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Bretten und Stuttgart zunächst nach Augsburg führte. Hier stellte er sich dem Kurfürsten vor, gewann dessen Gunst und die Freundschaft seines Hofpredigers, des edlen Spalatin, so genannt von seinem Geburtsort Spalt in Mittelfranken. Augsburg war also gewissermaßen die entscheidende Haltstelle auf der Welt- und kirchengeschichtlich denkwürdigen Wanderung des Magister Philippus nach Wittenberg. Mit welchen Erwartungen wurde er hier empfangen! Es kam aber „ein kleines unscheinbares Männchen“ mit etwas seltsamen Gewohnheiten. Manche waren enttäuscht. Er nahm sich aus „wie ein Knabe, nicht über 18 Jahre alt, so er neben dem Martino ging.“ Auf diese teilweise Enttäuschung folgte aber die glänzendste Rechtfertigung. Die mit allem Jugendfeuer vorgetragene Antrittsvorlesung am 29. August 1518 über die Verbesserung des akademischen Unterrichts wurde mit Begeisterung aufgenommen und machte einen außerordentlichen Eindruck. Die Rede lautete wie das Programm seiner neuen, ihm selbst noch nicht vollbewußten Thätigkeit, wie die Weissagung eines neuen Geistesfrühlings, der durch Rückkehr zu den klassischen Studien und zu den reinen Quellen der heiligen Schrift erblühen werde. Melanchthon kam nach Wittenberg als Humanist, dem nur etwa der berühmte Erasmus vorgezogen wurde, und wurde hier Theologe von Grund aus, ohne aufzuhören, Humanist zu sein. Es vollzog sich allmählich in Melanchthon eine Verbindung von Humanismus und Christentum, evangelischem Christentum, wie sie tiefer, inniger, harmonischer kaum in irgend einer anderen Persönlichkeit in alter und neuer Zeit sich gefunden. Der Mittler dieses Bundes, welcher der Reformation in eminenter Weise zu gute kam, war Luther. Eine Ahnung davon gibt sich kund in der einzigartigen gegenseitigen Bewunderung, mit der die Geister beider Männer gleich anfangs sich grüßten. Nach jener Rede ging Luther auf Melanchthon zu, reichte ihm die Hand und sagte: „Seid uns hochwillkommen in Wittenberg, Magister Philipp! Der Herr segne euern Eingang und eure Arbeit und lasse euch zu einem rechten Segen unter uns werden!“ Ueberallhin, mündlich und schriftlich verbreitete nun Luther Melanchthon’s Ruhm. Er nannte Melanchthon einen bewunderungswürdigen Menschen, an dem fast alles übermenschlich sei, einen Mann, der viele Martini aufwiegen

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Adolf von Stählin: Philipp Melanchthon. J. A. Schlosser, Augsburg 1897, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Philipp_Melanchthon.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)