Seite:Badisches Sagenbuch II 097.jpg

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Fremd bin ich hier zu Lande;
Wohl ahnst du nicht, daß hier

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In diesem Staubgewande

Ein König steht vor dir!
Ein Fürst von einem schönen See,
Fern dieser Berge Kreise,
Ein Gatte, den unsäglich Weh

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Trieb auf so weite Reise.


Zwei Monde sinds gerade,
Lustwandelnd ging allein
An unsrem Seegestade
Mein Weib im Abendschein;

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Da plötzlich stürzt auf sie ein Hauf

Von fremdem Seegezwerge,
Und fort mit ihr im Sturmeslauf
Gings über Thal und Berge.

Zu spät erhielt ich Kunde,

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Wer malet meinen Graus!

Rings in die weite Runde
Sandt’ ich Vasallen aus;
Umsonst! ich forschte her und hin
An allen Nachbarseeen; –

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Von meiner blonden Königin

War keine Spur zu sehen.

Da bin ich ausgezogen
Mit diesem Pilgerstab;
Wo nur ein See mag wogen,

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Bin ich getaucht hinab!

Jetzt bleibt mir nur die Mummelfluth
Noch zu durchforschen heute,
Mir ahnt’s, dort ruht mein höchstes Gut,
Des Räuberkönigs Beute.

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Komm, führe mich geschwinde

Zu seinem Ufer hin,
Und nimm als Angebinde
Dies goldne Fingerlin!

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_097.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)