisher nahm man an, dass er erst im Jahre 1066 Oberhirt der Kirche von Siponto geworden sei[25]. Ist es möglich und zulässig, auf Grund unserer Urkunde diese Annahme umzustossen oder ist nicht vielmehr die Anführung dieses Zeugen als Beweis für die Unechtheit der Urkunde zu betrachten?

Der dritte Punkt, den v. Kap-herr anführt, dass die grammatischen Fehler im Text durchaus den Fehlern entsprechen, wie wir sie auch sonst bei den Urkunden aus dem Griechischen Unteritalien antreffen, beweist weder für noch gegen die Echtheit; die Fälschung könnte in M. Cassino sehr wohl an der [235] Hand einer echten Urkunde aus ungefähr derselben Zeit vorgenommen worden sein.

So unzweifelhaft ist also die Echtheit der Urkunde keineswegs; andererseits gehe ich zunächst nicht so weit, die Urkunde für unzweifelhaft unecht zu erklären.

Hier wäre noch eine besondere Untersuchung nothwendig. Erst dann, wenn es wirklich gelingen sollte, die vorgebrachten Zweifel zu zerstreuen und andere, zuverlässige Stützen für die Echtheit der Urkunde von Siponto beizubringen, wäre es zulässig, sie zum Ausgangspunkte weiterer Folgerungen zu machen; wenn eine ganze Theorie darauf erbaut werden soll, muss das Fundament wenigstens gesichert sein.

Auf einen Punkt möchte ich endlich noch aufmerksam machen. Nehmen wir einmal an, die Urkunde sei echt und rede wirklich von Consuln. Was wäre damit für die vorausgesetzte Byzantinische Einwirkung gewonnen? Was hat diese Urkunde Byzantinisches an sich? Auf das allerstrengste bewegt sie sich mit ihrem Launahild, Waid, der traditio per fustem in den Formen rein Germanischen Rechts; und wenn sie den regierenden Kaiser von Byzanz an der Spitze nennt (worauf sich das Byzantinische Element der Urkunde beschränkt), so geht sie in der Festhaltung Germanischer Formeln so weit, dass sie die gegebenen Falls an den Fiscus zu erlegende Geldbusse „in curte Regis“ abführen lässt.

Gewiss sind die Byzantinischen Einflüsse für die erste Entwicklung der Cultur Italiens, auf Gebieten wie Handel, Schifffahrt, Kunst nicht zu unterschätzen. Nur eine Anregung zu freiheitlichen Institutionen war aus dem Machtbereich der Byzantinischen Herrschaft schwerlich zu holen. Der Consultitel, wie er als besonderer Schmuck mächtiger Persönlichkeiten in Rom und Unteritalien im 9., 10., 11. Jahrhundert mehrfach begegnet, konnte eine solche Anregung nicht bieten. Einer solchen bedurfte es auch gar nicht. Die unmittelbare Anknüpfung an das antike Vorbild lag viel näher. Die erste Erwähnung städtischer Consuln liegt bekanntlich in einem zeitgenössischen Gedichte vor, das den Sieg der Pisaner und ihrer Verbündeten auf Afrikanischem Boden bei der Einnahme von El-Mehdia im Jahre 1087 verherrlicht[26]. Man braucht nur dieses ungelenke, aber doch von [236] echter Begeisterung erfüllte Gedicht zu lesen, um zu erkennen, wie lebendig dem Dichter die Erinnerung an die Zeiten des Alterthums vorschwebt; die Pisaner sind ihm die alten Römer, die Araber die Karthager; das Zeitalter der Punischen Kriege hat sich ihm erneut. So ganz war die Erinnerung an die alte grosse Zeit Italiens und die Kenntniss der Lateinischen Literatur doch wahrlich nicht verloren gegangen, dass man von den jährlich wechselnden Consuln der Stadt Rom nichts mehr gewusst hätte.

So im Vorbeigehen, wie v. Kap-herr gemeint hat, ist die Frage der Entstehung der Consulatsverfassung in Italien nicht zur Lösung zu bringen. Gewiss kommt es nicht bloss darauf an, Thatsachen chronologisch einzureihen, man muss auch verwandte Thatsachen vergleichen; die unerlässliche Vorbedingung aber ist, dass es wirklich Thatsachen sind, die man vergleicht, und dass man die freilich sehr trivialen Unterschiede von „Früher“ und „Später“ nicht in kühnem Gedankenfluge unberücksichtigt lässt. Von Buchstabengläubigkeit weit entfernt, wollen wir uns doch lieber mit Altmeister Hegel an die acta halten, wenn die Welt der Träume und Gesichte auch noch so schön ist, der sie mit ihrem nicht selten wenig systematischen Inhalt nur allzu oft unbequem werden.


II.
Die Pisanische Decatia und die Anfänge des Consulats des Meeres.

Musste ich mich dem neuen Aufschluss gegenüber, der uns durch v. Kap-herr über das Meeresconsulat zu Theil geworden, völlig ablehnend verhalten, so sind die folgenden Zeilen dazu bestimmt, die Forschung über die Entstehung dieser Institution durch einen positiven Beitrag ein wenig weiter zu führen. Sind die Ergebnisse auch bescheiden, setzen sie uns auch noch keineswegs in den Stand, überall klar zu sehen, geben sie uns vielmehr sogar manches neue Räthsel auf, so ruhen sie wenigstens auf sicheren und zum grössten Theil noch nicht verwertheten Zeugnissen.

[237] Aus der Urkunde der Eidesleistung der tausend Pisaner, an deren Spitze die consules majores, die Consuln der Kaufleute[27] und der Wollenzunft und die judices foretaneorum namentlich aufgeführt werden, hatte ich mit aller Sicherheit schliessen zu dürfen geglaubt, dass es im Jahre 1188 Consuln des Meeres in Pisa noch nicht gegeben haben könne[28]; sei es denkbar, so hatte ich der Aufzählung der Namen aller jener Beamten gegenüber gemeint, dass bei einem Vertrage mit Genua, der die maritimen Beziehungen Pisas doch in erster Linie anging, die Namen der Consuln des Meeres fehlen könnten, wenn dieses Amt damals schon vorhanden gewesen wäre?

Inzwischen ist nun die nachträgliche Veröffentlichung des Bonaini’schen Urkundensupplements zu Roncioni’s Pisanischer Geschichte nach mehr als vierzigjähriger Verzögerung wirklich erfolgt[29]. Zum grossen Theile durch andere Veröffentlichungen überholt, bietet sie doch auch noch einiges Neue; das Ueberraschendste ist, dass aus ihr das Vorkommen des Titels „consules maris“ in Pisa schon für das Jahr 1184 erhellt.

Die Urkunde, die vom 27. Februar 1184 datirt – der Herausgeber hat sie irrthümlich zum 29. April 1185 angesetzt[30] – hat in ihren wesentlichen Theilen folgenden Wortlaut:

Cum ea, que a consulibus vel civitatum rectoribus contrahuntur, necesse sit in publicam redigi scripturam, ut eorum memoria in posterum conservetur, ideo nos Gerardus Vicecomes q. Alberti Vicecomitis, et Albertus q. Calmangiaris, et Bulgarinus de Caprona et Vitalis q. Gatteblance, et Peguloctus q. Ugonis et Gerardus de Scorno q. Alberti, Pisanorum consules, confitemur nos accepisse a vobis, – – – – – – Bernardo q. Bulgarii et Henrico fil. Soarthe, capitaneis decatie et consulibus maris, vobis interrogantibus, – – – – – – – – – – – – – – – – libras 300 bon. denariorum pisane nunc currentis veteris monete pro facto missaticie, quam debemus mittere ad regem Maiorice, quas acquisistis mutuo ad proficuum librarum 6 den. pro unoquoque mense [238] a Kal. Februarii proxime preteritis, quas l. 300 bon. den. – – – et libras 6 – – – nomine proficui earum pro unoquoque mense a kal. Februarii prox. preteritis in antea, obligando nos et nostros heredes vobis et vestris heredibus sollempni stipulatione dare promittimus ab hodie ad kal. Martii proxime venturas et ab inde ad unum annum proximum. Et si non, penam de duobus tres et expensas advocatorum et judicum – – – renuntiando etc[31].

Insuper juramus, quod nec recipiemus nec intrare Pisis permittemus aut patiemur sequentes consules aut rectores vel dominatores, qui non jurent precise solvere et dare vobis infra predictum terminum prefatas l. 300 cum suprascripto proficuo – – –.

Item promittimus et juramus, quod si de suprascripta vel pro suprascripta missaticia aut eius occasione, postquam ipsa missaticia mota fuerit, aliquod havere vel res alique pro donamentis vel acquisitu aliquo modo Pisis in nostra potestate vel alicuius nostrum vel camerariorum nostrorum – – – pervenerit vel pervenerint – et quominus perveniant, fraudem non committemus – dabimus vobis vel dari faciemus inter pred. libras 300 et prefatum eorum proficuum. Et si tantum non fuerit illud havere vel res, totum illud havere vel res quantum ceperit a l. 20 insursum, vobis solvemus et dabimus in denariis – – –.

Insuper promittimus et juramus, quod non recipiemus nec esse patiemur aliquem capitaneum nec aliquem alium hominem supra decatia, qui non obligetur se et juret vobis dare et solvere infra duos menses proximos, ex quo juraverit factum decatie, totum debitum, quod vos vel aliquis vestrum vel vestri heredes renuntiabitis habere et expendisse de vestro vel alieno pro facto decatie vel eius occasione. Et sequentes consules et rectores hoc capitulum observare jurare faciemus. Et taliter hec omnia scribere rogavimus Marignanum et Ughicionem nepotem Gallici Judices et notarios D. Imperatoris.

Acta sunt hec omnia et jurata a supras. Pisanis consulibus super eorum animas; Vitale quoque Gatteblance jurante super animam Eldithi Vicecomitis, et Alberto Calmangiaris super animam Adimundi Masche Pisanorum consulum, data eis parabola jurandi et postea non ablata, Pisis Foriporte in turri suprascripti Bernardi q. Bulgarii et consortum prope ecelesiam S. Petri in Vinculis, presentibus Stefano Masca etc. rogatis testibus, Dominice vero Incarnationis a. 1184, ind. II, 3 Kal. Martii. Post hec a. D. inc. 1185, ind. II, 3 Kal. Madii Pisis in eccl. S. Petri in Palude – – – Curtevechia q. Lamberti Pisanorum consul hoc idem juravit sacramentum etc.

