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Sie sprach dem Kaiser zu, der Kaiser sprach zum Grafen:

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„Mein junges Töchterlein läßt Liebe nicht mehr schlafen.


Willst du mein Eidam seyn, so kommt es wohl ins Gleiche,
Ich gebe dir Tyrol und Kärnthen von dem Reiche!“ –

Er sprach: „Ich bin vermählt, Herr, laßt es Euch vertrauen:
Es ist kein sterblich Weib, die Schönste doch der Frauen.“ –

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„So weh dir, theurer Held! mußt ewig seyn verloren,

Bist du dem Geist vermählt und hast ihm Treu’ geschworen.

Doch bindet nicht der Eid, der Bischof kann ihn lösen,
Geweihtes Wasser tilgt das Bündniß mit dem Bösen.“ –

Dem Ritter wurde bang, er nahm es sich zu Herzen:

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„Nicht will ich Gottes Huld und Eure Gunst verscherzen!“


Viel Messen lasen sie; der Weihrauch stieg zum Himmel,
Und an die Brüste schlug der Graf im Volksgewimmel.

Man hat die Hochzeit schön und herrlich ausgerichtet,
Viel Rosen hingestreut und Lieder viel gedichtet.

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Als es zu Tische ging, wie die Posaunen klangen!

Wie schienen rosenroth die Launen und die Wangen!

Das Pärchen saß vergnügt, die Männer und die Frauen, –
Da ließ sich an der Wand ein seltsam Wunder schauen:

Die Wand blieb unverletzt, doch kam hindurchgefahren

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Ein Frauenfuß, so schön, als jemals Füße waren.


Bloß war er bis zum Knie und weiß wie elfenbeinen,
So zarten sah man nie, noch nie so zierlich kleinen.

Auch ward ein Jammerlaut gehört in allen Kammern,
Und in dem Saal zumeist ein Weinen und ein Jammern.

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Sie konnten von dem Fuß die Blicke nicht verwenden,

Der Graf erschrack, das Glas zerbrach ihm in den Händen.

Er sah den schönen Fuß, sein Herz zerschnitt das Klagen,
Er sprach: „Das ist mein Lohn, nun sterb’ ich in drei Tagen!

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band . Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_037.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)