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Die Nacht ist da, das Gefolge fern,

Rings herrschet Grausen und Schweigen,
Durch die Wipfel lächelt kein milder Stern,
Kein Pfad will dem Auge sich zeigen.

Bisweilen nur hört man, tief im Forst,

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Der Wildniß ächzende Stimmen;

Die Trümmer der Burg im Tannenhorst,
Kühn wagt er sie nun zu erklimmen.

Bald steht er im öden Rittersaal,
Die Furcht, die weiß er zu höhnen,

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Und lustig läßt er hinab ins Thal

Noch einmal sein Hüfthorn ertönen.

Da trippeln zur Thür zwölf Lichtlein herein,
Der Waidmann sieht sie mit Grauen;
Es wallen hinter den Lichtlein drein

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Zwölf stattliche Ritter und Frauen.


Der Vorderste winkt dem Waidmann zu,
Ein lustiges Stücklein zu blasen,
Der Waidmann gehorcht und es schweben im Nu
Die Gestalten dahin auf dem Rasen.

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Auch die Lichtlein fangen zu hüpfen an,

Und folgen in zierlichen Schritten –
Da plötzlich höret man krähen den Hahn
In des Thales schlummmernden Hütten.

Und Alles hält still und schaut empor,

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Die Nacht sie will schon zerrinnen;

Vor dem Waidmann neigt sich der Frauen Chor,
Und zieht mit den Rittern von hinnen.

Der Jüngling steht, wie im schweren Traum,
Und kann die Furcht nicht bezwingen,

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Bis in des Saales verwachsenem Raum

Die Vögel erwachen und singen.

Aloys Schreiber.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_162.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)