Riesen und Zwerge in der Thierwelt

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Textdaten
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Autor: Heinrich Leutemann
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Titel: Riesen und Zwerge in der Thierwelt
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aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 45–47
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Riesen und Zwerge in der Thierwelt.
Nach einer Originalzeichnung von H. Leutemann.

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Riesen und Zwerge in der Thierwelt.[1]

Die sieben Wunder der Thierwelt“, so wurde von dem Unternehmer eine Schaustellung von Thieren genannt, welche im verflossenen Jahre auch in Leipzig zu sehen war und aus theils sehr großen, theils sehr kleinen Thieren gewisser Arten bestand. Ein großer Strauß, ein großes Nilpferd und ein noch ganz kleiner Elefant waren darunter die Vertreter der wilden Thiere, während von den unserer Theilnahme selbstverständlich viel näherstehenden Hausthieren Rind, Pferd und Esel je in einem sehr großen und auch erstaunlich kleinen Thiere vertreten war. Gern habe ich den Wunsch der Redaktion erfüllt und eine bildliche Zusammenstellung dieser letztgenannten gegeben, und es möge zur Erläuterung dieser in ihren Gegensätzen jedenfalls merkwürdigen Thiererscheinungen das Folgende dienen. Dabei sind im wesentlichen die Mittheilungen zu Grunde gelegt, welche Herr Geheimrath Professor Dr. Julius Kühn, der Direktor des großen Landwirthschaftlichen Instituts an der Universität Halle, mit dankenswerther Bereitwilligkeit für den vorliegenden Zweck mir gegeben hat. –

Ist die eine Hauptfrage, von welchen wilden Thieren unsere Hausthiere abstammen, zum nur sehr geringen Theil bis jetzt gelöst, so ist eine zweite, die nämlich, wie sich die so außerordentlich verschiedene Rassen unserer Hausthiere erklären lassen, schon weniger schwer, wenn auch durchaus noch nicht ausreichend, zu beantworten, da man durch eigene Versuche in der Züchtung diese Lösung unterstützen kann. Ein Theil der Aufklärung liegt auch z. B. schon in der zulässigen Annahme, daß man manche unserer Hausthiere keineswegs als nur von einer wilden Art abstammend anzunehmen gezwungen ist, und diese Annahme ist bei dem Hund, der ja die merkwürdigsten Verschiedenheiten zeigt, eine fast zwingende, wie z. B. die Aehnlichkeiten, welche die Hunde der Eskimos und der nordamerikanischen Indianer mit den Wolfsarten jener Gegenden bekanntlich zeigen, auf die wenigstens theilweise Abstammung von denselben zweifellos hindeuten.

Etwas anderes ist es aber, wenn man bei den Hausthieren nicht die äußere Form oder Farbe, sondern die Verschiedenheit in der Größe ins Auge faßt, da hier, wie man bereits aus sicherer Erfahrung weiß, die Art und Weise der Zucht und Pflege, verbunden mit Ort und Klima, eine ganz wesentliche Einwirkung hat.

So zeigt das Bild in der Größe der beiden dargestellten Esel eine ganz auffallende Verschiedenheit; weiß man aber, daß der größere ein spanischer, der kleine aus Ceylon ist, so liegt schon die Erklärung verhältnißmäßig nahe. Zwar wird in der, gelegentlich genannter Schaustellung, vertheilten Beschreibung gesagt, daß dieser kleine Esel von einer größeren Eselin stamme, aber einerseits muß man gegen dergleichen sehr mißtrauisch sein und dann spricht auch die Wohlgestalt des Thieres keineswegs für seine Zwergeigenschaft. Alle wilden Eselarten sind Steppenbewohner auf den trockenen Hochebenen Asiens und Afrikas; ein Klima wie das der heißfeuchten Insel Ceylon ist also nicht das von der Natur ihnen zugewiesene, und wie der Nordeuropäer im heißen Indien nicht gedeiht, so ist demnach auch dem Esel kein Vorwurf zu machen, wenn er sich in solchem Klima nicht wohl befindet und, doch zum Dortleben gezwungen, nach und nach verkümmert und besonders auch in der Größe zurückbleibt. Dahingegen bieten die Länder, welche man gewöhnlich unter dem Namen des Orient begreift, in ihrem meist trockenen Klima dem Esel sicher viel mehr die seiner Ursprungsheimath ähnlichen Bedingungen; es läßt sich daraus mit die oft sehr ansehnliche Größe und Schönheit vieler Esel in Aegypten, Kleinasien etc. erklären, und auch Spanien, wohin ja während der maurischen Herrschaft die Hausthiere des Orients, also auch dessen Esel, gebracht wurden, dürfte in seinem Klima, welches bekanntlich die Dattelpalme des Orients prächtig gedeihen läßt, dem Gedeihen des Esels nur förderlich sein. Nimmt man dazu eine langdauernde, besonders gute Zuchtpflege, z. B. auch nicht zu frühes Ausnutzen des Thieres an, so lassen sich solche besonders groß gewordene Rassen schon ziemlich gut erklären.

