Seite:Badisches Sagenbuch II 078.jpg

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noch länger zu verweilen; nichts konnte sie vermögen, über die elfte Stunde zu bleiben. Niemand wußte, woher sie kamen, noch wohin sie gingen, doch raunte man sich ins Ohr, es seyen Fräulein aus dem Mummelsee und bald nannte man sie nicht anders, als das Schwester-Kleeblatt vom See. Seit sie aber die Spinnstuben im Thal zu besuchen pflegten, fanden sich Mädchen und Burschen noch einmal so gern bei diesen Zusammenkünften ein; denn die Seejungfern wußten ihnen gar viel anmuthige neue Lieder und hübsche Geschichten vorzutragen und die Spinnerinnen brachten jedesmal vollere Spulen und feineren Faden von da nach Hause, als früher, wenn gleich ihr Gespinnst mit dem der Fremden an Zartheit und Silberglanz noch nicht zu vergleichen war. Am unerschöpflichsten aber im Lobe der reizenden drei Schwestern waren die jungen Bursche, was manches Schmollen und manchen kleinen eifersüchtigen Zwist mit den Mädchen des Thals herbeiführte; diese grollten jedoch keineswegs mit den Seejungfrauen darob, da deren Betragen sich stets immer in den Schranken der Zucht und Ehrbarkeit hielt und sie den Burschen keinerlei Aufmunterung gaben. Vor Allen war es der Sohn des reichen Elfried, der an den Seejungfern großes Wohlgefallen fand, ja sogar an eine derselben sein Herz verloren hatte. Darum war er auch am ärgerlichsten darüber, daß die Drei jeglichen Abend so früh aufbrachen und er kam auf den Gedanken, eines Abends die hölzerne Wanduhr um eine Stunde zurückzustellen. Gedacht, gethan. Unter Scherz und Lachen verfloß auch dießmal die Zeit; endlich schlug es Elf statt der Mitternachtsstunde; die Jungfrauen nahmen ihr Spinngeräthe und entfernten sich wie gewöhnlich.

Am Morgen darauf gingen Holzhauer am Mummelsee vorüber, da vernahmen sie aus der Tiefe ein seltsames Wimmern und Stöhnen und auf der Oberfläche schwammen drei große Blutflecken. Der junge Erlfried war in derselben Nacht schon schwer erkrankt und in drei Tagen eine Leiche. Die drei Schwestern aber wurden nie wieder im Thale gesehen.

(Siehe Al. Schreiber’s „Sagen“ etc. 1839.)
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band . Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_078.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)