Riesen und Zwerge unserer Marine

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Autor: A. H.
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Titel: Riesen und Zwerge unserer Marine
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aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 715–716
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Riesen und Zwerge unserer Marine.

Ein Schuß über Wasser.

Noch nie, seit es eine deutsche Marine giebt, ist eine solch gewaltige Masse von deutschen Kriegsschiffen zu gemeinschaftlicher Uebung versammelt gewesen, wie dies in den Tagen vom 20. August bis gegen Ende September der Fall war. Die diesjährige Herbstübungsflotte unter dem Befehl des kommandierenden Admirals Freiherrn von der Goltz bestand aus nicht weniger als fünfzig Fahrzeugen, und zwar aus neun Panzerschiffen, vier Fregatten, zwei Korvetten, einem Schulschiff, einem Transportschiff, vier Avisos, vier Torpedodivisionsbooten und vierundzwanzig Torpedobooten. Unser Zeichner hat diese Flotte gesehen, als sie am 23. September nach Schluß ihrer Uebungen bei stürmisch bewegter See in den Hafen von Kiel einfuhr, und das Bild, das er von ihr entworfen hat (Seite 712 u. 713), vergegenwärtigt uns mehr, als Worte es vermöchten den gewaltigen Eindruck, welchen diese Schlachtflotte hervorzurufen imstande war. Da reihen sie sich hintereinander auf, die „Riesen“, auf dem Bilde am meisten ins Auge fallend das Panzerschiff „König Wilhelm“ mit der Kontreadmiralsflagge, ihm folgend „Deutschland“, „Beowulf“ und „Frithjof“, rechts in der Ferne die Panzerschiffe „Baden“, „Bayern“, „Sachsen“ und „Württemberg“, links die vier Kreuzerfregatten „Stein“, „Stosch“, „Moltke“ und „Gneisenau“ mit ihrer Gefechtstakelage. Im Vordergrunde aber schwärmen die gefährlichen „Zwerge“, die Torpedoboote.

Während der Laie jene Kolosse mit einer Mischung von Stolz und Bewunderung betrachtet, rufen diese Pygmäen stets eine Art unheimlichen Gefühls hervor. Es wohnt ihnen etwas Heimtückisches inne, wenn sie so, kaum über die Wasserlinie hervorragend, mit einer Geschwindigkeit von 20 Knoten dahinsausen, das furchtbare Geschoß in ihrem Innern bergend und bereit, es jeden Augenblick gegen den feindlichen Schiffskörper loszulassen.

Im Hafen von Kiel befindet sich auch ein Platz für Torpedoschießproben, und es wird den Lesern willkommen sein, in diesem Zusammenhang einiges über die Art und Weise zu erfahren, wie mit den Geschossen der Torpedoboote, den „Torpedos“, nach der Scheibe geschossen wird. Es läßt sich denken, daß das durchaus keine einfache Sache ist. Spielt doch bei den Torpedos der mehr oder minder ruhige Zustand des Wassers – der Seegang – die äußere Form des schwimmenden Körpers, das Richten beim Abschießen, die Höhe der Spannung des treibenden Pulvers oder der Preßluft, die Tiefe des Untertauchens, die Gestalt und Geschwindigleit der treibenden Schraube und noch mancher andere Umstand mit!

Es gilt nun für den Torpedoschützen, die Summe aller Beeinflussungen zu erforschen und zu einem Gesamtbilde – gleichsam einem Nationale – des Torpedos zusammenzufassen. Und hierzu gelangt er nur durch viele und sorgfältig angestellte praktische Versuche mit seiner Angriffswaffe. Diese Versuche werden in ihren Ergebnissen kurz aber eingehend zu einer Charakteristik des Torpedos zusammengefaßt und dienen im Ernstfalle als Anhalt und als Grundlage für die Handhabung desselben.

Hinreichend wichtig sind die Versuche schon aus Gründen der Sparsamkeit, denn jeder Torpedo stellt seinem Herstellungwerth nach ein Kapital von 10000 bis 12000 Mark vor, und jeder Fehlschuß bedeutet zunächst einen entsprechend hohen Verlust, wenn nicht gar dadurch, daß der feindlichen Flotte ein Vorsprung an Zeit erwächst, die Folgen des Fehlschusses ins unabsehbare reichen.

