Seite:Adolf von Stählin - Predigt gehalten zur Feier des Friedensfestes.pdf/4

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der Friede ist ein Füllhorn des Segens, die Grundlage allen irdischen Gedeihens, das Verlangen und die Sehnsucht aller Sterblichen, ein schöner Gottesgruß an die Menschheit. Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erde: so sangen einst in der Nacht ohne gleichen die Engel Gottes über die Erde hin. Ein großer Tag des Friedens hätte auf diesen Engelgruß folgen sollen, und wäre gefolgt, wenn das: Ehre sei Gott in der Höhe, allenthalben zur Wahrheit geworden wäre. Aber noch walten Sünde und Selbstsucht auf Erden, graben sich ein in Gedanken und Thaten der Menschen, und darum Krieg und Fehde auf Erden. Aber doch sprechen wir auch von einem gerechten Kriege und erkennen in ihm einen Förderer edler Tugenden und Kräfte. Doch wissen wir, daß auch unter den Schrecken des Krieges Gottes Gedanken sich vollziehen, daß unter dessen blutigen Strömen der Gang der Weltgeschichte, der Siegeswagen des lebendigen Gottes und seines ewigen Reichs vorwärts dringt. Vorwärts sind auch wir gedrungen; eine herrliche Frucht ist durch Gottes Gnade unter des Krieges bitterem Weh für uns gereift. Doch erst der Friede lässet uns die Frucht selbst brechen und genießen; der Friede erst ist der krönende und segnende Höhepunkt all der gewaltigen Ereignisse, der herrlichen Siege, der wunderbaren Erfolge, die hinter uns liegen.

 Darum Gott Lob und Preis für die edle Friedensgabe! Wie athmeten wir auf, als die Nachricht von dem ersten Stillstand der Waffen zu uns kam! Wie wünschten, wie beteten wir, daß diese übergehe in den wirklichen Frieden! Welche Freude hob unsere Brust, welcher Jubel durchzog die deutschen Gauen vom Fels bis zum Meere, als die Friedensbotschaft nun zu uns gekommen. Wie haben wir, was das Herz empfand, ausgeströmt in dem Lied, das so oft über die blutgetränkten Schlachtfelder ertönte, an der Friedensstätte unserer Gotteshäuser, in einem großen gemeinsamen: Nun danket alle Gott! Wie strahlte unsere Freude in dem Schmuck unserer Wohnungen, in dem Lichterglanz, in dem unsere Stadt prangte, wieder!

 Und doch war all dies nur eine vorläufige Feier. Heute ist unser förmliches Friedensfest. Heute sind wir in festlichem Schmuck, in einer Zahl und Menge, wie kaum je, eingezogen durch die Thore der Gerechtigkeit. Vor Gottes Angesicht begehen wir unsere Friedensfeier, im Lichte und Segen seines Wortes. Das Wort, das uns zu Grunde liegt, ist einem der erhabensten Siegespsalmen der Gemeinde des alten Bundes entnommen. In höherem Chor preist der Sänger in unsern Textesworten die Siegesmacht Gottes, die an seinem Volk sich offenbart, und dessen ewige, immer neu auflebende Jugendkraft. Wir dürfen aber gewiß diese Worte anwenden auf die Erfahrungen auch unseres Volkes. Es sind ja in der