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Als seine Methode bezeichnet er selbst in der Einleitung die origenistische (des dreifachen Schriftsinnes).

Mit der Rekapitulationstheorie scheint Andreas im Prinzip unbekannt zu sein. Auf der andern Seite nähert er sich derselben in der Auslegung dennoch. Er deutet das erste Siegel auf die Predigt der Apostel, das zweite auf die Märtyrer und Lehrer, das dritte auf den Abfall vom Glauben, das vierte auf eine Hungersnot unter Maximianus, das fünfte auf die Klagen der Märtyrer, mit dem sechsten kommt er schon in die Zeiten der Verfolgungen des Antichrist. Die siebente Posaune bedeutet die Auflösung der γηίνης πολιτείας. Die sieben Posaunen sind die Plagen der letzten Tage, durch deren Erduldung den Verdammten die Höllenstrafen gelindert werden, die sieben Schalen werden ähnlich gedeutet. Die beiden Zeugen sind auch nach ihm Elias und Henoch, der Antichrist ein jüdischer Herrscher aus dem Stamm Dan (zu Apk 7,5ff. [31,39]; 16,12 [72,15ff.]), der sein Heerlager einst in Jerusalem aufschlagen wird[1]. Kap.13 und 17 werden durchweg nach Irenäus und Hippolyt erklärt. Doch wird Babylon nicht auf Rom, sondern auf die gesamte weltliche Macht gedeutet und die sieben Häupter — trotz Erwähnung der Deutung des Hippolyt — auf sieben Weltreiche, von denen das sechste, das zur Zeit des Johannes ist, auf Rom, das siebente auf Neu-Rom (Constantinopel) bezogen wird. Die Deutung, die Andreas von Apk 20 gibt, ist die von Ticonius-Augustin aufgestellte. Der Kommentar des Andreas hat keinen ausgeprägten Charakter. Die verschiedenen Methoden: Rekapitulation und fortlaufende Auslegung, spiritualistische und realistische Deutung wechseln, aber der Kommentar ist ein interessantes Repertoir älterer und jüngerer Anschauungen.

Während man bisher annahm, daß der nächste Nachfolger des Andreas in der Auslegung der Apk Arethas von Caesarea sei, hat sich neuerdings herausgestellt, daß ein anderer Kommentar, zum mindesten den zweiten, wenn nicht den ersten Platz, in dieser Reihe einnimmt, nämlich der des Oekumenius[2]. Nachdem man bis vor kurzem von diesem Kommentar nur den Titel kannte, war Diekamp so glücklich, zunächst ein Fragment und dann in dem Cod. Messinesis S. Salvatore 99 den vollständigen Kommentar (ἑρμηνεία τῆς ἀποκαλύψεως τοῦ θεσπεσίου καὶ εὐαγγελιστοῦ καὶ θεολόγου Ἰ. ἡ συγγραφεῖσα παρὰ Οἰκουμενίου) zu entdecken[3]. Dabei ergab es sich, daß der Kommentar, den man bisher viel später angesetzt, um 600 geschrieben sei. O. selbst bemerkt zu Apk 1,2: ἤδη πλείστου δεδραμηκότος χρόνου, ἐξ οὗ ταῦτα εἴρηται, ἐτῶν πλειόνων ἢ πεντακοσίων; und ein Zitat aus dem Kommentar findet sich bereits in einer syrischen Handschrift des 7. Jahrh. (Mus. Britannicum; syr. 855, fol. 72b). —

Ja es erhebt sich sogar die Frage, ob Oekumenius nicht überhaupt der erste in der Reihe der griechischen Kommentatoren sei. An mehreren Stellen


  1. Als Deutungen der Zahl 666 werden eine Reihe von Eigennamen (neben den schon bekannten sind Λαμπέτης, Βενέδικτος zu nennen) und von vermeintlichen Attributen des Antichrist aufgezählt (κακὸς ὁδηγός, παλαιβάσκανος, ἀληθὴς βλαβερός, ἄμνος ἄδικος).
  2. Der Kommentar zu den Paulinen und Apostelgesch. Kath. Br., der unter dem Namen des Oekumenius geht, ist nach Diekamp unecht. Mit einiger Sicherheit sind nur die ihm ausdrücklich darin zugeschriebenen Stücke ihm zuzusprechen.
  3. Mitteilungen über d. neuaufgefundenen Kommentar des Oekumenius z. Apok., Sitzungber. d. Berl. Akademie 1901, H. XI. Über Oecumeniuskommentare zur Apok. vgl. v. Soden, die Schriften des N. T. I 288.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 064. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S064.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)