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bereits antipäpstlich (s. zu Apk 8 und 9). Die beiden Tiere sind die Monarchie überhaupt, welche sich im römischen Kaisertum, Muhamed und dem Papsttum offenbart. Das tausendjährige Reich rechnet M. von der Geburt Christi bis zum Losbrechen der Türken[1]. Luthers Einfluß macht sich noch nicht geltend. — Hier kann sogleich auch der etwas spätere Kommentar des Marloratus (Novi Test. cathol. expos. Tom. II. Genev. 1564) genannt werden, denn dieser schließt sich noch immer teils an Beda, teils wörtlich an Meyer an.

Auf ganz eigenen Bahnen geht die Auslegung von Theodor Bibliander[2]. Er findet in den sieben Siegeln die ganze Weltgeschichte von Adam bis zum Weltende, in Kap. 8 und 9 eine Rekapitulation, bezieht Kap. 11 auf das Konzil zu Constanz, dessen Dauer 42 Monate betrage. — Auf der andern Seite aber nimmt er die fünf Monate der Heuschrecken einfach wörtlich und findet in Kap. 12 die ecclesia, welche Christus gebiert[3], die Verfolgung des Herodes, Christi Tod und Himmelfahrt angedeutet. Er bezieht ferner die Flucht des Weibes auf die Verfolgung der Christen von Seiten der Juden, die dann folgende Wendung des Drachen gegen die übrigen aus dem Samen des Weibes auf die Verfolgung der heidenchristlichen Kirche durch Nero. Das Tier ist das Römerreich, die Wunde, welche es erhält, ist Neros Tod, mit dem das Kaisergeschlecht erlischt. Vespasians Thronbesteigung ist die Heilung der Todeswunde. Dieser führt mit den Juden den 3½jährigen Krieg. Dann — so mündet die Auslegung wieder in das übliche Fahrwasser ein — zerfällt das römische Reich und wird erneuert durch das zweite Tier, die antichristliche Macht des Papsttums[4]. Nachdem dann B. aus den Schalenplagen Ziska, Procop und die Einnahme Konstantinopels herausgelesen hat, finden wir wieder in streng zeitgeschichtlicher Deutung die fünf gefallenen Könige von Galba bis Titus gezählt. Der sechste ist Domitian, der siebente Nerva, der achte Trajan, welcher als von Nerva adoptiert aus den sieben sei. So erscheinen im Beginn der Reformationszeit überraschend und unerwartet Fragmente und Anfänge einer richtigen Auslegung der Apk[5].

Eine unabhängige Stellung nimmt auch die Isagoge Apocalypseos des Lutheraners Petrus Artopoeus (Frankf. 1549) ein. In manchen Punkten, namentlich in der Auslegung von Apk 12 zeigt A. Berührungen mit Bibliander. Für ihn hat mit dem Jahre 1546 der letzte Kampf begonnen (zu Apk 19,11ff.), er wird 3½ Jahre dauern. Dann wird die Ungerechtigkeit überhand nehmen (bis 1554). Zugleich wird


  1. Es werden von nun an drei Methoden üblich, die tausend Jahre zu berechnen; man rechnete entweder von Christi Geburt an und kam dann bis zum Anfang der Türkenherrschaft, oder von der Zeit der Apk und geriet dann in die Zeit Gregors VII., oder endlich von Constantin entweder bis zur beginnenden Ottomanenherrschaft oder bis zur Zeit Bonifacius VIII.; mit Hülfe der 1260 Jahre (Apk 11,3) kam man außerdem von Constantin bis zur Reformationszeit.
  2. Diligens atque erudita enarratio libri Apoc. Joh. 1549; als Anhang der Isagoge von Petrus Artopoeus beigegeben. Walch 769 gibt an: commentarius in Apoc. Joannis. Basil 1549. Sind die Ausgaben identisch? (Vgl. bereits Lücke 1061,1.)
  3. Eine Deutung, die schon Lambertus wenigstens anführt.
  4. Merkwürdig ist, daß das Papsttum hier novus „Caligula“ genannt wird. Auch bei Artopoeus (s. u.) wird 16b Caligula neben Nero erwähnt.
  5. Woher hatte Bibliander seine Auslegungen? Las er den Victorin? Oder führte ihn Luthers Deutung des Tieres auf das römische Reich gleichsam zufällig auf diese geschichtlichen Deutungen?
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 087. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S087.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)