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Der Graf spricht: „Laßt nur gut es seyn!
Gleich wird die Braut erscheinen,
Gar gerne sieht’s mein Töchterlein,

120
Wenn ihre Gäste weinen.“


Und plötzlich öffnet sich die Thür’,
Und schweigend, Paar an Paare,
Tritt eine Schaar von Frau’n herfür,
Mit einer schwarzen Bahre;

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Drauf liegt ein schneebleich Mägdelein,

Mit langem blonden Haare,
Und Frau’n und Männer wechselnd streu’n
Ihr Blumen auf die Bahre.

Der Herzog bebt, sein Haar es sträubt

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Sich auf, die Wangen bleichen;

Wie auch die Angst ihn drängt und treibt,
Er steht und kann nicht weichen;
Sein Auge rollt er wirr und wild
Umher im düstern Kreise,

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Und vor dem blaßen Engelsbild

Erstarrt sein Blut zu Eise.

Da packt der Graf ihn bei der Hand:
„Nun Herzog, auf zum Tanze!
Siehst du die Braut im Festgewand,

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In ihrem Hochzeitkranze?

Spielt auf, ihr Leute, nun beginnt
Der frohste Hochzeitreigen:
Der Bräut’gam wird mit meinem Kind
In’s kühle Brautbett steigen!“

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Schon packt des Wahnsinns wilder Arm

Dem Herzog die Gedanken;
Wild tanzt um ihn der Lichter Schwarm
Und alle Wände wanken;

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 569. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_569.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)