Das Laden eines Torpedo mit gepreßter Luft.

Es hat deshalb die Firma Schwartzkopff in Berlin, die wegen ihrer vorzüglichen Leistungen auf dem Gebiet des Torpedobaues eine große Anzahl von Torpedos der deutschen Marine geliefert hat, im Kieler Hafen und in der Nähe von Venedig je einen Torpedoschießstand errichtet. Diese Schießstände verfolgen zugleich den Zweck, Vorschläge zu Neuerungen und neue Konstruktionen auf ihre praktische Verwendbarkeit zu prüfen.

Unsere Abbildungen geben ein lebendiges Bild von der Einrichtung dieser Schießstände und von der Ausführung der Versuche. Die erste Abbildung zeigt uns den Augenblick, in dem der Torpedo, geworfen von dem in einem Gerüst befindlichen und beliebig verstellbaren Lancierrohr, in die Meeresfluthen taucht. Noch raucht das Rohr vom Dampfe des treibenden Pulvers, das bei dem Werfen über Wasser meistens zur Verwendung kommt.

Allerdings, gewöhnliches Pulver zu verwenden, ist nicht rathsam, da wegen der plötzlichen Wirkung desselben der immerhin etwas zarte Torpedo verletzt werden könnte. In Frankreich nimmt man in Rücksicht auf diesen Umstand ein Pulver, das bei seiner Zubereitung einem Drucke von 500 Atmosphären unterworfen worden ist. Durch einen so starken Druck wird das Pulver dicht und verbrennt langsamer, seine Triebkraft beim Abfeuern eines Schusses wächst dementsprechend allmählicher. Eine Ladung von etwa 300 Gramm dieses Pulvers genügt, um den Torpedo aus der gebräuchlichen Höhe des Lancierrohres – etwa 3 Meter über dem Wasserspiegel – 15 Meter weit durch die Luft zu schleudern und demselben eine Anfangsgeschwindigkeit von etwa 15 Metern in der Sekunde zu ertheilen. Diese Geschwindigkeit, die der unserer [716] Personenzüge bei gewöhnlicher Eisenbahnfahrt etwa gleich kommt, ist groß genug, um den Torpedo bei seinem Eintritt in das Wasser von dem Wogengange ziemlich unabhängig zu machen.

Früher benutzte man zumm Lancieren des Rohres fast ausschließlich gepreßte Luft, die auch heute noch viel verwendet wird, insbesondere bei dem Abschießen der Torpedos unter Wasser.

Bei dem Eintauchen des Torpedos in die Fluth setzt sich selbstthätig die am hinteren Ende des Geschosses angebrachte Schraube ln Thätigkeit, um die erforderliche Kraft zur weiteren Fortbewegung zu liefern. Die Schraube wird durch Preßluft getrieben, die in einer besondern, sorgfältig gedichteten Kammer des Torpedos eingeschlossen ist. Sie wirkt auf eine kleine Betriebsmaschine mit drei Cylindern, die ähnlich der Maschine von Brotherhood eingerichtet ist, wie sie heutigestags oft zum Betriebe von elektrischen Beleuchtungen dient. Die verbrauchte Luft entweicht in Form von Blasen, und diese verrathen den Weg, den der heimtückische Geselle zurücklegt.

Daß alle diese Vorrichtungen mit äußerstem Scharfsinn erdacht sind und mit denkbarster Vollkommenheit ausgeführt werden müssen, bedarf wohl kaum der Erwähnung, insbesondere wenn man bedenkt, auf welch kleinen Raum der Mechanismus zusammen gedrängt werden muß. Es wird aber jetzt auch die angeführte Höhe des Preises eines Torpedos nicht mehr befremden.

Der Posten an der Scheibe.