Der hier dargestellte kleine Esel hatte eine Widerristhöhe von 0,81 Meter, der große (ein Hengst) eine solche von 1,51 Meter,[2] während eine früher im Landwirthschaftlichen Institut zu Halle befindliche Eselstute aus Poitou in Frankreich (wo auch eine große Eselrasse gezogen wird) auch 1,45 Meter hoch war. Eine ganz besondere Wichtigkeit haben die großen Eselrassen für die Maulthierzucht, da sie eine wesentliche Bedingung für die Erzielung großer und kräftiger Maulthiere sind, deren Vater bekanntlich stets ein Esel, deren Mutter immer ein Pferd ist.

Aehnliche, wie die genannten Gründe, sind es auch, welche die außerordentliche Größenverschiedenheit der Pferde erklärlich erscheinen lassen, nur kommt hier der geflissentliche Wille des Menschen, die Größe und damit die Leistungsfähigkeit der Pferde, als der noch viel wichtigeren Thiere, möglichst zu steigern, noch viel mehr zur Geltung. Da alle verwildernden Hausthiere erfahrungsgemäß in den späteren Nachkommen der Abstammungsform ähnlicher und auch die Pferde in solchem Falle kleiner werden, es auch bereits feststeht, daß die Abstammungsform des Pferdes ein kleineres Thier als unser jetziges Hausthier war, so geht schon daraus hervor, daß dasselbe nur durch die Zucht, und meist durch die absichtlich geförderte Zucht großer Thiere zur jetzigen Größe gekommen ist. Am sichersten ist dies bei solchen gewaltigen Pferden, wie es die großen englischen und die flandrischen Rassen sind, z. B. die englische Carthorse-Rasse, zu welcher die berühmten Londoner Brauerpferde gehören, von welchen manche eine Höhe von 1,90 bis 1,94 Meter erreichen. Das hier bei der Schaustellung gezeigte Pferd, ein Schimmelwallach, 1,82 Meter hoch, stammte aus Irland, welches zwar keine eigene große Pferderasse hat, wohin man aber die ebenfalls große Suffolk-Rasse (aus der englischen Grafschaft Suffolk) verpflanzt hat, welche eine Höhe von 1,75 Meter und darüber erreicht.

Auch die in Südschottland gezogenen Clyderdale-Pferde sind mächtige Thiere von 1,60 bis über 1,75 Meter. Ein im Hausthiergarten des Landwirthschaftlichen Instituts zu Halle geborenes und aufgezogenes reinblütiges Clyderdale Hengstfohlen wog mit Jahresalter 972 Pfund, an seinem zweiten Geburtstage 1570 Pfund, eine gewiß gewaltige Entwickelung.

Fast ebenso massige Pferde werden in den deutschen Alpen gezogen, wie denn die schwere Pinzgauer Pferderasse eine Höhe von 1,65 bis 1,70 Meter erreicht. Diese genannten großen Pferderassen rechnet man zu den kaltblütigen, unter denen man im allgemeinen die weniger erregbaren im Gegensatz zu den erregbareren, also den nervöseren oder warmblütigen Rassen versteht. Sind diese meist kleiner, wie z. B. vor allem die arabischen Pferde (von 1,48 bis 1,60 Meter Höhe), so bilden doch die englischen, zu den warmblütigen gehörigen „Vollblutpferde“ eine erhebliche Ausnahme, da sie durchschnittlich die Höhe von 1,68 zuweilen aber bis 1,80 Meter erreichen.

Eine höchst eigenthümliche Pferdeerscheinung sind im Gegensatz zu den genannten durch ihre Kleinheit die Ponies. Jedermann hat sie, besonders im Cirkus u. dergl., gesehen, und man könnte vielleicht ihnen einen besonderen Ursprung zuschreiben, aber es fehlen dafür alle Belege. Dagegen liegt es nahe, bei der allmählichen Entstehung dieser kleinen Pferde auch eine steigende Verkümmerung infolge ungünstiger Verhältnisse anzunehmen, wie dies schon bei der kleinen Eselrasse erwähnt wurde. Die kleinsten Ponies sind die Shetlands-Ponies, und da diese unwirthliche Inselgruppe mit ihrem rauhen Klima, welches den dortigen Ponies im Winter einen pudelartigen Pelz aufzwingt, mit ihrer kärglichen Grasnahrung die Kleinheit dieser Pferde nur zu erklärlich erscheinen läßt, so können auch die Ponies, welche in entgegengesetztem Klima, also einem heißfeuchten, etwa gezogen werden, dort ebenso den ihre Verkümmerung fördernden Boden gefunden haben, denn auch das Stammthier unserer Pferde ist ein Steppenthier, und zwar der [47] kälteren Hochebenen Asiens, deswegen gedeiht unser Hauspferd immerhin noch, wenn eben auch verkümmert, in den kälteren Ländern, wo der Esel nicht mehr fortkommt.

