Seite:Badisches Sagenbuch II 139.jpg

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Wer auf dem Pflaster rennt,
Und auf der Brücke sprengt,
Und nimmt ein Weib, das er nicht kennt:
Der bleibt ein Narr bis an sein End’.“

Das Narrenbuch war in der ganzen Gegend gefürchtet; denn Niemand war sicher, daß er nicht auch einst sein Plätzchen darin fände. – „Mich sollt Ihr gewiß nicht hinein bringen!“ – sagte einst ein vornehmer Herr aus der Nachbarschaft zu dem Narrenzunft-Schreiber. „Eure Durchlaucht stehen schon drin!“ – versetzte Dieser. – „Ei, wie so? warum?“ – „Weil Sie den letzten Winter spazieren gefahren sind mit Pferden, welche mit Mückengarnen bekleidet waren, was gar nicht nöthig gewesen.“ Der Fürst lachte und mußte sich’s gefallen lassen.

L. H. B.


Das Lindenkirchlein.

An der Landstraße, die nach Basel führt, nicht weit vom Hubbade und der Burg Windeck, liegt eine freundliche Wallfahrtskirche, „zur Linden“ genannt. Diesen Namen hat sie von einer uralten Linde, die wenige Schritte von ihr entfernt steht. In grauen Zeiten soll das Muttergottesbild, welches jetzt auf dem Hauptaltar der Kirche aufgestellt ist, in einer Blende des Baumstammes gestanden haben. Es geschah nun, daß ruchloses Kriegsgesindel die Gegend überschwemmte und die Kirchen nebst ihren Geräthschaften und Bildern zerstörte; da wuchs die Rinde der Linde über die Blende des Madonnenbildes, so daß es dicht in den Baumstamm eingeschlossen und jedem Auge verborgen blieb, bis Frieden und Ordnung im Lande wieder hergestellt war.

Ein Hirtenmädchen, das in der Nähe der Linde seine Heerde hütete, vernahm eines Abends einen lieblichen Gesang, der aus dem Baume zu klingen schien. Dies wiederholte sich am zweiten und dritten Tage darauf, und nun erzählte sie diese wunderbare Sache ihrem Vater. Dieser meinte, so was könne nur ein Zauberwerk seyn, das von einem bösen Geiste herrühre, und machte sich mit seiner Holzaxt auf, um die Linde zu fällen;

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band . Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_139.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)