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Das Bier ist ein sehr altes Getränk, dessen Erfindung man mit ziemlicher Sicherheit einem der intelligentesten Völker des Alterthums, den Aegyptern, zuschreibt; König Osiris, welcher 960 vor Christi lebte, stellte zuerst ein berauschende Kraft besitzendes Getränk aus Gerste oder Weitzen her und nannte es Zuthum oder Carmum. Dieser ägyptische König macht also dem lange nach ihm lebenden ehrwürdigen Flander Gambrinus die Ehre der Erfindung streitig.

Den Römern mochte die Bereitung des Bieres durch die Aegypter bekannt geworden sein, sie gebrauchten es ebenfalls und nannten es Cerevisia, Gabe der Ceres, und später, als sie in die deutschen Gauen eindrangen, fanden sie es als ein echtes Nationalgetränk bei den alten Deutschen, welche es – wie Tacitus erzählt – in unglaublicher Menge zu sich nahmen. Doch war jenes Bier von dem unsrigen verschieden, da die Deutschen den Gebrauch des Hopfens noch nicht kannten, und denselben durch einen Absud von Eichenrinde zu ersetzen suchten. Erst zu Ende des eilften Jahrhunderts begann man dem Biere Hopfen zuzusetzen und vielleicht war es der oben erwähnte, von Vielen für den Erfinder des Bieres gehaltene Gambrinus, König von Flandern, der um das Jahr 1200 lebte, welchem das Bier seine weitere Vervollkommnung verdankt. – Von dieser Zeit an gewann auch der Hopfenbau in Deutschland immer mehr an Ausdehnung.

Wie bei den alten Deutschen war auch noch bis weit hinein in das Mittelalter das Bierbrauen ein Geschäft der Frauen und der trinklustige Deutsche schätzte die Herstellung eines guten Bieres als eine besonders empfehlungswerthe Frauentugend. Späterhin vereinigten sich mehrere Familien zum gemeinschaftlichen Bierbrauen, aber erst im fünfzehnten Jahrhundert, als der Bierverbrauch immer enormer wurde, und die Frauen allein den riesenmäßigen Durst ihrer Männer nicht mehr befriedigen konnten oder wollten, wurde das Bierbrauen ein besonderes Gewerbe, dessen Ausübung ein Vorrecht der Städte war, welches diese auch unter oft erbitterten Kämpfen gegen alle Uebergriffe festzuhalten suchten; der Bierzwang lastete auf der Umgegend der Städte und die Geschichte jener Tage bietet zahllose Bierstreitigkeiten, sowohl der Städte unter sich selbst, als auch mit den Rittergutsbesitzern, welche es wagen wollten, selbst Bier zu brauen. Noch im siebzehnten Jahrhundert kam es vor, daß von Rittergutsbesitzern angelegte Brauereien durch bewaffnete Bürger mit Gewalt zerstört wurden; das Zerschlagen der Fässer, in welchen fremdes Bier in eine Stadt eingeführt wurde, war etwas ganz gewöhnliches.

Auch in Sachsen wurde die Bierbrauerei bald allgemeines städtisches Gewerbe und bei mancher Stadt ward sie selbst der Hauptnahrungszweig, welchem die Bürger ihren Reichthum verdankten; deshalb hielten die Bürger aber auch um so eifriger auf ihre Gerechtsame. Manches der sächsischen Biere war im Auslande berühmt und wurde weithin verfahren: das Leipziger „Rastrum“ und die Bautzner „Klotzmilch“ kannte man weit und breit. Die Behörden wachten darüber, daß der Ruhm ihrer Biere nicht durch schlechtes Gebräu geschadet würde, so z. B. erließ der Rath von Leipzig im Jahre 1531 eine darauf bezügliche Verordnung, durch welche den Meistern ernstlich eingeschärft wurde, persönlich bei dem Brauen zugegen zu sein und die Arbeit nicht ihren Knechten zu überlassen, auch machte man sie für schlecht ausgefallenes Getränk verantwortlich.

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/9&oldid=- (Version vom 17.1.2018)