Seite:Badisches Sagenbuch II 583.jpg

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Einen Ritter siehst Du nahen,
Der, um Minne zu empfahen,
Kommt mit ehrfurchtsvollem Sinn.

10
„Laß die Todten friedlich ruhen!

Ach! schon manche Thräne quoll; –
Bei des Aufgangs Purpurkranze,
Bei der Sterne mildem Glanze,
Bebt mein Herz so heiß und voll!“

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Zürnend sprach die treue Gattin:

„Nahe dieser Wohnung nicht!
Schlummert gleich im heiligen Lande
Längst mein Wilhelm, trennt die Bande
Dennoch Zeit und Schicksal nicht!

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„Dem zuerst mein Herz geschlagen,

Schlägt es bis zur stillen Gruft,
Treue hab ich ihm geschworen,
Deine Seufzer sind verloren
Und verwehn im Abendduft.“

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„Treue hast Du ihm gelobet; –

Doch der Tod bricht jeden Schwur.
Soll der Wangen Roth verblühen?
Deiner Augen Gluth verglühen?
Lebst Du für die Todten nur? –“

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„Nein, ich lebe frisch im Leben,

Meinem holden Knabenpaar!
Seh’ ich einst sie herrlich blühen,
Dann mag diese Gluth verglühen,
Die dem Gatten heilig war!“

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Ernst und sinnend schwieg Jukunde,

Als der Ritter wieder sprach:
„Edle Frau, vom heil’gen Grabe
Komm’ auch ich, und süße Gabe
Folget meinem Flehen nach!

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 583. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_583.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)