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Fensterachsen usw. eines Gebäudes wurden verschieden bewertet und demgemäß verschieden reich aus­gebildet. Longuelune und de Bodt, zwei in Paris gebildete Architekten, wurden auf das architektonische Schaffen in Dresden von Einfluß. Beim Bau des Japanischen Palais begann das Erliegen des Pöppelmannschen Geschmacks. Im Blockhaus, im Wackerbarthschen und im Kurländer Palais ent­standen staatliche Bauten der modernen Longueluneschen Richtung. Ihrer Wirkung konnten sich die heranwachsenden Architekten der Folgezeit nicht entziehen. Diese neuen Baubestrebungen fanden ihren Ausdruck im de Bodtschen Erlaß von 1733 (Schumann, B. u. R.), der sich gegen die handwerklichen Nachbeter der überwundenen Stilepoche und gegen den immer rückständigen Geschmack der privaten Bauauftraggeber wandte. Die ange­brachten Zierate sollten die Architektur nicht mehr „verdunkeln“, der Überfluß an Ornamenten sollte eingeschränkt werden und die anständige (bienséante) Vergesellschaftung von Architektur und Bildhauerarbeit die Gebäude „noble“ machen. „Einfache Vornehmheit“ wurde das Ziel der Zeit von 1730–60.

Schmidts Selbständigkeit begann mit dem Tode Bährs 1738. In seiner Entwurfstätigkeit war er anfangs auf den Wohnhausbau angewiesen.

Von seinen bürgerlichen Bauten ist zunächst der Rote Hirsch, jetzt Musenhaus Pirnaische Straße 29, zu erwähnen. Die Pläne[1] wurden 1740 approbiert.

Die Fassade dieses Vorstadtgast­hofes wirkt bei aller Schlichtheit durch ihre fein abgewogenen Verhältnisse und die Art und Verteilung des Schmuckes. Das wenige Ornament quillt nicht mehr über seinen Rahmen hinaus, doch ist der Rahmen, dem es sich einpaßt, nicht streng architektonisch gegliedert. Unge­wohnt ist die Anlage eines Schaftes über der Tormitte. Ein Schlußstein ist nicht vorgesehen. Kaum würde ein Maurer so planen. Der Zimmermann bindet sich nicht streng an die Regel: Schaft auf Schaft. Das schönste Beispiel ist Bährs Haus in der Seestraße. Auch die gesamte Anordnung verdient Beachtung. Abweichend von den alten Umfassungen wird eine mächtige, etwa 8 m breite, sonst nicht übliche Abschrägung der Ecke geplant. Von großem Geschick und dem Studium französischer Pläne zeugt die Grundrißanordnung selbst. Die Lage der Haupttreppe, der Küche, die Ausnutzung der Ecke, die lauschigen kleinen Trinkerker usw.

Ansicht vom „Poststall“, Pirnaische Straße 10. Erbaut 1739.

Ein Gebäude aus dem Jahre 1739, das von Schmidt stammen könnte, ist der alte Poststall, Pirnaische Straße 10, ein Elffensterhaus. Der dreiachsige Mittelrisalit ist kräftig herausgehoben

und mit einem Giebel verziert. Seine Fenster haben profilierte Gewände mit Ohren und Sohlbank,


  1. Vergl. Hauptstaatsarchiv Abt. XI Rißschrank VII F 85 Nr. 35. Das Gebäude ist inzwischen gänzlich verändert.
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/25&oldid=- (Version vom 16.5.2024)