Seite:Badisches Sagenbuch II 619.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

„Wohlauf ihr frühen Wandrer, gebt eure Habe her,
Wo nicht, so büßt mit Kerker und Tod die Gegenwehr!“

Der Kaufmann greift zur Waffe und wehrt sich für sein Gut,
Hei! wie die Schwerter klirren, wie sprudelt auf das Blut!

35
Wie schwingt mit Löwengrimme der Ritter dort sein Schwert,

Wie saust es durch die Lüfte, wie blutet Mann und Pferd!

Dort sinkt ein Wandrer nieder, ein Lanzenknecht hier fällt!
Von Rosenberg, der Ritter, der hat ihn rasch zerspällt;
Er tobt und haut so grimmig, der Muth zum Zorn ihm schwoll,

40
Bis ringsum lag die Straße der todten Wandrer voll.


Der Ritter steigt vom Rosse, wie ist es ihm so heiß!
Wie ist sein Arm ermattet, wie triefet er von Schweiß!
Wie ist sein Schwert voll Scharten, und wie so blutig roth!
Wohl Manchen hat er heule gesandt zum frühen Tod!

45
Drauf schaut er sich die Beute, die heut er schon gemacht,

Schon lange hat er nimmer so reiche heimgebracht;
Besieht dann die Gefangnen: „Willkommen in der Haft,
Ich hab’ dich lang erwartet, du werthe Kaufmannschaft!“

Drauf tragen sie die Beute zu Ritters Schlosse fort,

50
Sie ziehn mit den Gefangnen, der Ritter spricht kein Wort,

Und hinter dem Gebüsche verschwinden Alle bald,
Und wieder stille wird es und einsam in dem Wald.


2.
Ritters Frevel.

Was rauschet auf dem Schlosse von Rosenberg zur Nacht,
Wenn alles eingeschlafen und Niemand hält mehr Wacht?

55
Es schleichet auf der Mauer ein hohes Frauenbild,

Deß Gang voll hoher Würde, deß Antlitz hold und mild.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 619. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_619.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)