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des Tic. ohne Hinzuziehung andrer Quellen, haben also ebenfalls großen Wert für die Rekonstruktion des Tic.-Kommentars. Aber ein Redaktor hat in diesen Fragmenten den Tic. bearbeitet, ihn der Eigentümlichkeit seines Stiles beraubt und namentlich das afrikanisch donatistische Element beseitigt[1]. Als Hauptzeugen kommen ferner in Betracht der Kommentar des Primasius und die unter Augustins Werke geratenen Homiliae in Apocalyspsim B. Johannis (s. u.). Heranzuziehen sind außerdem die Kommentare des Beda, der uns besonders erwünschte ausdrückliche Zitate unter dem Namen des Ticonius bringt, und des Ambrosius Ansbertus, wenn freilich die Übereinstimmungen mit Ticonius bei dem ersteren zum Teil, bei dem letzteren fast ausschließlich durch Primasius vermittelt erscheinen, endlich auch das Werk des Cassiodor (s. u.). In dem Kommentar des Beatus findet sich p. 4ff. eine Summa, die, wie ich vermute, ursprünglich schon als solche dem Werk des Ticonius beigegeben war, und die, wenn sie auch ebenfalls überarbeitet ist, doch ein vorzügliches Hülfsmittel zur Rekonstruktion des Kommentars abgibt[2]. Dagegen stammt der im Kommentar des Beatus 84ff. sich findende Prologus nicht aus Ticonius, sondern größtenteils aus Isidors Etymologiae[3]. Bei der Rekonstruktion des Ticonius stehen wir natürlich überall da auf ganz sicherem Boden, wo zu Beatus sich Parallelen bei Primasius und Ps. Augustin finden. Nur ist eines dabei zu beobachten. Beatus, Primasius und Ps. Augustin sind zugleich auch von dem Kommentar des Victorin abhängig. Dieser, der ja glücklicherweise vorhanden ist, ist jedesmal erst von den gemeinsam in den drei Zeugen enthaltenen Stücken abzuziehen, erst dann bleibt Ticonius übrig. Ferner ist zu beachten, daß Primasius und Ps. Augustin sehr vieles von den spezifisch donatistischen Auslegungen beseitigen, während Beatus mit größter Harmlosigkeit abschreibt. Beatus hat daher sehr oft allein Partien erhalten, welche die beiden andern Zeugen gleicher Weise auslassen. Hier haben wir dann oft an den im Spicilegium Casinense veröffentlichten Fragmenten, die hier und da selbst der Beatusüberlieferung gegenüber als überlegen erscheinen, ein gutes Mittel der Kontrolle. Ticonius’ Auslegungen sind jedoch so charakteristisch und originell, daß sie mit leichter Mühe wiederzuerkennen sind.

Der Kommentar des Donatisten Ticonius[4] wurde geschrieben, nachdem eine große Verfolgung gegen die Donatisten stattgefunden hatte, in einer verhältnismäßig ruhigen Zeit. Da Tic. Die 3½ Jahre der beiden Zeugen, d. h. der ecclesia, Apk 11,3 auf 350 Jahre vom Tode des Herrn an gezählt


  1. Vgl. hierzu und zum folgenden T. Hahn <span title="in: Tyconiusstudien 1900 (Stud. z. Gesch. d. Theol. u. Kirche von Bonwetsch und Seeberg VI 2)" class="anno" style="color: #00AA00;;">S. 14ff. Was Hahn hier ausführt, hatte sich auch mir bereits aus einer Reihe von Stichproben ergeben. Das Resultat steht also m. E. fest.
  2. Haußleiter a. a. O. glaubt in dieser Summa den Kommentar des Hieronymus entdeckt zu haben. Es lassen sich jedoch entscheidende Gründe dagegen geltend machen. Vgl. Hahn 13f.
  3. Haußleiter findet gerade hier Ticoniusfragmente, doch glaube ich, daß was im Prologus steht, entweder von Isidor oder von Beatus stammt.
  4. Über Tic. vgl. Gennadius de scriptor. ecclesiasticis 18, ferner Augustinus de doctrina Christiana III 30ff. (A. führt die Auslegung des Tic. über die Engel an (III 30), hat also den Kommentar gekannt.)
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 057. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S057.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)