Seite:Badisches Sagenbuch II 597.jpg

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denn auf der Wiese die Mechtilde todt und den Hirsch neben ihr, der mit dem Geweih in die Erde bohrte, als ob er anzeigen wollte, daß man sie dort begraben sollte. Da kam auf diese Nachricht der Ritter Bertram eilig von der Burg herab mit allen seinen Dienern und erkannte mit Jammer und Noth den Leichnam seiner Tochter. Er ließ sie in einen steinernen Sarg legen und an derselben Stelle begraben.

Unterdessen hatte man den kleinen Sohn, der auch Bertram hieß, im Schloß zurückgelassen und Niemand hatte Acht auf ihn gegeben, weil Alles wegen Mechtildens Tod hinabgegangen war. Bei der Zurückkunft fand aber Bertram seinen Sohn nicht, und suchte ihn mit bekümmertem Herzen in der ganzen Burg. Da entdeckte zuletzt der Burgvogt den abgebrochenen Ast eines Birnbaums und so fanden sie den Knaben zerschmettert am Fuße der Mauer, und ein Theil seines Kleides hing zerrissen an dem Gesträuche, über welches er von dem Birnbaum herabgefallen war. Der Vater ließ sich an die Stelle führen und fiel in Ohnmacht, als er die Leiche seines Kindes sah. Seine Leute waren bemüht, ihm einen Ruheplatz zu suchen, und fanden dadurch die Höhle Mechtilden’s, die vorher Jedermann unbekannt geblieben war. All ihr kleiner Hausrath war noch darin, ihr Hängkorb und ihre Kürbisflasche und so sahen sie nun klar, wo sie so lange verborgen gelebt hatte. Der Hirsch, der mitgegangen war, ergriff die Flasche und füllte sie an der Quelle, und so wurde Alles kund, wie Mechtilde durch den dankbaren Hirsch ihr Leben erhalten hatte.

Der Ritter Bertram ließ seinen Sohn neben die Mutter bestatten, und baute, wie er gelobt hatte, am Begräbnißplatze Mechtildens eine Kapelle, die er reich begabte.[1]


  1. Erwähnt wird diese Sage im „Historisch-politisch-geographischen Atlas der ganzen Welt.“ Th. V. S. 1849, und in den „Antiquitäten des Neckars.“ Medicus hat sie 1765 mündlich gehört, wie sie oben steht.
    (Siehe Mone’s „Anzeiger etc.“ Jahrg. 1834.)
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 597. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_597.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)