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von gerade sieben Göttern eine hervorragende Rolle spielte. Es erhebt sich nur noch die Frage, ob wir diejenige Religion noch nennen können, aus der diese mythische Vorstellung geflossen ist. Gunkel (vgl. Schöpfung u. Chaos 294-302) hat das Verdienst, auf die Wahrscheinlichkeit einer Entlehnung aus der babylonischen Religion hingewiesen zu haben. Die spätere babylonische Religion hat sich nämlich mehr und mehr zu einer siderischen Religion entwickelt, in welcher der Kult der sieben Planetengottheiten eine hervorragende Stelle einnahm. Eine Reihe von höchsten babylonischen Gottheiten, die ursprünglich nichts mit diesen zu tun hatten, wurden in der babylonischen Theologie allmählich mit den einzelnen planetarischen Gestirnen gleichgestellt. Die Zuweisung der einzelnen Tage an die planetarischen Gottheiten und damit die Schöpfung der siebentägigen Woche, die von Babylon aus allmählich im Laufe der letzten vorchristlichen und ersten nachchristlichen Jahrhunderte nach Westen vorwärts drang, ist die kulturgeschichtlich wichtigste Folge jener religionsgeschichtlichen Tatsache. Zahlreiche Spekulationen über die Heiligkeit der Siebenzahl schließen sich an. — Freilich ist nun zuzugeben[1], daß nach den babylonischen Quellen, soweit sie uns zugänglich sind, die planetarischen Gottheiten, deren planetarischer Charakter im einzelnen feststeht, nirgends als eine zusammengehörige Einheit auftreten, nirgends auch etwa bildlich in der Siebenzahl dargestellt werden. Aber man wird bei der Rolle, die sie als einzelne spielen, annehmen dürfen, daß diese theologische Zusammenfassung zur Siebenzahl in einer Zeit erfolgt, in die unsre Quellen nicht mehr hinabreichen, also etwa in der Diadochenzeit. Vielleicht darf auch die Vermutung ausgesprochen werden, daß noch eine andre Religion bei dieser Entwicklung eingegriffen hat und von Bedeutung gewesen ist. Denn auch in der persischen Religion, die übrigens ihrerseits wieder von der babylonischen an diesem Punkt abhängig sein dürfte, erscheint die höchste Gottheit Ahura Mazda von sechs resp. sieben höchsten Geistern umgeben (den Ameshas Spentas). Sei es nun direkt, sei es unter Vermittelung der persischen Theologie, jedenfalls stammt die jüdische Lehre von den sieben Erzengeln letztlich aus der babylonischen Verehrung der sieben planetarischen Gottheiten[2]. Während aber in der babylonischen Religion die sieben Gottheiten als Wesen gleichen Ranges nebeneinander stehen, mußte natürlich beim Übergang dieser Vorstellung in eine monotheistische Religion eine bedeutende Veränderung vor sich gehen. Das konnte geschehen, indem der eine Gott der monotheistischen Religion mit einem der sieben identifiziert und die übrigen sechs ihm entschieden untergeordnet wurden, oder indem alle sieben Geister als Untergebene des einen Gottes gerechnet wurden. Es wird aber kein Zufall sein, wenn sowohl in der persischen Lehre von den Ameshas-Spentas, wie in der jüdischen Erzengellehre, die Zahl jener höchsten


  1. Vgl. vor allem die lehrreiche Darstellung von H. Zimmern in Schraders „Die Keilinschriften u. das alte Testament“, 3. Aufl. II 610-626.
  2. S. die ausführlichere Darstellung der jüdischen Erzengellehre zu 8,2. Ich verweise schon hier für den Zusammenhang zwischen Erzengel und Sternen aus den slav. Henoch 19.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S186.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)