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seine Zitate in der fünften Auflage: „Es ist unbedingt nötig, daß einmal über die gesamte interessante Literatur eine umfassende Untersuchung angestellt würde, dann erst würde man auch in der vorliegenden Frage zur Klarheit kommen können.“ Das ist nun mittlerweile zum Teil geschehen. In einer ausgezeichneten Untersuchung hat Burkitt[1] die Überlieferung der syrischen Werke Ephraems in der römischen Ausgabe[2] auf eine bessere Grundlage, nämlich auf die der handschriftlichen Zeugnisse der vorislamischen Zeit, zu basieren versucht. Obwohl sich diese Untersuchung zunächst mit den Evangelienzitaten Ephraems beschäftigt, so wirft sie auch auf unsre Frage ein überraschendes Licht. Es erweist sich nämlich dasjenige Zitat, auf Grund dessen einst Michaelis die Bekanntschaft Ephraems mit der Apk, nachdem er sie früher bestritten hatte[3], zugestand[4], als höchst wahrscheinlich unecht. Dies Zitat[5] findet sich in dem Sermo exegeticus in der römischen Ausgabe V, 330-336. Dieses Stück ist nur in einer Handschrift des zwölften Jahrhunderts überliefert (Cod. Vat. Syr. CXVII), die auch sonst nachweisbar unechtes, d. h. in älterer handschriftlicher Überlieferung unter anderem Namen Überliefertes unter dem Namen Ephraems bringt. Es genügt die Tatsache, daß nur in diesem Stück die Apk zitiert wird, bereits, auch dieses Werk von der Liste der echten Werke Ephraems abzusetzen[6]. So findet sich denn weder in den echten Stücken der römischen Ausgabe, nach in den von Lamy[7] herausgegebenen drei Bänden syrischer Hymnen, noch in der sonstigen gut überlieferten Literatur Ephraems[8] ein Beweis seiner Bekanntschaft mit der Apk. Wir werden also folgern dürfen, daß die Apokalypse im Kanon des Ephraem nicht stand[9]. So können wir das Gesamturteil aussprechen,


  1. F. C. Burkitt, St. Ephraims quotations from the gospel. Text a Stud. ed. by Robinson VII 2 Cambridge 1901.
  2. Sancti Patris nostri Ephraem Syri Opera omnia (Tomi I-VI; die syrischen Werke in den letzten drei Bänden) hrsg. von S. E. Assemani.
  3. Noch in der zweiten Ausgabe seiner neutest. Einleitung S. 1899.
  4. In der vierten Auflage (mir zugänglich in der englischen Übers. IV, 495).
  5. V 332: vidit in Apocalypsi sua Johannes librum magnum et admirabilem a Deo scriptum et septem sigillis munitum, et qui scriptum legeret, nullus erat.
  6. Auch eine zweite Stelle VI 636, auf die Kalthoff (Apk. Joh. apostolo vindicata. Hafniae 1834 p. 26) verwies, und die in der Tat eine Anspielung auf Apk 20,13 enthält, steht in einem Stück (VI 629-638), das aus derselben verdächtigen Handschr. stammt.
  7. S. Ephraemi Syri Hymni et Sermones... ed. ... Th. J. Lamy I-III Louvain 1882. 1889. Ich bemerke nebenbei, daß hier nur Evang. Acta und Paulusbriefe zitiert werden (Ausnahme: vielleicht Lamy I,250, wo Jak 1,12 (oder Sir 5,11 ?) zitiert wird).
  8. Vgl. Burkitt S. 3f.
  9. Noch viel weniger Zutrauen verdienen unter diesen Umständen die griechisch überlieferten Werke des Ephraem. Und auch hier ist der Gebrauch der Apk ein sehr seltener. Vier Zitate, die häufig zum Beweise der Bekanntschaft Ephraems mit der Apk angeführt werden, II 194. II 214. II 253. III 146, können zunächst nur als eines gelten (Apk 1,7 + 20,16 zitiert). Die Stücke, in denen es vorkommt, sind identisch; es ist nur durch Nachlässigkeit des Herausgebers ein und dasselbe Stück viermal gedruckt (Bousset, Antichr. 23). Die Echtheit dieses Stückes ist nicht gesichert, vor allem auch, weil es nicht in Versen geschrieben ist. Einfach abzusetzen ist übrigens das selbst bei Lücke 598 A. 2 sich findende Zitat II 248. Denn hier liegt gar kein Zitat aus der Apk vor, sondern es wird II Kor 5,17 zitiert. Ebenso sind die vielfach angeführten WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Stellen III 371, II 209, abzusetzen. Die scheinbare Anspielung I 39 auf Apk 6 (πῶς εἱλίσσεται ὡς βιβλίον οὐρανὸς, πῶς ἄστρα πίπτουσιν ὡς φύλλα ἀπὸ συκῆς, πῶς ἐκλείπει ὁ ἥλιος καὶ ἡ σελήνη) muß nicht notwendig daher entlehnt sein, sondern kann aus der Ephraem sonst so geläufigen apokalyptischen Literatur stammen. Besonders bemerkenswert zur Würdigung der Stellung Ephraems zur Apk ist die Stelle III 190. Hier beschäftigt sich E. mit Apk 20,1ff. und weist die chiliastische Deutung ab, und zwar in einer sehr merkwürdigen Weise: εἰ ἀπαιτεῖς με χιλίων ἐτῶν πρώτην ἀνάστασιν, ἀπαιτήσω σε κἀγὼ ἵππον καὶ ὠχριοῦντα ἄγγελον καὶ ζῶον νοερὸν λεγόμενον ἄψινθον ... δός μοι τὰς ἑπτὰ φιάλας καὶ λαβὲ τὰ χίλια ἔτη, ἀπόδειξαι γυναῖκα εἶναι πόλιν, κἀγώ σοι περὶ τῶν χιλίων ἐτῶν παρέξομαι ἀπόδειξιν ... μὴ γεννήσασα γίνεται Ἰερουσαλήμ; μὴ θηρίον ἐστὶν ὁ ἂνθρωπος τῆς ἀνομίας; etc. — Es scheint, als wenn der Schriftsteller, der hier redet, die Apk kennt, aber sie nicht als kanonische Schrift respektiert. Sie scheint ihm wegen ihres Chiliasmus unbequem zu sein.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 027. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S027.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)