[239] Es handelt sich also um die Aufnahme einer Anleihe von 300 Pfund durch die Consuln des Comune zum Zwecke der Bestreitung der Kosten einer Gesandtschaft nach den Balearen. Die beiden Capitäne des Seezollamts und Consuln des Meeres vermitteln die Anleihe, indem sie diese Summe als Darlehen gegen 2 Proc. monatlicher, vom 1. Februar 1184 an laufender Zinsen aufnehmen. Die Tilgung der Schuld von Seiten der Regierung muss bis spätestens den 1. März 1185 erfolgt sein; zu diesem Zwecke sollen in erster Linie die Einnahmen jeglicher Art, die die Gesandtschaft an die Consuln abzuführen hatte, Verwendung finden; für den Rest haftet die Regierung. Die Verpflichtung der Consuln ist eine besonders strenge; die sechs Anwesenden binden sich und ihre Erben durch einen Eid; von den drei Abwesenden werden zwei durch den Eid ihrer bevollmächtigten Vertreter verpflichtet, während der dritte den Eid nachträglich leistet. Da am 1. Januar ein Wechsel der Consuln erfolgte, so wird die Uebernahme derselben eidlichen Verpflichtung auch durch die Nachfolger noch besonders gesichert.

In dieser Urkunde erscheint nun freilich das Consulat des Meeres im Jahre 1184 noch nicht als selbständige Behörde; den beiden Vorstehern des Seezollamts in diesem Jahre wird nur der Nebentitel consules maris beigelegt. Immerhin ist auch diese Thatsache sehr bedeutsam.

Dass in der älteren Zeit eine sehr enge Verbindung zwischen dem Seezollamt und dem Consulat des Meeres in Pisa bestanden haben müsse, habe ich aus den älteren Partien der städtischen und Gildestatuten schon früher erschlossen[32]; als den finanziellen Rückhalt des ordo maris in der älteren Zeit habe ich das Seezollamt damals bezeichnet. Nunmehr weist uns die Urkunde von 1184 darauf hin, dass dieser Zusammenhang in der älteren Zeit ein noch engerer gewesen ist; sie enthält einen deutlichen Fingerzeig, in welcher Richtung der Ursprung des Consulats des Meeres in Pisa gesucht werden muss.

So scheint es nothwendig, uns zunächst über die Institution der Pisanischen decatia[33], des „Zehntamtes“, im 12. Jahrhundert soweit möglich klar zu werden.

[240] Im Consularstatut von 1162 begegnet das Amt des Vorstehers des Seezollamts unter dem zunächst ganz abweichend erscheinenden Titel eines „custos guardie de S. Vito“. Vor derselben staatlich ernannten Commission wie die abtretenden Consuln des Comune und die Leiter des damals im Gange befindlichen Baues der Stadtmauer hat auch er über alle seine Einnahmen und Ausgaben Rechenschaft abzulegen[34]. Beweist dies seine wichtigen finanziellen Functionen, so wissen wir ferner, dass das Seezollamt im Parochialbezirk der Vituskirche und in geringer Entfernung von derselben lag; noch im Stadtrecht von 1286 heisst es[35], dass alle den Verkehr zwischen Pisa und seiner Riviera vermittelnden Fahrzeuge laden und löschen müssten „in flumine Arni, ab ecclesia S. Viti usque ad portam Degathie“.

Erst durch das Consularstatut von 1164 indessen wird die Identität dieses custos mit dem capitaneus decatiae ganz deutlich; die von den Consuln für die Wahl der Beamten des Jahres 1165 zu ernennende Commission hat nach diesem Statut auch zu wählen, „unum custodem super guardia et degatia S. Viti[36]. Dass eine Vorschrift über die Wahl dieses Beamten im Statut von 1162 fehlt, lässt darauf schliessen, das der Custos des Jahres 1162 länger als ein Jahr in seinem Amte geblieben ist.

Der Zufall will, dass wir den Namen gerade dieses Beamten kennen; Bernardus Marago, der Verfasser der Pisanischen Annalen, hebt in seiner kurzen Weise die Verdienste des Soarsa rühmend hervor, „qui guardie S. Viti et Magnalis portus preerat[37]. Offenbar ist er der Vater des einen der beiden capitanei decatiae [241] von 1184. Marago erzählt uns, Soarsa habe die grosse Kette, die von einem Thurm zum andern reichend den Eingang zum Seehafen Pisas schloss, anbringen lassen, für die Vertheidigungsfähigkeit der Hafenthürme angesichts des Genuesischen Krieges Sorge getragen und nahe dem neuen Hafenmagazin (prope domum portus Magnalis) einen grossen Brunnen „pro utilitate navigantium“ herstellen lassen. So mag es mit: der hervorragenden Tüchtigkeit dieses Mannes zusammenhängen, dass er länger, jedenfalls also noch für das Jahr 1163, im Amte geblieben ist.

Offenbar war das Amt dieses Custos für eine Seestadt wie Pisa von ganz besonderer Bedeutung; während er Vorsteher des Seezollamts und der Zollwache am Seethor in Pisa selbst war, erstreckte sich seine Machtbefugniss auch über den Seehafen Pisas, den ein wenig nördlich vom heutigen Livorno gelegenen Porto Pisano[38]. Zur Bestreitung der erwähnten Bauten dienten offenbar die Einnahmen des Seezollamts; seine Thätigkeit im Hafengebiet war so recht zum Nutzen der Interessenten des Seehandels und bewegte sich hier auf demselben Boden und in derselben Richtung wie die Thätigkeit der Consuln des Meeres in späterer Zeit.

In jener älteren Zeit aber sind es die Consuln des Comune selbst, die neben diesem Beamten den maritimen Interessen Pisas ihre unmittelbare Fürsorge zuwenden. Sie sorgten für die Aufstellung von Schiffen für die guardia maris[39]; sie waren es auch, die die in diese Zeit fallenden Schutz- und Nutzbauten in Porto Pisano ausführen liessen, bei denen besonders die Persönlichkeit des Consuls Cocco Griffi hervortritt. 1158 liess er den Bau der beiden Hafenthürme beginnen und eine Wasserleitung herstellen (fontem S. Stephani ad portum Pisanum pro utilitate marinariorum ordinavit et muravit). Im November 1162 war der nach der Livornesischen Seite zu gelegene Thurn fertig; für 1163 sind im Consularstatut noch 1000 Solidi für den nördlichen Thurm ausgeworfen, der in diesem Jahre auch fertiggestellt worden ist[40]. Das Statut von 1164 schärft den Consuln ein, auf den wehrhaften Zustand dieser Thürme besonders bedacht zu sein; vom 1. April [242] bis 1. October sollten sie die Bewachung derselben durch je drei Leute besorgen lassen[41].

Sie waren es auch, die im August 1162 mit dem Bau des oben erwähnten Magazins (magna domus juxta litus maris, portus Magnalis, pro utilitate marinariorum) begannen; im Jahre 1174 trat der Bau des grossen Fondaco mit Thurm und ehernem Thor hinzu[42]. Auch sonst sind sie im Interesse des Seehafens thätig; wenn ein Schiff in demselben Ballast auswarf, so haben sie von demselben eine Geldbusse von 100 Solidi einzuziehen und zum Besten des Hafens zu verwenden[43]. Von der Hafenlagune nach dem Arno sollte ein Schiffscanal hergestellt werden; die Consuln wurden seit 1160 jährlich verpflichtet, bis zum October je 50 Ruthen herstellen zu lassen und für die eidliche Verpflichtung der nächsten Consuln, während ihres Amtsjahres ebensoviel fertigzustellen, zu sorgen[44]. Dazu tritt ferner, dass sie versprachen, für die Wiedererlangung verloren gegangenen Schiffsgutes thätig zu sein[45].

Wie bezüglich anderer öffentlicher Institute findet sich endlich in den Consularstatuten von 1162 und 1164 noch die Vorschrift, dass die Consuln Niemanden, auch nicht auf Grund eines richterlichen Erkenntnisses, in den Besitz der Decatia einweisen dürften[46].

Aus der Gesammtheit dieser Nachrichten ergibt sich die Thatsache, dass die administrativen Functionen der Consuln des Meeres einer späteren Zeit in dieser früheren Periode einerseits durch die Consuln des Comune, andererseits durch den Vorsteher des Seezollamts ausgeübt worden sind, während wir aus dem Gesetzbuch Pisas, dem Constitutum, wissen, dass ihre handelsrichterlichen Functionen der Curia previsorum oblagen, die in dieser Beziehung noch während des 13. Jahrhunderts lange mit der Seehandelscurie concurrirt hat[47].

Die nächsten Nachrichten über das Seezollamt in Pisa entstammen erst den achtziger und neunziger Jahren des 12. Jahrhunderts. Als Pisa im Jahre 1181 mit Lucca ein enges Bündniss [243] einging, wurde ein Vertrag geschlossen, aus dem die Zuständigkeit der Decatia in dieser Zeit ersichtlich wird. Es wurde u. a. bestimmt, dass die Ueberschüsse des Pisanischen Seezollamts unter beide Staaten getheilt werden sollten, nachdem zuvor die herkömmlichen Ausgaben aus denselben bestritten worden wären. Als solche werden hervorgehoben[48]: die Ausgaben für die Verwaltung des Seezollamts selbst, für den Seehafen, das Fondaco, für Küstenbewachung, für Gesandtschaften, sowie für Ausrüstung von Galeeren, die für die guardia maris und den Schutz der Seefahrer erforderlich würden. Es bestand also eine völlig gesonderte Finanzverwaltung der Decatia, deren Einnahmen in erster Reihe zu ganz bestimmten Zwecken Verwendung zu finden hatten, die im Interesse des friedlichen Seeverkehrs lagen. Aehnlich heisst es noch im Stadtrecht von 1286, dass die Vorsteher des Seezollamts Zahlungen nur leisten dürften „in factis maris et ordinis maris et tersane sive sua occasione vel causa tantum“[49]. Es ist gewiss, dass solche Abmachungen die selbständige Stellung der Decatia nur erhöhen konnten. Eine strenge Sonderung der Ausgaben war nothwendig, die Verfügung der Pisanischen Regierung über die Einnahmen des Zehntamtes war auf bestimmte Zwecke eingeschränkt; man wird um so geneigter gewesen sein, den Vorstehern dieses Amtes umfassendere Ausgaben für diese Zwecke zu gestatten, je weniger man ein Interesse daran hatte, die mit Lucca zu theilenden Ueberschüsse zu gross werden zu lassen.

