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(meditationes in sacram apocalypticam. Trajecti ad Rhenum 1717). Er fand in der Apk — wohl in Anlehnung an das System Joachims — wieder sieben Zeitalter geweissagt, nahm als Länge der einzelnen Perioden 360 Jahre und erwartete im achten Zeitalter das 1000jährige Reich. Nur die sieben Sendschreiben deutete er kirchengeschichtlich. Alles übrige lag für ihn (mit Ausnahme von 11,1-13; 12-14) in der Zukunft, also eine Wendung zur endgeschichtlichen Auslegung. Diese Wendung vollzieht dann noch energischer Joachim Lange (apokalypt. Licht und Recht. Hal. 1730). Es hat zwar in der Vorrede zunächst den Anschein, als wolle er dem Vitringa folgen. Von diesem aber übernimmt er nur die schneidige Verteidigung des Chiliasmus, und mit aller Kraft verficht er selbst die Hoffnung auf einen glücklichen Zustand der Kirche. Aber von Vitringa abweichend sucht er sehr scharfsinnig den Beweis zu führen, daß die ganze Apk von Kap. 4 an endgeschichtlich zu verstehen sei. Wir finden also im großen und ganzen — nur noch konsequenter durchgeführt — die Auslegung eines Ribeira hier wieder.

Ganz in schwärmerischen Bahnen bewegen sich die Schriften der Familie Petersen, die halb Auslegung der Apokalypse, halb eigne Weissagungen enthalten: Johanna Eleonora Petersen, anleitung zu grundlicher verständnis der heiligen Offenbarung 1696; Wilhelm Petersen, verklärte offenbarung jesu christi 1706; Schlüssel der heiligen offenb. 1718; die von christo für den philadelphischen engel gegebene offene thür, Frankfurt 1718 (nach Walch 764f.).

Als letzter Kommentator in dieser Reihe sei der wohl — abgesehen von den eben Genannten — phantastischste von allen genannt: J. A. Bengel (erklärte Offenb. Johannis 1740¹ 1746² 1758³, noch 1834 von W. Hoffmann und Bunk neu verlegt; ferner: sechzig erbauliche Reden über d. Offenbar. Joh. 1747¹ 1788²). Seine Gelehrsamkeit verleitete Bengel, aus den Phantasien und Willkürlichkeiten apokalyptischer Auslegungen ein gelehrtes mathematisches System zu machen; ein seltsamer Kontrast von Scharfsinn und Phantastik. Wer sich dafür interessiert lese die Darstellung in Burks Leben und Wirken Bengels S. 260ff. (auch Lücke 1040ff). Seine Forschungen befähigten Bengel das Weltende auf 1836 zu berechnen. Auch Bengel ist ein Vertreter des Chiliasmus oder vielmehr eines doppelten Chiliasmus (1836-2836 Bindung des Satans, 2836—3836 das eigentliche 1000jährige Reich, 3836 Weltende und jüngstes Gericht). Bengels Einfluß ist es wohl besonders zuzuschreiben, daß seit ihm der Chiliasmus trotz der Augustana bis tief hinein in genuin lutherischen Kreisen zu Ehren und Anerkennung gekommen ist. Im Gnomon bringt übrigens B. vorzügliche grammatische und sprachliche Erklärungen und in seinem Hauptwerk eine gute Darstellung der Geschichte der Auslegung[1].


  1. Die an Bengel sich anschließende Literatur verzeichnet Lücke 1044ff. — Ein ganz merkwürdiger Kommentar ist die Offenbarung Johannis von Joh. J. Scheurmann Lippstadt 1722, eine Vereinigung der Auslegung des Grotius und älterer phantastischer Auslegungen. Sch. teilt die Apk in zwei Teile. Im ersten Teil (Kap. 1-11) ist a) die Vernichtung des Judentums, b) der Sieg des Christentums über das römische Imperium beschrieben (8,2-11). Von Apk 12 an verläuft die Auslegung dann WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt ganz nach englischer Methode (Mede). J. Koch, Scheide-, Prüf- und Wäge-Kunst göttlicher bisher erfüllter und noch unerfüllter Weissagungen, Lemgo 1742, bezog alle Weissagungen vom ersten Siegel an auf die Reformationszeit.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S101.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)