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Zeiten weist J. nun je einen Teil der sechs ersten Partien der Apk zu. Aber bei den fünf ersten Teilen steht es nun wieder so, daß in ihnen der auf diesen Teil fallende Kampf nur besonders ausführlich und deutlich behandelt wird. Daneben enthält jeder der ersten fünf Teile wieder rekapitulationsweise die ganze Leidenszeit der Kirche, selbst bis zur siebenten Zeit (Ruhezeit der Kirche) erstreckt sich am Schluß fast jedes einzelnen Teiles die Weissagung. Das System Joachims besteht also in einer ganz künstlichen bis ins Einzelne durchgeführten Rekapitulationstheorie. Jeder einzelne Abschnitt enthält wieder sieben sich entsprechende parallele Unterabteilungen. Das kann für die Abschnitte Apk 2-3; 4-7; 8-11,18; 15-16 ja mit leichter Mühe durchgeführt werden, aber auch 11,19-14 wird künstlich in sieben Teile zerlegt. Das eigentlich Neue, das J. in die Auslegung der Apk hineinbringt, ist nun die Deutung des vierten Zeichens auf Muhamed und die „Saracenen“. Zu vergleichen ist hier namentlich der vierte Abschnitt des vierten Hauptteils (zu Apk 13). Das erste Tier ist der Muhamedanismus, die Todeswunde des Tieres sind die Kreuzzüge. Das Tier ist seitdem trotz wiederholter Bekämpfung immer wieder aufgelebt. Seine Wunde wird ganz geheilt, wenn der elfte König (nach Daniel) kommt, das kleine Horn (vielleicht Saladin), das „neulich“ Jerusalem genommen hat. Der Pseudoprophet aber bedeutet die Ketzerei, die neuerdings in der Kirche ihr Haupt erhebt, die Sekte der Patharener[1]. J. hat mit eignen Ohren erzählen hören, daß zwei Abgeordnete der Patharener zu Saladin gekommen seien, um mit ihm ein Bündnis abzuschließen. In dem sechsten Teil (dem der letzten Zeiten der Kirche) hat J. die Unterabteilung nicht mehr genau durchgeführt. Er kennt hier nur drei Teile. Babylon wird auf das römische Reich gedeutet, das in Weltlichkeit und Laster versunken ist. Das Tier ist der Teufel, dessen sieben Häupter die sieben oben erwähnten Reiche sind. Die sieben Fürsten sind etwas anders zu zählen. Fünf[2] sind gestorben. Der sechste „welcher ist“, ist vielleicht Saladin, vielleicht auch eine Reihe von zehn Herrschern (Deutung der zehn Hörner). Dieser Fürst, resp. dies Fürstengeschlecht wird Babylon, das römische Reich, vernichten; der Euphratfluß ist bereits ausgetrocknet, d. h. das schützende Heer Friedrichs I. ist vernichtet. Dann[3] werden jedoch die Heiligen, die in Babylon übrig gebliebene wahre Kirche, d. h. die Mönche, jenen Herrscher besiegen. Ein neuer Mönchsorden (oder auch zwei hinter einander; die betreffenden Stellen, zu Apk 14,14; 17,5ff., sind schwer zu deuten), der in begeisterten Worten von J. geschildert ist, wird erscheinen und wie ein strömender Regen die ganze Erde erquicken. Es wird ein Orden der seligen Geister sein, der vita contemplativa gewidmet. Darauf wird der siebente König, qui nondum venit, der Antichrist, erscheinen, aber von Christus, der nun persönlich erscheint (zu Apk 19,11ff.), besiegt werden. Dann folgt die Zeit der Sabbatruhe, der tausend Jahre. Die realistische Deutung von Apk 20 hält J. auch gegenüber Augustin fest. Dann folgt nach J. ein nochmaliges Ausbrechen der Scharen des Satans, die sich an die äußersten Enden der Erde zurückgezogen hatten, und dann das Endgericht und die Ewigkeit (im achten Teil des Werkes behandelt).

Seit Ticonius ist Joachim der erste Ausleger, der die Apk wieder als ein Buch betrachtete, das wesentlich für seine Gegenwart geschrieben ist. Anknüpfend an eine nunmehr vergangene Epoche der Auslegung macht er den Übergang zu der eigentlich zeitgeschichtlichen Erklärung des Buches. Das System der Rekapitulation behält er bei und führt es bis ins Einzelne aus.


  1. Ich mache auf die außerordentlich interessante Schilderung aufmerksam, welche Joachim von diesen bei der Auslegung der fünften Posaune entwirft.
  2. 1) Herodes cum successoribus. 2) Nero etc. 3) Constantius Arianus etc. 4) Chosroes-Muhamed. 5) Henricus (welcher Heinrich?). Hier kommt J.s übrigens sonst nicht stark hervortretende hierarchische Stellung zum Ausdruck. Das deutsche Kaiserreich ist ihm nicht der Antichrist, sondern nur ein Teil von Babylon.
  3. Vgl. die Auslegung zu Apk 20,1ff. 210 B.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 075. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S075.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)