Nydia

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Titel: Nydia
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aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 9, 19
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Nydia.
Nach dem Gemälde von C. von Bodenhausen.

[19] Nydia. (Zu dem Bilde S. 9.) Es gab eine Zeit, wo Bulwers Roman „Die letzten Tage von Pompeji“ das ganze europäische Publikum begeisterte: er gehört jedenfalls zu den vorzüglichsten Werken des geistreichen englischen Romanschriftstellers und ist in neuester Zeit das Vorbild für deutsche Römerromane geworden. Die anziehendste Frauengestalt dieses Romans ist die blinde Thessalierin Nydia, mit ihrer rührenden Liebe zu Glaucus. C. von Bodenhausen führt uns in seinem Bilde dies anmutige Blumenmädchen vor, wie es das Haus des Glaucus verläßt. Der Dichter selbst schildert uns das Mädchen in gar anmutender Weise. Sie war einfach, in eine weiße Tunika gekleidet, welche von den Schultern bis zu den Knöcheln reichte; unter ihrem Arm trug sie ein Körbchen mit Blumen, ihre Züge waren etwas ausgeprägter, als ihren Jahren zukam; doch sie waren sanft und weiblich und, ohne an sich schön zu sein, wurden sie schön durch die Schönheit ihres Ausdrucks; es war etwas unsagbar Edles, still Duldendes darin – etwas Sorgenvolles, Verzichtendes, und dadurch war wohl das Lächeln, doch nicht die süße Anmut von ihren Lippen verbannt; in ihrem Gang lag etwas Schüchternes und Zögerndes, in ihren Augen etwas Unstetes und das alles deutete auf das Leiden, das seit ihrer Geburt über sie verhängt war; sie war blind. Doch den Augen selbst merkte man es nicht an; ihr melancholisches und gedämpftes Licht war klar, wolkenlos und heiter. Doch der Maler zeigt uns das geschlossene Auge, die ganz in sich versunkene Seele. Und in der That, als Nydia das Haus des Glaucus verläßt, da ist sie in einer schmerzlichen verzweifelten Stimmung, dem Leben entfremdet, voll Todessehnsucht! Während der Abwesenheit ihres Herrn und Gebieters hat sie über den Garten und die Blumen gewacht; drei Tage sind verflossen seit seiner Rückkehr, drei sie tief beglückende Tage. Denn die Liebe zu ihm ist die ihr ganzes Leben beherrschende Empfindung. Und jetzt, nachdem er der Sklavin die Freiheit gegeben, schickt er sie fort zur Neapolitanerin Jone, der gefeierten Schönheit Pompejis, der sein Herz gehört – und sie soll dort für ihn sprechen und werben und sein Bild immer wach halten in der Seele des vielumworbenen Mädchens. Mit tiefer Wehmut scheidet sie von der Stätte, die ihrem Herzen so lieb geworden, im Herzen die Verzweiflung über eine Sendung, die von ihr das höchste Opfer verlangt! Als sie über die Schwelle des Hauses schreitet, bleibt sie noch einmal stehen und spricht leise für sich: „Drei glückliche Tage – Tage von unaussprechlichem Entzücken hab’ ich erlebt, seitdem ich dich überschritten, gesegnete Schwelle! Mag immer hier der Frieden herrschen, wenn ich gegangen bin! Mein Herz reißt sich von dir los – und es hat für mich kein anderes Wort als – den Tod!“ Das ist die Stimmung des Bildes. Mit künstlerischer Freiheit hat der Maler des Dichters Schilderungen gestaltet. Und wir sind überzeugt, daß das rührend schöne Bild manche unserer Leser und Leserinnen bestimmen wird, zu Bulwers interessantem Roman zu greifen und die Schicksale des blinden Blumenmädchens nachzulesen, welches, nachdem es Glaucus und Jone aus dem verwüstenden Aschenregen gerettet, unfähig, länger Zeugin zu sein des jetzt gesicherten Glückes, das die Liebenden genießen, sich vom Bord des Schiffes in die See stürzt.