Die zweite Abbildung zeigt, wie der Torpedo mit gepreßter Luft gefüllt wird. Der unten befindliche Torpedomann hat die erwähnte Luftkammer des Torpedo mit einem beweglichen Leitungsrohre in Verbindung gesetzt, zu dem der obenstehende den Zulaßhahn mit der rechten Hand hält, während er die linke auf das Manometer legt, mittels dessen er die Höhe des Luftdruckes genau beobachten und regeln kann. Die erforderliche Preßluft wird in einem besondern Maschinenhause mit Hilfe einer von einer Dampfmaschine betriebenen Luftpumpe gewonnen. Der Mann links oben bedient den Hebekrahn und hat mittels der Bremse den Torpedo auf seine Auflager sinken lassen. Jetzt steht er bereit, den Torpedo zum Zweck des Einladens in das Lancierrohr heraufzuwinden.

Als Ziel für die Schießprobe dient ein 200 bis 500 Meter entferntes Floß von 25 Metern Länge und 11/2 Metern Breite, unter dessen Mitte sich als eigentliches näheres Ziel eine Scheibe befindet, die aus einem Gewebe besteht. Durch die Maschen desselben kann der Torpedo zwar hindurchschlüpfen, jedoch nicht ohne die von ihm durchfahrene Masche auszuweiten oder zu zerreißen und dadurch den Treffpunkt bemerkbar zu machen.

Sind alle Vorbereitungen getroffen, so erscheint auf der Brücke des Lancierrohres eine rothe Fahne, um dem Scheibenpersonal das Signal „Klar zum Schuß“ zu geben. Nachdem vom Scheibenstande aus „verstanden“ zurückgemeldet ist, erfolgt seitens des leitenden Ingenieurs oder Offiziers das Kommando „fertig“ und ein Mann holt die Abzugsleine auf. Auf das Kommando „los“ schießt der Torpedo mit starkem Gebrülle aus dem Lancierrohr hervor und verschwindet blitzschnell unter dem Spiegel des Meeres. Hier verräth, wie schon bemerkt, nur noch ein eigenartiges Kielwasser, in dem große Blasen aufsteigen, seinen verderbenbringenden Lauf.

Der Posten an der Scheibe, den unser drittes Bild darstellt, hat in der Ferne das Kielwasser bemerkt und beobachtet jetzt scharf die Bahn des heraneilenden Torpedos. Plötzlich entsteht ein Brausen auf der Oberfläche des Wassers, mit hellem Scheine fährt der Torpedo durch die Scheibe hindurch. Zugleich senkt der Posten seine bis dahin hochgehaltene Fahne, indem er mit derselben die Durchgangsstelle markiert.

Das durchschlagene Netz des Scheibenstandes wird im Vorbeifahren von der in der Nähe harrenden Dampfpinasse zur Ablieferung an das Kommando in Empfang genommen, um als Kontrolle für die Richtung und den Tiefgang des Torpedos zu dienen.

Im Vorstehenden handelte es sich um einen Schuß, der über Wasser abgesandt wird. Soll der Schuß unter Wasser abgegeben werden, so wird das geladene Lancierrohr in die vorgeschriebene Tiefe gesenkt und der Torpedo alsdann mit gepreßter Luft abgeschossen.

Das Einfangen des Torpedos.

Bei dem Versuchen fehlt natürlich die explodierende Ladung, sie ist durch geduldigere Stoffe von demselben Gewichte und derselben Dichte ersetzt. Noch etwa 100 Meter läuft der Torpedo, nachdem er das Netz der Scheibe durchschlagen hat, dann ist seine Triebkraft erschöpft und die Dampfpinasse nimmt sich seiner an, um ihn einzufangen und ihn dem Schießstande wieder zuzuführen.

Mitunter ist das Einfangen keine leichte Arbeit, denn es ist nicht ausgeschlossen, daß der Torpedo, durch irgend einen Zufall von seiner Bahn abgelenkt, in die Tiefe geräth und sich festbohrt.

So zeigt auch der Torpedodienst, mit welchem Ernste unsere vaterländische Seemacht bestrebt ist, sich auf der Höhe ihrer verantwortungsvollen Aufgabe zu erhalten. A. H.