Zu den hier nicht zu übergehenden Ponies gehört nun das auf dem Bilde dargestellte kleine Pferd nicht, es ist dies vielmehr ein eigentliches Zwergpferd, das heißt ein von einer großen dänischen Stute stammendes, aber in der Entwickelung ausnahmsweis zurückgebliebenes Thier. Es fehlen ihm demzufolge der dicke Poniekopf, die buschige Mähne und die feinen Beine, dahingegen ist es durch die gedrungenen Formen, wie sie den Zwerggebilden meist eigen, sehr gekennzeichnet. Die naheliegende Vermuthung, daß von solchen zufälligen Zwergen die kleinen Hausthierrassen, also hier die Ponies abstammen könnten, ist unzulässig, da sich solche seit dem Alterthum einzeln vorkommende Naturlaunen, wie Zwerge und Riesen, weder bei Menschen noch Thieren als dauernd erblich erwiesen haben, was beiläufig nur zu billigen ist, denn sonst würde es von überflüssigen Zwergen und Riesen längst schon wimmeln, während sie jetzt als Schaustücke immerhin noch einen geschäftlichen Werth haben.

Ist bei der Züchtung möglichst großer Pferderassen selbstverständlich die Erreichung großer Kraftleistung der treibende Beweggrund, so bei der Rindviehzucht hingegen, wenn man, als nicht hierher gehörend, von dem Milchertrag absieht, die in kürzester Zeit zu erreichende große Fleischfülle. Das große, schnell mastfähige Rind gilt also als wichtiges Zuchtziel. Die eine hier zu besprechende Eigenschaft, die Größe anbelangend, so ist das osteuropäische graue Rind eine der größten zahmen Rassen, von mitunter 1,88 Meter Höhe. Ursprünglich und noch jetzt im südlichen Rußland lebend, ist es schon längst nach Ungarn und Italien eingeführt worden, und von letzterem Lande, von der romanischen Rasse, stammt der Riesenochse der dargestellten Gruppe, von auch 1,88 Meter Höhe. Noch höhere Thiere dürften selten vorkommen, denn selbst die nächstgrößten Rinder der westlichen Normandie in Frankreich kommen nur bis 1,80 Meter Höhe, die größten Schweizerrassen bis 1,60 Meter. Sonderbarerweise hat auch Frankreich eine der kleinsten Rinderrassen in der Bretagne von nur 1 Meter Höhe, in dieser Kleinheit wohl nur noch übertroffen von dem Zwergzebu in der Mitte unseres Bildes.

Die Zebus sind höchst merkwürdige und in mancher Beziehung noch ganz besonders räthselhafte Rinder. Man kennt sie aus altindischen und ägyptischen Darstellungen als uralte Hausthiere (wohl auch ein Grund mit für Cuvier, sie für die Urform des Hausrindes überhaupt zu halten), und aus einer Zeburasse, dem jetzt sogenannten, nur noch in Abessinien lebenden Sanga-Rind, wurde ja sogar der heilige Apis-Stier gewählt. Ganz besonders merkwürdig sind die Zebus durch ihre außerordentliche Verschiedenartigkeit in der Hörnerform und -Größe, in der Färbung, vor allem aber in der Größe der Gestalt. So konnte denn, um zu dem Riesenthier aus den Rindern bei der genannten Schaustellung den größten Gegensatz zu finden, derselbe nur in der Zeburasse gesucht werden, die bis zu 0,78 Meter Höhe (hinter dem Höcker) herabreicht, von welcher Höhe auch ungefähr das dargestellte Thier ist, welches aus Ceylon stammt. Dort werden diese kleinen Zebus, wie auch auf dem indischen Festland, zum Ziehen kleiner zweirädriger Wagen benutzt, da sie außerordentlich flink und ausdauernd laufen.

Dürfte nun aus der bildlichen Darstellung im Verein mit diesen wenigen Erläuterungen von neuem hervorgehen, daß der Einfluß des Menschen auf die verschiedenartige Entwickelung der Hausthierformen in Verbindung mit dem Klima ein außerordentlich großer ist, so sind die Forschungen nach den Bedingungen solchen Einflusses um so gerechtfertigter, als sie, abgesehen von der wissenschaftlichen Bedeutung, den Thierzüchter immer mehr in Stand setzen, bestimmte Ziele mit Bewußtsein zu verfolgen. Und daß jetzt die Verwendung, d. h. Ausnützung der Hausthiere bei der stetigen Bevölkerungszunahme in den Kulturstaaten eine immer wichtigere Angelegenheit wird, kann von niemand bezweifelt werden. Heinrich Leutemann.




  1. Der Urheber des vorliegenden Bildes und Textes ist derselbe, den älteren Lesern der „Gartenlaube“ gewiß noch erinnerliche Künstler, der früher diesem Blatte ein Vierteljahrhundert lang seine Mitarbeiterschaft in Wort und Bild schon gewidmet hat. Seit 1880 auf einem Auge ganz erblindet, auf dem andern sehr geschwächt, hat er die keineswegs gebesserte Sehkraft einigermaßen wieder gebrauchen gelernt, und es freut uns, hierdurch den Lesern einen Beweis dafür geben zu können. Die Redaktion der „Gartenlaube“.
  2. Bei allen weiteren Größenangaben ist stets die senkrechte Widerrist- (Schulter-) höhe gemeint.