Von diesem Hintergrunde hebt sich nun die von uns an die Spitze gestellte Urkunde von 1184 ab. Es erklärt sich nun von selbst, wesshalb die Regierung in diesem Jahre zur Bestreitung der Kosten jener Gesandtschaft nach den Balearen sich gerade der Vermittlung der Decatia bediente. Dergleichen gehörte einfach in ihren Etat. Die Anleihe, die nöthig wurde, nahmen die Vorsteher des Seezollamts und die Consuln des Meeres offenbar bei den Kreisen auf, in deren Interesse diese den Zwecken des Seehandels dienende Gesandtschaft in erster Linie lag; immerhin [244] war die Capitalsanlage vortheilhaft genug, da die Verzinsung auf 24 Procent pro anno festgesetzt war. Die Gesandtschaft selbst hatte, nebenbei bemerkt, durchaus den gewünschten Erfolg; schon vom 1. Juni 1184 datirt der zwischen Pisa-Lucca einerseits und dem Herrn der Balearen andererseits geschlossene Freundschafts- und Handelsvertrag, mit dem Sigerio Gualandi nach Pisa zurückkehrte[50].

Ist es nahezu selbstverständlich, dass die Vorsteher des Seezollamts auch den Kreisen der Interessenten des Seehandels angehörten, so berechtigt uns unsere Urkunde andererseits auch zu dem Schluss, dass diese wichtigen Beamten der damaligen in Pisa regierenden städtischen Aristokratie entstammten, die in ihren Thürmen ihr Hauptbollwerk erblickte und sich derselben nur zu oft zur Ausfechtung ihrer Fehden bediente. Die Urkunde selbst ist aufgenommen in „turri Bernardi Bulgarii et consortum“, also in dem Thurme des einen der beiden Vorsteher des Seezollamts in diesem Jahre. Wenn sie vor den Consuln des Comune ihren Amtseid zu leisten hatten (jurare factum decatie), so war man doch in den Kreisen der herrschenden Aristokratie sehr geneigt, den Standesgenossen eine weitgehende Freiheit der Bewegung zu lassen. Andererseits erwartete man auch von denen, die ein hohes Staatsamt bekleideten, dass sie, wo es Noth that, vorschussweise auch mit ihren eigenen Mitteln einsprangen[51]. So erklärt sich jene Stelle des Anleihevertrages, in der die Consuln schwören, die Amtsnachfolger an der Decatia eidlich zu verpflichten, ihren Vorgängern die Summen, die sie aus eigenen oder fremden Mitteln „pro facto decatie vel eius occasione“ ausgelegt hätten, binnen zwei Monaten nach Amtsantritt zurückzuerstatten; [245] zugleich scheint diese Stelle auf weitere Kreise zu weisen, die hinter den Capitanei Decatiae standen.

Besonders wesentlich erscheint es aber, dass an der Spitze der Decatia nunmehr zwei Männer stehen, während die Consularstatuten von 1162 und 1164 in völlig unzweideutiger Weise und im Einklange mit den Annalen nur von einem Custos reden. Die Stelle des Statuts von 1164, die von der Rechenschaftspflicht handelt, spricht freilich von den custodibus guardiae S. Viti eorundem Consulum[52]. Indessen scheint dieser offenbare Widerspruch sich daraus zu erklären, dass der Custos seine Unterbeamten hatte, die an ihrem Theile ebenfalls rechenschaftspflichtig waren. Mit dem Aufhören der Einheitlichkeit des Amtes scheint nun auch der Nebentitel „consules maris“, den die Capitanei in diesem Jahre führen, in innerem Zusammenhange zu stehen.

Gewiss wird man nun zu dem Glauben geneigt sein, dass diese Neuerungen auch für die folgende Zeit in Kraft geblieben sind. Die Thatsachen indessen beweisen, dass sie zunächst nur vorübergehender Natur waren. An der Stelle der beiden Capitäne des Seezollamts und Consuln des Meeres von 1184 erblicken wir nur vier Jahre später wieder einen Beamten; im Februar 1188 begab sich in Gemeinschaft mit einem Consul des Comune, zwei Specialgesandten und einem Richter, der „Capitaneus Pisane degacie“, Petrus Guideti, von seinem Secretär (notarius et scriba eiusdem Degacie) Topasius begleitet, nach Genua, um hier den Friedenseid der Tausend Genuesen entgegenzunehmen[53]. Dass man gerade diesen Beamten mit einer solchen Mission betraute, ist sicher nicht zufällig; er erscheint als der berufene Vertreter der Seehandelsinteressen Pisas, die durch den Vertrag mit Genua in erster Linie berührt wurden. An seiner Stelle würden wir die Consuln des Meeres zu finden erwarten müssen – indessen sie fehlen; der Schluss, dass im Jahre 1188 Consuln des Meeres in Pisa nicht vorhanden waren, bleibt in der That aufrecht. Welche Umstände dazu geführt haben, jene mit dem Nebentitel der Consuln des Meeres ausgestatteten Vorsteher des Seezollamts wieder durch einen einzigen Oberleiter zu ersetzen, bleibt uns [246] dabei freilich völlig verborgen. Etwa nur auf dies eine Jahr scheint sich die Rückkehr zu der alten Praxis auch nicht beschränkt zu haben. Derselben Zeit ungefähr muss nämlich eine Stelle des Const. Usus angehören[54], die von dem Leiter des Seezollamts auch nur in der Einzahl spricht. Sie beschäftigt sich im allgemeinen mit dem Verfahren, das gegenüber Verbrechern wie Falschmünzern, Meineidigen, Hochverräthern einzuhalten sei und erörtert am Schluss den Fall, dass ein solcher Verbrechen schuldig Befundener zur See nach Pisa zurückkehrte. Ihm sollten, von allem anderen abgesehen, unmittelbar bei seiner Rückkehr fünf Procent des von ihm mitgeführten Gutes confiscirt werden; et hoc, so schliesst der Abschnitt, in Brevi capitanei decathie ponatur.

Die Stelle erweckt unser lebhaftes Bedauern, dass dieses Breve, diese Dienstvorschrift, die der Capitaneus zu beschwören hatte, nicht auf uns gekommen ist. Sie zeigt uns, dass die Aufsicht des Leiters oder der Leiter des Seezollamts sich auch auf die zur See einpassirenden Personen erstreckt haben muss und legt die Frage nahe, ob dem Seezollamt, wenn ihm eine derartige Confiscation oblag, nicht auch sonst eine selbständige Strafgewalt zugestanden haben mag. Nach der Analogie anderer Fälle glaube ich diese Frage bejahen zu können, namentlich Defraudanten gegenüber hatte das Seezollamt sicher Strafgewalt. Möglicher Weise aber hat seine richterliche Befugniss sich noch weiter erstreckt; auch Streitigkeiten, wie sie der Seeverkehr mit sich brachte, zwischen Schiffsvolk und Schiffsführer u. dgl. mögen der summarischen Erledigung von seiten des Seezollamts unterstanden haben. Ein positiver Beleg hierfür fehlt für Pisa allerdings; doch weise ich auf die interessanten Zeugnisse hin, die Goldschmidt für die Jurisdiction der Zollbehörden anderwärts beigebracht hat[55]. Eine derartige Gerichtsbarkeit des Seezollamts würde dann, wenn überhaupt vorhanden, auf eine sehr alte Zeit zurückgehen; sie würde auf einer Linie stehen mit der der oft citirten Westgothischen telonarii.

[247] Der Zeit, in der die Leitung des Pisanischen Seezollamts eine einheitliche war, gehört noch eine weitere Stelle des Pisanischen Gesetzbuchs an, die ein Streiflicht auf die inneren Zustände Pisas in dieser Zeit fallen lässt[56].

Quoniam degathia et portus cum fundaco ad publicam omnium utilitatem cognoscitur pertinere, firmamus, ut nullus pro aliquo debito vel jure, quod sibi contra comune Pisanum vel ipsam degathiam competere ceperit, mittatur in possessionem domus degathie vel portus vel fundaci vel pertinentiarum ipsorum, in totum vel in partem. His etiam addimus, ut, quicunque capitaneo degathie vel fundacario fundaci portus vel alicui hominum de degathia in rebus degathie vel in his, que in eorum custodia sunt vel que ad predictorum officia pertinent, vim inde aliquo modo ausus fuerit inferre, preter restitutionem rei, quam non suam abstulit, 20 l. pro pena inter degathiam et comune Pisanum dividenda prestare predicto comuni et degathie cogatur. Capitaneus degathie pro rebus et rationibus ad degathiam pertinentibus et pro dampno sibi illato, nomine degathie liberam facultatem habeat petendi et experiendi.

Gerade aus dem Verbot lesen wir heraus, dass bei den Parteikämpfen der Aristokratie auch die Decatia vor Uebergriffen und Gewaltthätigkeiten nicht sicher war. Die strenge Sonderung der Verwaltung des Seezollamts von der sonstigen Staatsverwaltung wird durch die Bestimmung über die Theilung der Geldbusse bestätigt; das Seezollamt hat die Rechte einer juristischen Person; auf eigene Hand hat sein Leiter Rechte und Interessen des Instituts vor Gericht wahrzunehmen und zu vertreten. Andererseits wird die alte Bestimmung erneuert, dass auch durch das Gericht keiner, der einen Rechtsanspruch an die Decatia besitze (pro aliquo debito vel jure), darum ganz oder theilweise in den Besitz der Decatia, dieses dem allgemeinen Nutzen dienenden Instituts, eingewiesen werden dürfe; offenbar also blieb der Fordernde auf die Verpfändung der laufenden und künftigen Einnahmen des Seezollamts angewiesen.

