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nimmt der Kommentar des Andreas nämlich teils einfach referierend, teils polemisierend auf ältere Auslegungen Bezug (zu Apk 4,5; 9,5.15; 6,1ff.; 12,1ff. vgl. namentlich das oben S. 63,2 zu 6,1ff., Auslegung der Siegel, Vermerkte). Und diese Auslegungen finden sich im Oekumeniuskommentar! — 15,6 (λίνου - λίθου) und 1,5 (λύσαντι - λούσαντι) exegesiert Andreas eine Doppellesart, während Oekumenius nur eine Lesart hat. Es wäre also doch vielleicht die Frage zu überlegen, ob man trotz der entgegenstehenden Bedenken (s. o.) mit dem Andreaskommentar nicht bis 620 hinunterzugehen habe, während dann Oekumenius um 600 anzusetzen wäre. Die Herausgabe des Kommentars wird hoffentlich Licht in die Frage bringen.

Von Andreas und zu einem großen Teil, wie sich jetzt herausstellt, von Oekumenius abhängig ist endlich der dritte Kommentar in dieser Reihe, der des Erzbischofs Arethas von Caesarea (Kappadozien)[1]. Arethas, der vielleicht von 901-940 die erzbischöfliche Würde bekleidet, soll den Kommentar (nach einer Bemerkung des cod. Parisinus 219, vgl. Diekamp 1051) noch als Diakon geschrieben haben. Er wurde aber 895 Diakon in Patrae. Der Kommentar scheint in zwei Rezensionen einer kürzeren (als Anhang der Werke des Oekumenius Verona 1532, ¹ Paris 1631, ² übers. v. Joh. Hentenius, Paris 1547) und einer längeren bei J. A. Cramer, Caten. in epistolas catholicas, accesserunt Oecumenii et Arethae commentarii in Apokalypsim, vorzuliegen[2].

5. Die Nachfolger des Ticonius.

Lud. Alcasar charakterisiert in seinem großen Kommentarwerk (s. u.) als die erste Gattung der Auslegungen zur Apk diejenigen, welche in der Apk ganz im allgemeinen ohne Beziehung auf bestimmte Ereignisse und ohne bestimmte Zeitfolge eine Weissagung des Kampfes der Kirche mit der Welt fänden. Und mit großem Scharfsinn hat er gesehen, wie diese von Ticonius stammende Auslegung die Exegese bis tief ins Mittelalter hinein beherrschte. Nur paßt die Charakteristik nicht ganz zu dem Kommentar des Tic., den ja Alcasar selbst nicht kannte. Denn dieser fand in der Apk den ganz bestimmten Kampf der wahren donatistischen Kirche mit der falschen Staatskirche und den übrigen Weltmächten. Aber indem man nun von dem Kommentar des Tic. alles echt Donatistische abstreifte, entstand eben jene abstrakte Art der Auslegung der Apk, die Alcasar beschreibt. Derjenige, welcher diese Entwickelung in der Auslegung der Apk herbeiführt, ist Primasius († nach 554, vgl. Diekamp, histor. Jahrb. 1897, S. 1.).


  1. Über die Zeit des Arethas s. Harnack, Die Überlieferung d. griech. Apologeten d. 2. Jahrh. Texte u. Unters. I. 1882. S. 36-46; A. Jülicher, Gött. Gel. Anz. 1899, S. 377-387. — Zu beachten ist, daß Arethas zu Apk 13,2 von der Herrschaft der Sarazenen in Babylon redet, also wahrscheinlich die Gründung von Bagdad unter Mahdi 775—785 bereits voraussetzt.
  2. Nach von Sodens Angaben wäre der echte Arethaskommentar nur in sehr wenigen Handschriften enthalten. Die bekannte Minuskel 95 (Αρ²¹) enthalte ihn. Was bisher als Arethaskommentar gegolten, sei der [von Oekumenius (das kann nach Diekamps Untersuchungen nicht richtig sein)] bearbeitete Arethaskommentar.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 065. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S065.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)