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Und plötzlich theilt sich, wo der Greis
Mit seinem Stabe hingeschlagen,

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Mit einem Riß die Felsenwand,

Und Beide gehen Hand in Hand
Durch weitverschlungne Gänge schweigend,
Viel hundert Stufen niedersteigend.

Da zeigen Wunder überall

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Sich dem erstaunten Blick des Knaben:

Er sieht, wie Pfeiler von Kristall
Und von Granit geformt sich haben;
Nach innerem Gesetz, genau,
Entwickelt jeden Erdenbau,

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Die Säulen, Wölbungen und Bogen

Von fester Meisterhand gezogen.

Kein leeres Bild der Fantasie,
Nur einem eitlen Zwecke fröhnend,
Nein, jede Form voll Harmonie

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Mit anderen zusammentönend.

So muß auch ein Gebild aus Stein
Zuvor im Geist vollendet seyn,
Bevor der Meister es kann wagen,
Ins Wirkliche zu übertragen.

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Noch einmal spaltet eine Wand

Sich vor des Greisen Zauberstabe –
Auf einem grünen Anger stand
In hellem Sonnenlicht der Knabe;
Und hoch hinauf ins dunkle Blau

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Wölbt sich vor ihm ein Riesenbau,

Sich in zwei Pyramiden endend,
Mit tausendfacher Zierde blendend.

Es war ein Bau, der sehnsuchtsvoll
Die Arme nach dem Himmel streckte

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Und seiner Glocken Klang erscholl,

Daß er die tiefste Sehnsucht weckte;

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_166.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)