Erst gegen Ende des Jahrhunderts[57] begegnen wir wieder [248] zwei Vorstehern des Seezollamts. Wie im Jahre 1184 handelt es sich um die Aufbringung der Kosten einer Gesandtschaft, diesmal nach Constantinopel; doch wird die Anleihe nicht durch Vermittlung des Seezollamts, sondern bei der Dombauverwaltung, die in Constantinopel wichtige finanzielle Interessen besass, aufgenommen. Am 22. Juli 1197[58] bekennt Graf Tedicio, der damals zum zweiten Mal das Podestat bekleidete, 200 Pfund Pisanischer Münze von dem Operarius Opere S. Marie, Bernardo (Aghentine) empfangen zu haben und verspricht dafür bis zum 1. August 1198 Rückerstattung eines Betrages von 444 Goldhyperpern, die durch die Gesandten Gerardo Arcossi und Sigerio Cinnami erfolgen sollte „de primo havere, quod ad manus predictorum missaticorum – – – pervenerit“. Von den Einzelheiten der in vieler Hinsicht merkwürdigen Urkunde berührt uns hier nur, dass zur Sicherung des Gläubigers die Verpfändung der der Pisanischen Regierung in Constantinopel zustehenden Einkünfte unter Zustimmung der Vorsteher des Pisanischen Seezollamts ausgesprochen [249] wird: „consensu Gerardi Boctici et Lotteringi q. Bandini Homictii, capitaneorum decatie, obligo tibi jure pignoris omnia comunia et introitus et redditus recollectos et recolligendos, que Pisana civitas habet in Constantinopoli vel habitura est, – – – et nominatim – – – scalam cum domibus et omnia sua pertinentia – – –, ita quidem, quod prefata obligatio pignoris non excedat tempus mei dominatus, cum sacramento tenear, nullum comune Pisane civitatis obligare, que obligatio tempus mei dominatus excedat“. Es ist in hohem Grade bemerkenswerth, dass diese Vorsteher des Seezollamts auch in Bezug auf die Verwendung der Colonialeinnahmen Pisas mitzureden hatten; sie sind es auch, die mit dem Podestà und einem der beiden Gesandten zusammen von dem aufnehmenden Notar als diejenigen bezeichnet werden, die die Ausfertigung der Urkunde veranlasst hatten. Die Annahme liegt nahe, dass auch diese Capitanei Decatiae wie ihre Vorgänger im Jahre 1184 den Nebentitel consules maris geführt haben; vielleicht würde ihr voller officieller Titel nicht fehlen, wenn sie, wie 1184, die eigentlichen Contrahenten des Vertrages wären; Gewissheit darüber zu erlangen, ist uns versagt.

Wenige Jahre nach 1197 tritt uns nun das Consulat des Meeres in Pisa als ein, wie es scheint, durchaus selbständiges Amt entgegen. Die Schreiben Tunesischer Behörden vom September 1200 und Mai/Juni 1201 an die Pisanische Regierung sind auch an die Consuln des Meeres gerichtet und im Jahre 1212 stehen die consules ordinis maris Pisanorum, wie sie sich urkundlich selbst nennen[59], in Vertretung des Podestats und städtischen Consulats an der Spitze der Regierung und schliessen in dieser Stellung den Friedensvertrag mit Genua. Sie erscheinen hier als Vorsteher einer mächtigen Seehandelsgilde, deren innere Organisation und weitere Entwicklung durch spätere Quellen ausreichend klar gelegt wird.

Wenn ich aber früher nach Lage der Quellen ohne Weiteres annahm, dass die Consuln des Meeres auch schon bei ihrer ersten Erwähnung an der Schwelle des 13. Jahrhunderts als Vorsteher einer Seehandelsgilde anzusehen seien und dass der Ursprung des Meeresconsulats mit dem Ursprunge dieser Corporation zusammenfalle, [250] so beweist uns nun die neue Urkunde von 1184, dass der Titel consules maris in Pisa schon vorkam, bevor es einen ordo maris gab. Darnach brauchten nun auch die Consuln des Meeres von 1200/1201 noch nicht Vorsteher eines ordo maris gewesen zu sein, wenn freilich auch der Urkunde von 1184 gegenüber der wesentliche Unterschied besteht, dass die Consuln des Meeres nunmehr in besonderem Hauptamt neben den „Landconsuln“, den „höheren Consuln“ genannt werden.

Dass ein Zusammenhang besteht zwischen jenen Consuln des Meeres im Nebenamt von 1184 und jenen mächtigen Vorstehern des ordo maris 1212, wird man schwerlich leugnen wollen. Wie aber hat man sich diesen Zusammenhang zu denken?

Ich habe mich früher bemüht, darzuthun, dass die Bildung des ordo maris von den Interessenten des friedlichen Seehandels ausgegangen sein muss, dass sie ihren inneren Grund in den schweren Schäden, die gegen Ende des 12. Jahrhunderts im Pisanischen Seewesen hervortraten und sich namentlich in einer rücksichtslos auftretenden Piraterie äusserten, gehabt haben wird, dass sie endlich durch die inneren Kämpfe der herrschenden Adelsfactionen, die mehrfach sogar die Einsetzung einer legitimen Regierung verhindert haben, wesentlich befördert sein muss[60]. Als neues Moment können wir nun in die Erklärung aufnehmen, dass die Bildung dieser Corporation sich im Anschluss an die Institution des Seezollamts vollzogen hat, das neben dem Budget des Staates seinen besonderen Etat besass, alle für das Seewesen nothwendigen öffentlichen Ausgaben zu bestreiten hatte und schon insofern als Vertreter der Interessen der seefahrenden Bevölkerung erschien. Anleihen zur Bestreitung dieser Ausgaben waren oft nöthig; aus der Zeit, in der uns die trefflichen, leider nur bis 1174 reichenden Annalen Maragone’s zu Gebote stehen, wissen wir z. B., dass die Consuln im Jahre 1162 eine Reihe von Staatseinnahmen (duanam salis et ripam et ferri venam) für 5500 lb. auf 11 Jahre „pro galeis faciendis et civitatis expensis“ verpachteten, und 1166 nahmen die Consuln sogar eine Anleihe von 36 000 lb. auf („intraverunt supra 36 mil. libr. debiti et eodem anno 47 galeas armaverunt“). Solche Anleihen pflegten bei den nächstinteressirten Kreisen gemacht zu werden; in der Gemeinschaft [251] der Gläubiger des Seezollamts wird sich ein erster Ansatz von corporativem Zusammenschluss um das Seezollamt als Mittelpunkt gebildet haben. Im Kriegsfalle, in dem sich Pisa während dieser Zeit nur zu häufig befand, wurde das Seezollamt naturgemäss in erhöhtem Masse herangezogen; immer weiter dehnte sich der Kreis der Gläubiger aus; je weniger rasch die Rückzahlung der Anleihen möglich war, um so fester ward allmählich der Verband der Gläubiger der Decatia, denen die laufenden Einnahmen des Amtes verpfändet waren[61].

Es liegt nun in der Natur der Dinge, dass diese Gläubiger Einfluss auf die Verwaltung des Seezollamts erhielten; man mag ihnen bei den inneren Wirren zeitweise selbst die Ernennung seiner Vorsteher eingeräumt haben, wenn auch unter Vorbehalt der Zustimmung des Staates. Niemand hatte ein natürlicheres und lebhafteres Interesse an dem ungestörten Fortgange des friedlichen und legitimen Seehandels, der allein dem Seezollamt dauernde und wachsende Einnahmen sichern konnte, als diese Kreise.

So mag denn in einer Zeit besonders schwerer Bedrohung dieser Interessen durch innere Parteikämpfe und die mit dieser in Zusammenhang stehende Piraterie von diesem Mittelpunkte aus die Bildung des ordo maris erfolgt sein als eines mächtigen Verbandes, der sich den allseitigen Schutz der friedlichen maritimen Interessen Pisas zum Ziele setzte, immer weitere Kreise an sich heranzog und von sich abhängig machte. Die Consuln des Meeres waren nun die selbstgewählten Vorsteher des Ordens des Meeres geworden, einer Corporation, deren Leitung ausschliesslich in den Händen einer Aristokratie lag, in der zunächst noch jener Theil der Nobili tonangebend war, der weniger unmittelbar in [252] die Kämpfe der Pisanischen Conti und Visconti verwickelt war und seine Capitalien in maritimen Unternehmungen, in Rhederei oder den Hauptgeschäften des damaligen Seehandels, dem Seedarlehen und der Commenda, anzulegen pflegte.

Wann sich dieser Orden des Meeres gebildet, bleibt auch jetzt noch ungewiss. Auf einen Ansatz zu solcher Bildung scheint es zu deuten, dass im Jahre 1184 zwei Capitanei mit dem Nebentitel „consules maris“ an der Spitze der Decatia stehen. Aber noch 1197 scheint ein selbständiges Consulat des Meeres in Pisa nicht vorhanden gewesen zu sein, da die Verpfändung der Colonialeinnahmen in Constantinopel durch den Podestà mit Zustimmung der beiden capitanei decatiae, und nicht wie wir sonst erwarten müssten, der Consuln des Meeres erfolgt[62]. Jene arabischen Adressen von 1200/1201 aber reden unzweideutig von Quanâsirat-el-barr, „Consuln des Meeres“. Dass darunter mit erklärlicher Abkürzung die consules ordinis maris Pisanorum, wie sie sich 1212 selbst nennen, während der gleichzeitige Genuesische Annalist dieselben Leute auch nur kurz als consules maris bezeichnet, zu verstehen sind, ist freilich nicht sicher. Aber wahrscheinlich scheint es mir doch. Ja, ich meine noch immer, dass zu keiner Zeit die Bildung eines den Schutz des friedlichen Seehandels erstrebenden Verbandes näher lag, nothwendiger und zugleich leichter war, als gerade im Jahre 1200 selbst, wo Pisa nach Beendigung der zweiten Amtsführung des Podestà Tedicio neuen, schweren Wirren anheimgefallen war und längere Zeit sogar einer anerkannten Regierung völlig entbehrte[63].

