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hohen Postamenten, die obere zwischen Säulen, über deren Gebälk das Gewölbe sich aufsetzt. Wie in Versailles ist die Saalarchitektur für den Besucher der Hoflogen berechnet, dessen Auge sich rund 10 m über dem Parterre befindet.

Katholische Hofkirche. Ansicht nach Stöckhardts
Aufnahme. Maßstab 1 : 500.
Aus „Bauten von Dresden“.

Der Turm erhebt sich mit elliptischem Grund­riß über der Vorhalle und dem Haupteingang; vor die sich zurückschweifende schmale Stirnwand der Kirche tritt er zur Hälfte vor. Seitliche Anläufe, welche die Schweifung im Grundriß mitmachen, geben einen leichten Aufschwung, ziehen die Fassade als breiten Unterbau in die Turmwirkung mit ein und fördern den Eindruck des Herauswachsens aus der Baumasse. Die Selbständigkeit der Attique, auch ihre Höhe und Größe verschwindet in der Perspektive von der Brücke wie von der Terrasse her. Kirche und Turm erscheinen als einheitliches Ganzes. Die Balustraden beider laufen völlig zusammen. Diese beabsichtigte Wirkung wird noch erhöht durch die Betonung des Mauerkerns am Turm. Seine oberen beiden korinthischen Geschosse sind ganz in Säulen und Pilaster aufgelöst, außerordentlich leicht und luftig. Ein eingeschobenes hohes Postament steigert durch ruhige Fläche die graziöse Leichtigkeit der Säulenetagen, vermittelt durch eine starke seitliche Verjüngung den Übergang vom elliptischen zum kreisförmigen Grundriß und ordnet sich durch Verkröpfungen mit Figuren, durch seitliche Balustraden und eine mittlere Gesimswellung in den belebten Rhythmus wirkungsvoll ein. Über bewegter Sockel­gliederung ist die Turmspitze als schlanke Zwiebel aus Sandsteinrippen mit getriebenen Kupferfüllungen gebildet. Wie ein Blick auf den Schloßturm lehrt, bildet dessen Massenteilung und Silhouette den Grundton für die reicheren Akkorde der Chiaverischen Turmphantasie. Das Bildungsprinzip des Turmes ist folgendes. Freistehende Säulen mit Pilasterrücklage und Gebälkkropf stehen in der radialen An­sicht Schaft auf Schaft, nur in jeder Etage weiter nach innen geschoben. Die vier obersten Säulen bilden ein kreisförmiges Geschoß, die elliptischen Geschosse darunter wirken durch Kleinerwerden der Säulenachsenabstände nach der Seite gedrungener und dadurch mächtiger. Die Breitenzunahme des Turmes nach unten verleiht ihm Bodenständigkeit. Obwohl die hintere Turmhälfte teilweise im Ge­bäude steckt oder durch die Anschwünge verdeckt wird, ist doch das Relief der unteren Geschosse, selbst schräg von vorn, dem der oberen fast konform infolge der geschickten Verdoppelung der äußeren Säulen und des schrägen Zusammenstoßens ihrer Gebälke. Das kräftige Vortreten der Vertikalen läßt den Turm schlank aufstreben. Durch das geschoßweise Zurücktreten, das Abnehmen der Geschoßhöhen, das Verklingen

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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/122&oldid=- (Version vom 23.4.2024)