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Und vor den mächtigen Thürmen,

Vom äußern verfallenen Thor,
Durchschweifte sein Auge die Trümmer,
Worunter das Wild sich verlor,

Da war es so einsam und stille,

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Es brannte die Sonne so heiß,

Er trocknete tiefaufathmend
Von seiner Stirne den Schweiß.

„Ach, würde des köstlichen Weines
Mir nur ein Trinkhorn voll,

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Den hier der verschüttete Keller

Verborgen noch hegen soll!“

Kaum waren die Worte beflügelt
Von seinen Lippen geflohn,
So bog um die Epheumauer

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Die sorgende Schaffnerin schon.


Die zarte, die herrliche Jungfrau,
In blendend weißem Gewand,
Den Schlüsselbund im Gürtel,
Das Trinkhorn hoch in der Hand.

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Er schlürfte mit gierigem Munde

Den würzig köstlichen Wein,
Er schlürfte verzehrende Flammen
In seinen Busen hinein.

Des Auges klare Tiefe!

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Der Locken flüssiges Gold! –

Es falteten seine Hände
Sich flehend um Minnesold.

Sie sah ihn an mitleidig
Und ernst und wunderbar,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 468. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_468.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)