Auch nach der Bildung des Ordens des Meeres dauerte die engste Verbindung desselben mit dem Seezollamt zunächst noch fort; die Consuln des Meeres mögen anfänglich auch jetzt noch zugleich die capitanei decatiae gewesen sein. Es bezieht sich vielleicht auf dieses Verhältniss, wenn das Tunesische Schreiben vom 11. September 1200, das in seinem arabischen Text sich neben den staatlichen Consuln an die Consuln des Meeres wendet, [253] in seiner lateinischen Ausfertigung die Adresse trägt: „archiepiscopo et judicibus et veteranis et capitaneis et consulibus Pisanorum[64]. Bald aber wird man bei den wachsenden Aufgaben, die an die Consuln des Meeres herantraten, eine Sonderung vorgenommen und sich damit begnügt haben, die Vorsteher des Seezollamts durch den Ordo ernennen zu lassen und über seine Mittel im Interesse des Seewesens zu verfügen. Von Dauer konnte auch dieser Zustand nicht sein. Der Staat musste darnach streben, eine so wichtige Einnahmequelle zu eigener Verfügung zurückzugewinnen. Das scheint unter dem tüchtigen Regiment des Podestà Ubaldo Visconti geschehen zu sein (von 1215 bis 1217); das Privileg, das dem Ordo Maris zu seiner Zeit verliehen wurde, hat den durch Usurpation erwachsenen Befugnissen des Ordo offenbar die rechtliche Grundlage gegeben und in den wichtigsten Beziehungen eine Scheidung des Machtgebietes von Staat und Ordo vorgenommen. Noch das Stadtrecht von 1286 (und 1301 ff.) bezieht sich auf dies Privileg; gleichzeitig lässt es die alte Verbindung zwischen ordo maris und Decatia erkennen, wenn es im Capitel de privilegiis curie maris[65] sagt: „observabimus et observari faciemus privilegia et cartas concessa consulibus ordinis maris et eorum ministris et degathie, a quibuscunque personis et locis“.

Nicht minder beweisen in den Gildestatuten stehen gebliebene alte Partien, wie unbedingt einst das Verfügungsrecht der Organe des Ordo Maris über die Einnahmen der Decatia war. Wenn sie es für nöthig hielten, konnten sie selbst Schiffe nach der Levante oder den muhamedanischen Ländern entsenden, während die Kosten solcher Missionen von dem Seezollamt zu bestreiten waren[66]. Lange noch wurden auch die Gehälter sämmtlicher Beamten der Seehandelsgilde aus den Mitteln des Seezollamts gezahlt[67] – wohl ein Zugeständniss, das man dem Ordo Maris gewährte, als man ihm die allgemeine Verfügung über das Seezollamt entzog und die Capitanei Decatiae wieder zu reinen Staatsbeamten machte. Als solche erscheinen sie mit aller Deutlichkeit [254] wieder im Jahre 1220[68], wo sie das Pisanische Gesetzbuch im engsten Zusammenhange mit den anderen Staatsbeamten nennt, die vor einer fortan regelmässig in bestimmten Zwischenräumen zu ernennenden Commission Rechnung zu legen hatten.

Zum Schluss sei mir noch eine Bemerkung bezüglich der Consuln des Meeres in Genua verstattet. Ich habe bisher stark betont, dass die Genuesischen consules introitus maris und die Pisanischen consules ordinis maris scharf auseinandergehalten werden müssten, dass nur zufällige Namensgleichheit die consulatus maris beider Orte verbinde[69], dass dem Consulat des Meeres in Genua im wesentlichen die Pisanische Decatia entspreche. Wenn dieser Schluss nach den bisher bekannten Nachrichten berechtigt war, so bedarf er nun nach der Auffindung der Urkunde von 1184 und nach der Vorstellung, die wir uns auf Grund derselben von der Entstehung und dem ursprünglichen Charakter auch der Pisanischen Institution machen müssen, für die älteste Zeit einer durchgreifenden Berichtigung. Gerade in ihrer Entstehungszeit erscheinen beide Institutionen nun als nahe verwandt; wenn das Genuesische Amt seiner Hauptbedeutung nach im wesentlichen als ein Seezollamt bezeichnet werden konnte, so hat sich nun auch für Pisa die enge Verbindung, in der das Meeresconsulat hierselbst seinem Ursprung nach mit diesem Amte gestanden, enthüllt. Während in Genua aber die finanzielle Bedeutung des Amtes zu allen Zeiten die Hauptsache geblieben ist, ist in Pisa, nachdem das Amt eine starke corporative Unterlage erhalten und in staatlicher, richterlicher und administrativer Beziehung eine weitreichende Bedeutung erlangt hatte, die finanzielle Seite von dem Amte abgelöst worden – die Consuln des Meeres blieben in Genua Finanzamt und rein staatliche Behörde; als sie das letztere in Pisa zu sein aufhörten, konnten sie auch das erstere auf die Dauer nicht bleiben.

Darnach erscheint also die in Genua während des ganzen 13. Jahrhunderts herrschende Form des Consulats des Meeres als diejenige, die den ursprünglichen Charakter des Amts am reinsten bewahrt hat.

[255] Damit wird nun die Entstehung des Amtes aus einer einheitlichen Wurzel, an einer bestimmten Ursprungsstätte, durchaus wahrscheinlich. Nicht minder spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Pisa als diese Stätte anzusehen ist. Trotzdem wir für Genua eine gleichzeitige Annalistik besitzen, die für Pisa fehlt, kennen wir Consuln des Meeres in Genua erst für 1206, in Pisa für 1184, 1200–1201, 1212. Nun zeigen die staatlichen Einrichtungen beider Städte in dieser Zeit auch sonst eine enge Verwandtschaft. So entspricht dem Pisanischen custos decatiae der Jahre 1162 f. der Genuesische custodiens portum, den das Breve della Compagna von 1157 und 1161 erwähnt[70]; so entspricht ferner dem Pisanischen Capitaneus Decatiae, der im Februar 1188 den Friedenseid der Tausend Genuesen entgegennimmt, auf das genaueste der zu gleicher Zeit und zu entsprechendem Zweck in Pisa anwesende Genuesische Capitaneus de Modulo (= Molo), Alamannus Costa[71]. Pisa aber erscheint in dieser Zeit in seinen Einrichtungen Genua gegenüber auch sonst als das voranschreitende; Pisa führt im Jahre 1190 das Podestat bei sich ein[72], Genua erst im folgenden. So mag denn auch das Consulat des Meeres in Genua unter der Einwirkung der Pisanischen Institution entstanden sein zu einer Zeit, als diese noch in engster Verbindung mit dem Seezollamte stand; ich habe ohne Kenntniss dieses Zusammenhanges früher schon die Vermuthung zu begründen gesucht, dass die Institution in Genua etwa im Jahre 1202 entstanden sein mag[73].

Aber sollte Pisa auch nicht als der Entstehungsort der ursprünglichen Form des Consulats des Meeres anzusehen sein, wie sie sich in Genua und nach dessen Vorbild in Montpellier längere Zeit erhalten hat, so bliebe es immer noch der Ort, in dem dieses Amt die entscheidende Umgestaltung erfahren hat, durch die es erst zu einer der bedeutsamsten, allmählig zu immer weiterer [256] Verbreitung gelangten commerziellen Institutionen[74] des Mittelalters geworden ist.




Nachschrift. Die Literatur über das Consulat des Meeres hat neuerdings eine Bereicherung eigenthümlicher Art erfahren in des Herrn L. de Valroger, „Étude sur l’institution des consuls de la mer au moyen-âge“, Paris, Larose & Forcel 1891. (Zuerst in der Nouvelle Revue hist. de droit français et étranger, XV (1891), 36 ff. und 193 ff., wonach ich citire).

Die Höhe seines wissenschaftlichen Standpunktes kennzeichnet der Verf. gleich im Eingange seiner Schrift in geschichtlicher Beziehung dadurch, dass er die Redaction der Assisen von Jerusalem in das Jahr 1099 setzt und Gottfried von Bouillon zuschreibt, in sprachlicher dadurch, dass er uns mittheilt: „l’italien des statuts de Trani ne concorde pas avec la langue usitée en 1063“.

Selbständig ist der Verf. in dieser Studie über die Consuln des Meeres nur in den Theilen, die nicht über die Consuln des Meeres handeln; diese sind aus dem für seine Zeit ausserordentlich verdienstvollen, nunmehr aber vielfach stark veralteten Werke von Pardessus geschöpft. Alle die Theile aber, die sich wirklich mit dem Consulat des Meeres beschäftigen, sind meinem Buche über diesen Gegenstand entnommen; wo sich Abweichungen von meiner Darstellung finden, beruhen sie darauf, dass er meine Ausführungen in gröblicher Weise missverstanden hat[75].

[257] Was aber die schärfste Zurückweisung verdient, ist der Umstand, dass Herr de Valroger sich den Anschein gibt, selbständige Forschungen über den Gegenstand angestellt zu haben, während er doch sämmtliche Citate, soweit sie wirklich die Consuln des Meeres betreffen und nicht dem blossen Aufputz dienen, ausnahmslos meinem Buche entlehnt hat. Diese Kleinigkeit ist es, die Herr de V. beim Citiren meines Buches zu erwähnen vergessen hat.

Indessen auch mit Aftercitaten zu operiren, ist nicht so einfach, wie es sich der Verf. gedacht hat; auch dazu gehört ein gewisses Mass von Kenntnissen, sonst macht man es dem Object zu leicht, seine Tücke zu zeigen. Ein paar Proben wissenschaftlicher Citate mögen zeigen, dass die Geschwindigkeit des Autors bei dieser Etude noch grösser war als seine Geschicklichkeit.

