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hinwegtut, sich die Kosten von selbst vermindern. Hier sind die Stellen, wo man sparen kann, aber nichts an der Güte und Stärke der Materialien und Ausführung, zumal bei so einem öffentlichen Gebäude, das tausend Jahre dauern soll.“

Der Akademiedirektor Hagedorn begleitete beide Gutachten mit einem besonderen schriftlichen „Vortrag“. Im ersten sagte er, daß „die Schönheit oft auch ohne Kostbarkeit, die von Unwissenden nicht selten mit der Schönheit verwechselt wird, zu erreichen stehe; sowie im Gegenteil, wie hier an neugebauten Privathäusern wahrzunehmen, die Kostbarkeit in Verzierungen gesucht und gleichwohl die Schönheit und edle Einfalt verfehlt werden“. Zweifellos wendete er sich hier gegen die Schmidtschen Gebäude mit Rokokoornamenten, vielleicht auch mit gegen Lockes Bauten. Im zweiten Vortrage sekundierte er Krubsacius noch ausführlicher und nachhaltiger. „Bei gründlichem Unterricht gewöhnt sich das Auge und der Verstand an die edle Einfalt der Alten und an derselben nur sparsam aber mit kluger Hand übers Gebäude ausgebreiteten Verzierungen. Man lernt die genauere Anwendung der Säulenordnungen und die Beobachtung des bei allen Verzierungen niemals außer acht zu lassenden Anscheins der Festigkeit versäumen. Diese Kenntnis führt endlich die Überzeugung mit sich, daß die edle Einfalt wahrhaftig schön, das Auge nicht zerstreue und insgemein dem Bauherrn die minderen Kosten ablocke, und daß um mit Geschmack prächtig zu sein mehr als bloßer Reichtum erfordert werde.“ „Die Abweichungen der Neueren werden ebenmäßig nach Grundsätzen des Altertums geprüft und Borromini, auf welchen der Baumeister Schmidt sich beruft, ist in dem Gebiet des Geschmackes nicht zuverlässiger[1] als Marino unter den italienischen Dichtern.“ Marino war damals bekannt durch schlüpfrige Schilderungen, kühne Antithesen, schwülstige Wortbilder und gesuchte Wortspielereien. Auf Borromini weist Schmidt nur gelegentlich hin, hat mit ihm aber in seiner Schaffensart gar keine Ähnlichkeit. Gegen jenen italienischen Architekturphantasten konnte Hagedorn leichter zu Felde ziehen als gegen die drei Dresdner Barockmeister, die Schmidt klipp und klar als seine maßgebenden Vor­bilder bezeichnet hatte.

Bestimmend für die Entscheidung Xavers wurde folgender Satz Hagedorns: „Wer durch die Wahl eines zu Privatgebäuden brauchbaren Baumeisters bei einem öffentlichen Prachtgebäude die Sache erschöpft zu haben glaubt, wird sich schwerlich verbunden erachten, in letzterem Falle besondere Risse den berühmten Baumeistern aufzugeben, eines gleichen derselben Urteil unter der Hand einzuholen, um nach Beschaffenheit der mehrsten Urteile sichrer zu wählen und mit Überlegung zu Werke zu gehen.“

Prinz Xaver traf, „nachdem ihm von dem Vortrag und Aufsatz vollständige Eröffnung ge­schehen“, folgende Entscheidung. „Wir mögen nicht gestatten, daß bei einem öffentlichen auf Jahr­hunderte aufzuführenden Gebäude, welches nächst dem Gebrauch zugleich zur Zierde hiesiger Residenz­stadt dienen soll, das äußerliche Ansehen vernachlässigt werde und anstatt der gehofften Zierde durch die Unerfahrenheit des Baumeisters ein schlechtes Ansehen hervorgebracht werde.“ „Der Stadt­magistrat soll den Krubsacius über die von ihm ausgestellten Punkte zu Rate ziehen, ferner soll nach desselben Ermessen auch mit Schmidt zu nehmender Abrede dieser einen anderweiten Riß entwerfen und zur Genehmigung einreichen, und inzwischen nach dem verbesserten und neu abgeredeten Plan fort­gebaut werden. Soviel den neu zu errichtenden Turm anbetrifft, soll der Magistrat zu solchem von dem Landbaumeister, dem Hofbaumeister, seinem Baumeister und anderen geschickten Baukünstlern der Stadt verschiedene Risse samt zugehörigen Anschlägen fertigen und solche mit seinem Dafürhalten uns zur Auswahl präsentieren. Diese Methode wird (auch in Ansehung des neu zu erbauenden Land­hauses) um deswillen beliebet, weil durch die Konkurrenz mehrerer Baumeister unter selbigen eine stärkere Emulation erwecket wird und die Wahl zwischen vorliegenden Rissen leichter fällt.“

Die Resolution ist im Pillnitzer Schloß unterschrieben, das nach einer bedeutenden baulichen Veränderung seit 1765 der Aufenthalt für den Hof wurde. Während über die früheren Kirchenrisse

in Ministerkonferenzen unter Vorsitz des Regenten verhandelt wurde, arbeitete jetzt Prinz Xaver nur


  1. Dieses Urteil dürfte auf den auch von Krubsacius als vorbildlich verehrten Francois Blondel zurückgehen, der in seinem cours d’architecture (Paris 1675) öfters Borromini als schlimmes Beispiel des Ungeschmacks nennt.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/83&oldid=- (Version vom 9.4.2024)