Seite:Badisches Sagenbuch II 483.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Aber nicht gleich sind des Lebens Gestalten,
Wie sich die Herzen verschieden entfalten:
So auch dem Ritter war kräftiges Streben –
Diesem nur heilige Sehnsucht gegeben;

35
Göttliche Liebe, so innig und heiß,

War ihm des Lebens entzückender Preis.

Darum erbauet in einsamer Stille,
Daß er das Sehnen des Herzens erfülle,
Einen Altar sich der Jüngling behende,

40
Zieret mit Laub ihm die steinernen Wände,

Zündet der Kerzen hellflammendes Licht,
Knieet dann nieder und betet und spricht:

„Ewige Liebe, du Lieb’ sonder Gleichen,
Habe Erbarmen und gib mir ein Zeichen,

45
Ob ich den Machtspruch des Herrschers soll ehren,

Oder soll brünstig hieher wiederkehren?
Liegt doch mein Herz nun im Kampf mit der Pflicht.“
Und er erhebt sich und löschet das Licht.

Siehe, der Gott, zu dem fromm er sich wendet,

50
Hat ihm auch schnell seine Botschaft gesendet:

Denn so oft er zum Altare noch schreitet,
Findet er immer die Kerzen bereitet
Leuchtend in wunderbar strahlender Pracht,
Hell durch des Waldes grün dämmernde Nacht.[1]

Heribert Rau.

  1. Pfalzgraf Konrad übertrug, der Sage nach, die Erziehung seiner Söhne Konrad und Friedrich dem heiligen Eberhard von Stalecke, der sich eine Kapelle in der Nähe des Königsstuhls erbaut haben soll und so fromm war, daß die Engel ihn mehrmals von Heidelberg nach Stalecke, (der früheren Residenz der Pfalzgrafen) und von Stalecke nach Heidelberg zurücktrugen. Ein zweites Wunder erzählt obige Legende von H. Rau.
    (Siehe J. Baaders „Sagen der Pfalz und des Odenwaldes.“)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 483. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_483.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)