Auf S. 40 citirt der Verf. das Pisanische Breve Communis rub. 38. Nun gibt es aber zwei Statuten dieser Art (von 1286 und 1302) und jedes derselben hat vier Bücher; in welchem dieser acht Bücher hat man nun wohl dies Citat zu suchen? In Wahrheit steht es in keinem derselben. Das seltsame Citat ist so entstanden: In seiner Quelle (S. 161 meines Buches) werden im Text die Statuten der Seehandelsgilde (Breve dell’ Ordine del Mare) angeführt, während in der Anmerkung nur die Worte „rub. 138“ stehen. Da ich aber in der vorhergehenden Anmerkung das Breve Com. von 1302 citire, so bezog der Verf. bei seiner Unkenntniss der Pisanischen Statuten die Rubrik 138 auf diese Quelle und liess die Jahreszahl als überflüssig fort; durch einen Druckfehler endlich wurde aus der richtigen Zahl 138 die falsche Zahl 38.

Sehr hübsch und zur Nachprüfung einladend ist das Citat S. 43: „Pertz, tom. XIX, ad annum“. Der Name des Annalisten Bern. Maragone war ihm wohl zu räthselhaft, um auch diesen aus S. 13 meines Buches zu übernehmen.

Für das Schreiben Peter’s III. von Aragon vom Jahre 1284 führe ich S. 241 Anm. 4 Tola, Cod. dipl. Sard. I, 395 an, während Herr de V. citirt: Tola, Cod. diplomi sard. I, 721. Hier ist das Auge des Verf. auf die folgende Anmerkung in meinem Buche hinübergeglitten, wo sich die natürlich auf ein anderes Document bezügliche Zahl 721 wirklich findet. Aus eigenen Mitteln aber hat der Verf. die schöne Ergänzung des Cod. dipl. zu Cod. diplomi als ein Zeichen seiner genauen Kenntniss dieses Codex diplomaticus geleistet.

S. 103, Anm. 2 citire ich das in Band II der Statuti pisani abgedruckte Constitutum Usus; an der entsprechenden Stelle ist nun [258] Herr de V. (S. 51 Note 6) einmal so sorgfältig, mir Buchstabe für Buchstabe in folgender Weise nachzucitiren: „Constitutum Usus in Stat. pisan. II p. 981“. Es begegnet ihm also das schmerzliche Versehen, sich in einer Note zu seiner Französischen Abhandlung ganz nichtsahnend des sonst so harmlosen Deutschen Wörtchens „in“ zu bedienen.

Doch genug damit. Weitere Nachweise stehen bei Bedarf zur Verfügung; sie sind nicht minder schlagend, nur weniger erheiternd als die angeführten.




[288] Zur Entstehung des Consulats in Italien. Entgegnung. Schaube’s hier oben p. 223 ff. abgedruckte Abhandlung richtet sich in ihrem 1. Abschnitt ausschliesslich gegen meinen früher in dieser Zeitschrift erschienenen Aufsatz. Der Verfasser will auf die Argumente, die gegen die Richtigkeit des Datums des Seerechts von Trani vorgebracht sind, nicht eingehen: die Frage scheint ihm erledigt für Jeden, „der überhaupt historische Verhältnisse aufzufassen vermag“, oder sich gar zu den „wirklich Sachverständigen“ rechnen will. Immerhin wäre es doch freundlich gewesen, zu sagen, welche von den Argumenten er für entscheidend hält – er sagt selbst, dass auch „stumpfe Waffen“ darunter gewesen seien. In seinem Buche über das „Consulat des Meeres in Pisa“ sagt er, dass jene Ordiniamenti, in Italienischer Sprache erlassen, „par li nobili et discreti homini m. Angelo de Bramo, m. Simone de Brado et conte Niccolo de Roggiero“, nicht dem Jahre 1063 angehören könnten. Also dies soll genügen? Ja, in Italienischer Sprache sind sie im Jahre 1063 gewiss nicht erlassen worden. Aber warum sollen sie nicht übersetzt sein? Schaube will doch nur beweisen, dass man aus den Lateinischen Bestandteilen des Seerechts nicht nothwendig auf einen Lateinischen Urtext schliessen müsse; mit der Frage, ob sie wirklich übersetzt seien, hat seine Argumentation gar nichts zu thun. Falls Schaube an den Beinamen der Consuln Anstoss nimmt, so verweise ich ihn auf die Urkunden in Trinchera, Syllabus membran. Graec., aus denen er entnehmen wird, dass Beinamen im östlichen Unteritalien im 11. Jahrhundert ganz gebräuchlich sind. Auch der Titel „comes“ wird ihm dann nicht auffällig sein; und der Zusatz „misser“ vor den Namen dürfte ohne Gefahr auf Rechnung des höflichen Uebersetzers zu setzen sein.

Der Hinweis auf die Gesetzgeber kann mich auch heute noch nicht überzeugen; auch die Mehrzahl der „wirklich sachverständigen Forscher“, die ich allerdings s. Z. zu ermitteln unterlassen habe, kann [289] mir nicht imponiren. Bekanntlich irren sich die Sachverständigen manchmal. Und nicht bloss die Sachverständigen. Ich gebe gern zu, dass ich zweimal consules statt consuli habe drucken lassen – es kam übrigens in dem Zusammenhange gar nicht auf die Lateinische oder Italienische Wortform an –; ich gebe sogar zu, dass ich den Namen Alianelli „hartnäckig“ mit zwei l schreibe; ich gebe weiterhin zu, dass ich mich über die Correctheit der Daten der Urkunde aus Siponto geirrt habe. Ich kann zwar die Angaben Schaube’s über meinen Fehler nicht controlliren, da mir Gattula, Accessiones augenblicklich nicht zugänglich ist, aber ich glaube es ihm gern – dergleichen Flüchtigkeiten kommen bei mir leider vor. Und da Wattenbach die von mir citirte Urkunde in das Jahr 1064 gesetzt hat, so zweifle ich nicht, dass ein Widerspruch besteht zwischen dem Jahre der Indiction und dem Jahre der Regierung des Kaisers. Dieser Widerspruch beweist aber gar nichts gegen die Echtheit der Urkunde. Ganz und gar nichts – ebensowenig, wie der Erzbischof Girardus, von dem „man“ „bisher“ annahm, dass er erst im Jahre 1066 Oberhirt der Kirche von Siponto geworden sei. Oh, was muss doch Deutschland für ein gelehrtes Land sein, dass es sogar eine communis opinio über den Erzbischof Girardus von Siponto gibt! Nun, Wattenbach gehört jedenfalls nicht zu den „man“; oder sollte Wattenbach gar unter die Entdecker gegangen sein? Die Angabe von Gams und Cappelletti stammt nur daher, dass Leo von Ostia von der Einsetzung des Erzbischofs zufällig an einer Stelle spricht, wo er vorher von Ereignissen des Jahres 1066 und nachher von Ereignissen des Jahres 1067 erzählt. Bis auf Weiteres muss man also die Urkunde für echt halten. Die Echtheit würde ich auch aus dem Sprachgebrauch erhärten können, wenn mir die Urkunde vorläge: ich bitte Schaube den Text mit den gleichzeitigen Urkunden bei Trinchera zu vergleichen. So schlau waren nun aber die Fälscher mittelalterlicher Urkunden in der Regel nicht, dass sie sich auf Nachahmung des Sprachgebrauchs einliessen.

Zum Schluss kann ich nicht umhin, mein Bedauern auszusprechen, dass mir Schaube’s Arbeit über das Consulat des Meeres zu Pisa nicht vor Publicirung meines Aufsatzes bekannt geworden ist. Ich würde mich in diesem Falle näher auf eine Würdigung der gegen die Echtheit des Datums vorgebrachten Gründe eingelassen haben – und wer weiss, ob ich dann nicht zu einem anderen Resultate gekommen wäre. Für heute aber bin ich durch Schaube nicht überzeugt. Ich möchte übrigens Schaube nur bemerken, dass er gar keinen so grossen Anlauf zu nehmen brauchte, wenn er über den „Entdecker“ wegspringen wollte: dieser ist ein ganz bescheidener Mann und gar nicht stolz auf seine Entdeckung.

Hans von Kap-herr.     


[127] Zum Byzantinischen Meeresconsulat. Erwiderung. Die Entgegnung v. Kap-herr’s (Bd. 9 S. 288–89) behilft sich mit einem gewissen gezwungenen Humor; sie zeigt indessen auch andere Eigenthümlichkeiten, die mich zu folgenden Bemerkungen veranlassen.

1. Wenn durch v. K.’s Entgegnung der Schein entsteht, als ob ich in meinem Buche über das Consulat des Meeres meine Ansicht über die Zeit, der die Ordinamenti von Trani angehören, ohne Begründung gelassen hätte, so genügt es, auf S. 277–79 desselben zu verweisen.

2. v. K. behauptet, ich hätte nur beweisen wollen, dass man aus den Lateinischen Bestandtheilen des Seerechts von Trani nicht nothwendig auf einen Lateinischen Urtext schliessen müsse; meine Argumentation hätte mit der Frage, ob sie wirklich übersetzt seien, gar nichts zu thun. Ich bin aber so unbescheiden, dass ich meine (S. 229), bewiesen zu haben, dass aus der Lateinischen Aufschrift und dem Lateinischen Explicit dieses Seerechts auf einen Lateinischen Urtext nicht geschlossen werden darf, ebensowenig geschlossen werden darf, wie bei dem mit diesem Seerecht zusammengedruckten Havereirecht von Ancona. Wer an einem Lateinischen Original noch ferner festhalten will, wird dafür andere Gründe beibringen müssen; dem Italienischen Text gegenüber liegt ihm dafür die Beweislast ob.

3. v. K. hat meiner Abhandlung nicht entnehmen können, welche Argumente ich eigentlich gegen die Richtigkeit des Datums 1063 für entscheidend halte. Eigentlich sollte man doch wohl annehmen, dass das diejenigen wären, die ich selber vorbringe. Also ausser dem Gesammtcharakter dieser Ordinamenti, der freilich nur von einem Kenner der mittelalterlichen Seerechtsquellen zu beurtheilen ist, ihr Zusammenhang mit den Statuten von Fermo (S. 230); und von Einzelheiten, die ich auch, jede für sich, für entscheidend halte, die Erwähnung überseeischer Consuln (S. 226), die Berührung mit dem Catalanischen Consolado del mar (231), die Voraussetzung der Nichtbegleitung der Waare durch den Kaufmann (230). Statt gegen irgend eines dieser Argumente anzugehen, steckt v. K. den Kopf in den Sand und polemisirt [128] hypothetisch („Falls Schaube – – – Anstoss nimmt“) gegen drei Punkte, die ich nie und nirgends vorgebracht habe.

4. Der Zweck des ersten Theiles meiner Abhandlung war, das Byzantinische Meeresconsulat v. K.’s zu beseitigen, ehe es vielleicht weiteres Unheil in der historischen Literatur anrichtete. Demgemäss habe ich auch bezüglich der Urkunde von Siponto nachgewiesen, dass sie auf Meeresconsuln auf keinen Fall zu beziehen ist, und dass v. K.’s Forschung auch hier der gesicherten Grundlage durchaus entbehrt. Weiter berührte mich bei meiner augenblicklichen Aufgabe die Urkunde nicht; ausdrücklich habe ich erklärt, dass ich hier noch eine besondere Untersuchung für nothwendig erachte (S. 235). Um eine solche ein wenig zu fördern, habe ich S. 234 Anm. auf den von Wattenbach herausgegebenen Leo Marsicanus hingewiesen. Daher ist nun Herrn v. K. seine neue Wissenschaft von Wattenbach’s Jahresansatz und der Quelle von Gams und Cappelletti gekommen. Im übrigen will ich gern meine vorläufige Ansicht jetzt schon aussprechen, die allerdings dahin geht, dass Siponto im Jahr 1063 oder 1064 noch keine städtischen Consuln gehabt hat; v. K. scheint auch hier manche Schwierigkeit gar nicht zu sehen.

5. Wenn v. K. am Schlusse seiner Entgegnung meiner Polemik gegen ihn das Motiv unterlegt, ich hätte über ihn „wegspringen“ wollen, so scheint er nicht zu bemerken, dass er damit zu seinem Schaden auch noch den Spott der Leute auf sich zieht, gerade so wie er mit seiner Abhandlung meinen Spott herausgefordert hat, nicht durch seine Irrthümer an sich, so schwer sie waren – blossen Irrthümern pflege ich nicht so zu begegnen – sondern durch seine grossen Worte vom „Byzantinischen Meeresconsulat“ und der neuen „systematischen“ Methode, die ihn zu den von mir gewürdigten Ergebnissen geführt hat.

Adolf Schaube.     


Auf eine Replik hat Herr v. Kap-herr verzichtet.

Anmerkungen

  1. H. v. Kap-herr: Bajulus, Podestà, Consules in dieser Zeitschrift V, 21–69. Eine Replik des Verfassers folgt in den Kleinen Mittheilungen dieses Hefts.
  2. Das Consulat des Meeres in Pisa, Leipzig 1888, S. 277–280.
  3. Von jenem kühl urtheilenden Gelehrten von Fermo an, an den sich Pardessus gewandt hatte, um das in dem Druck der Statuten von Fermo enthaltene Datum sicherzustellen: Coll. de lois maritimes V, 218; Racioppi im Arch. stor. napol. III, 692; Pertile, storia del diritto italiano II, 658 f. und besonders Sclopis, F.: storia della legislazione ital., nuova ed. Torino 1863, I, 189 f.
  4. W. Heyd, Geschichte des Levantehandels im Mittelalter I, 109.
    Rud. Wagner, Handbuch des Seerechts, Leipzig 1884. I, 61; hier auch die weitere Literatur.
    L. Goldschmidt, Universalgeschichte des Handelsrechts, Stuttgart 1891, I, 168 und 178.
  5. v. Kap-herr a. a. O. 58, Anm. 3: „das Datum ist jetzt durch die gleichzeitige Urkunde aus Siponto vollständig gesichert“. Die Literatur über die Consuln d. M. von Trani scheint Vf. nur sehr einseitig studirt zu haben; er citirt Pardessus, Alianelli (den er hartnäckig Allianelli nennt), Beltrani für seine Ansicht, von den Gegnern nur Volpicella.
  6. Ebd. 59.
  7. Ebd. 25. Mit Hilfe derselben „systematischen“ Methode gelingt es ihm auch, zu ermitteln, dass Consuln der Kaufleute in Corneto schon im J. 1144 vorkommen, während die „herrschende historische Methode“ sich damit hatte begnügen müssen, für die ältesten bisher nachgewiesenen consules mercatorum die von Piacenza im J. 1154 zu halten. Er erklärt nämlich kurz und bündig: Die coss. merc. von Corneto a. 1177 heissen a. 1144 einfach Consules de Corneto. Ebd. 59. A. 1.
  8. rub. 25: Et deba hauer la dicta nave de salario quello che termineranno li consoli, che seranno in quella parte.
  9. Universalgesch. d. Handelsrechts I, 168. Auch Rud. Wagner, Handb. des Seerechts I, 61 spricht von einem Lateinischen Original, das uns in einer ital. Uebersetzung aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts vorliege.
  10. Travers Twiss, the black book of the Admiralty (Monum. Juridica) IV (1876), 542.
  11. G. B. Beltrani, Cesare Lambertini e la società famigliare in Puglia durante i secoli 15 e 16. Milano 1884 p. 532.
  12. Derselbe: Su gli antichi ordinamenti marittimi della città di Trani. Lettera di B. al Comm. Nic. Alianelli. Barletta 1873, p. XVII.
  13. Consulat des Meeres in Pisa 279.
  14. A. a. O. 58.
  15. Vgl. Travers Twiss a. a. O. IV, 522 not. 1.
  16. Stat. Firmanorum lib. II rub. 52: de officio Notarii Potestatis qui debeat stare in Portu.
  17. rub. 26 bei Seewurf „et non ce fosse li mercatanti“; rub. 27 bei Loskauf: „non essendo li mercatanti in nave“.
  18. Consulat d. M. in Pisa 280.
  19. L. Goldschmidt, Lex Rhodia und Agermanament; Zeitschrift für Handelsrecht 35, 327 Anm. 129. Er vergleicht Seestatut von Trani rub. 30 mit Consulat 12–15.
  20. Ebd. „Sch., welcher das Statut gar erst in das Jahr 1453 setzt“; ebenso in seiner Besprechung meiner Schrift: Z. f. Handelsr. 35, 604; und zum drittenmal Universalgesch. 1, 178 Anm. 124.
  21. In Trani residirte damals der Venezianische Consul für Apulien; 1359 z. B. bekleidete Marco Giustiniani dieses Amt. Beltrani, Ces. Lambertini p. 82.
  22. Consulat des Meeres in Pisa 267.
  23. Vgl. den Aufsatz „Die älteste italienische Uebersetzung des Consolats“ in meinen „Neuen Beiträgen zur Geschichte des Consulats des Meeres“ (Brieg 1891, Gymn.-Programm) S. 15.
  24. In dieser Zeitschrift VI, 23. Mit Recht hebt auch er hervor, ebd. 24, dass die consules mercatorum erst viele Jahrzehnte später als die Consuln der Stadt nachweisbar sind.
  25. Gams p. 924 gibt als annus electionis 1066. Cappelletti, Le chiese d’Italia XX, 582 berichtet, unter Leo IX. sei die Kirche von Siponto mit der von Benevent vereinigt gewesen; „ed il pont. Alex. II 1066 la disgiunse di nuovo e le diede il suo arcivescovo“. Ughelli VII, 823 drückt sich unbestimmter aus; circa a. D. 1066. Sarnelli, Cronologia de’ vescovi ed arciv. Sipontini, Manfredonia 1680 ist mir nicht zugänglich gewesen; indessen haben ihn Gams wie Cappelletti benutzt; v. Kap-herr beruft sich allein auf Ughelli. Natürlich ist auf die Urquelle zurückzugehen, die bei Leo Marsicanus vorliegt; Mon. Germ. SS. 7, 715.
  26. Carmen in victoriam Pisanorum etc. de Timino bei Ed. Du Méril, Poésies populaires latines, Paris 1847, p. 243. Vgl. W. Heyd, Geschichte des Levantehandels im Mittelalter I, 135 f., der auch die anderen Druckorte des Gedichtes anführt. Von Kap-herr scheint diese Expedition zu meinen, wo er von einem Seekriege der Pisaner gegen Genua spricht; a. a. O. 63.
  27. Ueber die Pisanischen consules mercatorum im 12. Jahrhundert handle ich besonders in dem vor kurzem erschienenen ersten Heft der Zeitschrift für das ges. Handelsrecht, Band XLI.
  28. Das Consulat des Meeres in Pisa (Leipzig 1888) S. 4.
  29. Archivio stor. ital. tom. VI, parte 2, Supplemento. Firenze 1848/89.
  30. Ebd. 87 f. Vom 29. April datirt nur die nachträgliche Eidesleistung eines bei der Hauptverhandlung abwesenden Consuls, und das Jahr 1185 ist als nur auf der Pisanischen Jahreszählung beruhend in 1184 zu ändern.
  31. Dem einfachen Versprechen folgt nun ein besonderes eidliches Zahlungsversprechen desselben Inhalts.
  32. Consulat des Meeres in Pisa S. 72–78.
  33. Interessant die Herübernahme des Griechischen δεκάτη; Du Cange führt eine Urkunde König Rogers von Sicilien von 1137 an: „decatias et alia jura mercatorum, que Salernitani in Alexandriam prius persolvere soliti erant, – – – reduci faciemus“. Die decima de mari Anfang des 12. Jahrhunderts auch in Genua: Registrum Jan. Archiep. in Atti della Società ligure II, 2 p. 56. Später sind in Pisa die Formen decathia, degathia, die den Ursprung des Wortes weniger deutlich zeigen, häufiger; der Volksmund hat sogar eine Legazia daraus gemacht.
  34. Stat. pis. I p. 6.
  35. ib. Breve Comunis 1286 lib. I, rub. 59.
  36. ib. p. 25.
  37. Ann. Pisani ad a. 1163; Mon. Germ. SS. XIX, 247. Die Hafengebühr heisst noch in später Zeit Magnalatico (Br. del Popolo rub. 126 in Stat. Pis. III). Das Wort Magnalis erkläre ich mir als durch Abschleifung aus Marin(alis) entstanden; man nannte das Hafenbecken selbst so, während Porto Pisano die allgemeinere Ortsbezeichnung ist.
  38. Consulat d. M. 103.
  39. Stat. Pis. I, 6. Wendungen wie guardiam maris bene fecerunt begegnen in den Annales Pisani häufig.
  40. Ann. Pis. ad 1159 und 1163; Br. Consulum, Stat. Pis. I p. 11.
  41. p. 34.
  42. Ann. Pis. l. c.
  43. Br. Consul. 1164 p. 34.
  44. Br. Consul. 1162 p. 14; 1164 p. 37; Ann. Pis. ad a. 1161.
  45. Br. Consul. 1162 p. 13: Ut de avere navis inveniatur et inventum recolligatur operam dabo.
  46. ib. und 1164 p. 38.
  47. Cons. d. Meeres in Pisa 128 f.
  48. detractis expensis pro ipsa decatia faciendis et pro magnali et pro fundaco et pro guardia maris et pro missaticis et pro galeis armandis pro guardia maris et salvamento marinariorum et omnibus aliis expensis pro ipsa degatia sine fraude aut malitia factis a compositione pacis et in antea faciendis. A. stor. it. VI, Suppl. p. 82.
  49. Consulat d. M. in Pisa 74.
  50. Mas Latrie, Traités de paix, Suppl. p. 367; nun auch bei Bonaini, Suppl. zu A. stor. it. VI, parte 2, p. 91. Uebrigens geht aus dieser Urkunde auch hervor, dass unter den Veterani der Lateinischen Ausfertigungen der Arabisch-Pisanischen Urkunden dieser Zeit in der That der Pisanische Senat zu verstehen ist; vgl. p. 367 bei Mas Latrie: legato archiepiscopi et consulum et senatorum mit dem entsprechenden: archiepiscopo et consulibus et veteranis omnibus p. 375. Vgl. meine „Neuen Beiträge zur Gesch. des Consulats d. M.“ (Brieg 1891. Gymnas.-Progr.) S. 13.
  51. So heisst es im Br. Consulum von 1164 l. c. 34: et si in Communi de havere aliquo prestantiam fecero, non majores usuras accipiam quam major pars creditorum pisanorum tunc exiget.
  52. Stat. Pis. I, 30. Vgl. oben S. 240.
  53. Flam. dal Borgo, Dipl. pisani p. 139. Eine Urkunde vom 19. Sept. 1183 zeichnet Thopasius als kaiserlicher Judex ordinarius et notarius; bei Bonaini, Suppl. l. c. 87.
  54. Stat. Pis. II, 986. Sie befindet sich in dem an das Jus civile angeschobenen, vorwiegend strafrechtliche Bestimmungen enthaltenden Theile des Const. Usus, drei Seiten vor einer in das Jahr 1190 gehörenden Constitution.
  55. Universalgesch. d. Handelsrechts 1, 192 Anm. 167; dazu 105 Anm. 32.
  56. Const. Usus, Stat. Pis. II, 1001.
  57. In dem Vertrage Kaiser Heinrichs VI. mit Pisa vom 1. März 1191 ist der unter den 8 vornehmen Pisanern hinter dem Podestà Tedicio genannte Berenhardus capitaneus wahrscheinlich der zeitige Cap. Decatiae. Ausser diesen genannten Personen beschwören den Vertrag „omnes consiliarii pisane civitatis et comites de mari et alii quamplures“. In der so sehr verspäteten Ausgabe seines Supplements zu Roncioni hat Bonaini ohne weitere Begründung diese comites de mari für Consuln des Meeres erklärt, offenbar wohl auch, weil ihm das Vorkommen dieses Titels aus der Urkunde von 1184 bekannt war. Dennoch kann ich diese Erklärung nicht für richtig halten. Dem Deutschen Kanzleibeamten, der die Urkunde aufnahm, kann der Consultitel nicht fremd gewesen sein, so dass er etwa deshalb die ihm als consules bezeichneten Leute zu comites gemacht hätte. Auch wäre der Platz der Consuln des Meeres vor und nicht hinter den Rathsherren gewesen. Ich halte vielmehr das Lateinische comites an dieser Stelle für das Italienische cómiti, das Schiffsführer, Rudermeister bedeutet (siehe z. B. den Vertrag zwischen Pisa und Genua vom 1. April 1340 über gemeinsame Ausübung der Seepolizei bei Dal Borgo, Dipl. pis. 77; jede Galeere muss u. a. haben homines remigeros 180, balestrarios 15–20, Comitum, Subcomitum, Scribam etc., besonders aber die Stelle der Annalen Bern. Maragone’s ad a. 1172: tres galee, quarum gomites fuerunt Guido etc. Auch Ann. Januenses ad a. 1263 (SS. XVIII): accepit Potestas securitates ab omnibus armiragiis, comitis, naucleriis et consiliariis.) – Die Pisanischen Schiffskapitäne den Treueid für den Kaiser mit leisten zu lassen, war mit Rücksicht auf die geplante Unternehmung gegen Sicilien besonders am Platze; auch dass sie hinter den Rathsherren aufgeführt werden, erscheint nun ganz in der Ordnung. Die Urkunde bei Stumpf, Reichskanzler III, 257, nunmehr auch A. stor. ital. VI, 2, Suppl. 104.
  58. Gius. Müller, Documenti sulle relazioni delle città toscane coll’ Oriente (Firenze 1879) p. 68 f. Von Goldschmidt, Universalgeschichte 1, 422 unter den ältesten Wechseln angeführt.
  59. Cons. d. Meeres in Pisa S.9 ff. und „Neue Beiträge zur Gesch. des Cons. d. M.“ (Progr. des Gymn. zu Brieg) S. 12.
  60. Cons. d. Meeres in Pisa 11 f.
  61. Eine Analogie liegt in den partionarii pro doane facto vor, die ein Gesetz vom 1. November 1192 (Const. Us. p. 992) erwähnt. Es verbietet jede „compagniam vel societatem vel conspirationem sive conjurationem contra consules vel rectores vel aliquem officialium sive contra doanam vel partionarios pro doane facto vel contra aliud commune civitatis, cum publice intersit officiales vires habere etc.“ Das arabische doana bedeutet in Pisa nicht etwa, wie man wohl meinen könnte, das Seezollamt, sondern gerade die übrige Zollverwaltung; die 3 Vorsteher der Maut (capitanei duane) spielen z. B. in einem Schiedspruche vom 19. Sept. 1183 ihre Rolle, in dem eine vom Senat eingesetzte Commission in Sachen des Brückenzolls über den Serchio zu Gunsten der Nobili von Ripafratta entscheidet (Arch. st. it. VI, 2, Suppl. 86).
  62. Der Handelsvertrag Pisas mit Tunis vom Jahre 1234 wird z. B. im Auftrage des Podestà, der staatlichen Consuln und der Consuln des Meeres unterhandelt. Consulat d. M. in Pisa 41.
  63. Bericht Benenato’s, dass er sich per annum et plus in Pisa habe aufhalten müssen, ohne sich seines Auftrags von der byzant. Regierung entledigen zu können, „eo, quod civitas vacabat rectore“; ebd. 14.
  64. Mich. Amari, Diplomi arabi del R. Archivio Fiorentino p. 278, serie II, Nr. 19.
  65. Br. Communis 1286 lib. II, c. 3.
  66. Cons. d. Meeres in Pisa 73.
  67. Ebd. 74.
  68. Const. Usus in Stat. pis. II, 1010/1. Dass diese Bestimmung mit anderen benachbarten dem Jahre 1220 angehört, geht aus den beiden Revisionsvermerken auf p. 1006/7 und p. 1018 hervor.
  69. Consulat d. M. in Pisa 235. Neue Beiträge 6.
  70. Atti della Società ligure di stor. patr. I, 191 f.
  71. Dal Borgo, Diplomi pisani p. 125. Auch dieses Amt ist bisher noch nicht beachtet. Sehr beredt ist auch das Schweigen dieser Urkunde über Consuln der Kaufleute u. dgl. in Genua.
  72. So der Anonymus bei Muratori SS. XXIV, 643 (1191 calc. pis. = 1190), Tronci, ist. pis. ad a. u. sonst.
  73. Consulat d. M. in Pisa 234.
  74. In Bezug auf die spätere Verbreitung der Institution erklärt Goldschmidt, Universalgesch. des Handelsrechts I, 179: „Eine Uebertragung der ‚consules maris‘ auf Binnenstädte, wie Burgos u. s. w. hat selbstverständlich nicht stattgefunden“, mit der wenig freundlichen Anmerkung: „Anders Schaube 268/9“. Und was sage ich dort? „Als die Institution ihre besondere Beziehung zu Seewesen und Seehandel abgestreift hatte, war sie auch einer völlig uneingeschränkten Verbreitung fähig geworden; gelegentlich werden auch in Barcelona seit Ende des 15. Jahrh. die Consules Maris als Consules Mercanciae bezeichnet; mehr aus alter Gewohnheit führten sie das maris in ihrem Titel noch fort, das bei der Uebertragung der Institution auf Binnenstädte natürlich wegfiel“. Nun rede ich von Burgos u. s. w. Und nun vergleiche man damit die Entwicklung der Institution in Barcelona zu einem allgemeinen Handelsamt bei Goldschmidt 207, die durchaus der von mir gegebenen Darstellung (253 f.) entspricht und ein paar Seiten weiter (211) seine Angabe, dass Burgos 1494 Consulargerichtsbarkeit nach dem Muster von Barcelona empfing.
  75. Vgl. S. 44 über die ‚union des métiers‘ in Pisa mit S. 44/5 meines Buches; S. 45 über das Breve Maris mit S. 20 f.; S. 204/5 über das Consulat in Burgos mit S. 268. Auf S. 45 behauptet er, ich hätte meine Liste der Consuln des Meeres auf Grund der Sammlung Bonaini’s restituirt u. dgl.