Seite:Bousset-S218.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

den nicht besseren Einfall vor, die Isabel sei die Frau des Bischofs von Th. gewesen. Z. sieht wohl selbst ein, daß ein Bischof, dessen Werke, Liebe und Glaube von dem Apok. gerühmt werden, und der daneben sein sektiererisches buhlerisches Weib gewähren läßt, eigentlich eine Unmöglichkeit sei. Aber Z. weiß sich zu helfen: der gute Bischof soll nichts von der Verderblichkeit seines Weibes gewußt haben. „Sie gab sich nicht als πόρνη sondern als προφῆτις und wir wissen auch nicht, wie weit sie und ihre Anhänger in Handlungen gegangen sind.“ Der Apok. muß ihn erst im Namen dessen, der Nieren und Herzen erforscht, über die Verderblichkeit seiner Ehefrau aufklären! Es handelt sich hier aber gar nicht um ein geheimes buhlerisches Treiben, sondern um das Auftreten einer Partei mit offen ausgesprochenen Grundsätzen. Und davon sollte der „Bischof“ nichts gewußt haben?! — Man wird daher wohl bei der Annahme stehen bleiben müssen, daß wir in der Isabel eine falsche (libertinisch gesinnte) christliche Prophetin zu sehen haben, die ihr Wesen in der Gemeinde trieb (Jablonsky, de Jezabele. opp. III 225-260, de W., Bl., Ew., Dstd., Wzs., Sp.). — Die Propheten und Prophetinnen waren in der Zeit, in der die vorliegenden Sendschreiben geschrieben wurden, noch zum Teil wenigstens die ersten Autoritäten in den Gemeinden. Es ist daher nichts Auffallendes, daß hier auch einmal in der Sekte der Irrlehrer eine Prophetin eine Rolle spielt. Merkwürdig ist es, daß gerade hier in Thyatira — später wahrscheinlich einem der Hauptsitze des Montanismus (s. o.) — die falsche Prophetie bekämpft werden mußte[1]. ἡ λέγουσα[2] ἑαυτὴν[3] προφῆτιν. Der Versuch, die hier vorliegende Anomalie in der Sprache dadurch zu heben, daß man ἥ als Relativpronomen faßt und zu λέγουσα ein ἐστιν ergänzt, ist nicht ganz unmöglich. Solche abgebrochenen Relativsätze kommen in der Apk häufig vor (vgl. 2,13 ἐν ταῖς ἡμέραις αἷς Ἀντίπας und die dort angeführten Parallelstellen, ebenso wäre dann auch 3,12 zu erklären). Dennoch scheint mir der Versuch wegen des folgenden Verbum finitum prekär. Winers Erklärung (498): „welche, indem sie sich für eine Prophetin ausgibt, lehrt und verführt“, ist allzu künstlich. Die grammatische Anomalie ist einfach zuzugeben. καὶ διδάσκει καὶ πλανᾷ τοὺς ἐμοὺς δούλους πορνεῦσαι καὶ φαγεῖν εἰδωλόθυτα. Hltzm. faßt das διδάσκει absolut und bezieht das Objekt τοὺς ἐμοὺς δούλους nur zu πλανᾷ, weil διδάσκειν 2,14 mit dem Dativ konstruiert sei. Aber es liegt keine Veranlassung vor, einen Konstruktionswechsel als unmöglich auszuschließen. Das πορνεῦσαι steht diesmal (vgl. die


  1. Auch die wie es scheint montanistisch gestimmten Märtyrer Carpus, Papylus stammen aus Thyatira (vgl. Harnack die Akta des Carpus etc., Texte u. Unters. V 433ff.).
  2. Mit ℵAC; die übrigen verbessern teils in την λεγουσαν (Pc An.), teils (Q Rel.) in η λεγει: s. Studien S. 3).
  3. αυτην lesen ℵQ An.⁵. Da ℵ (mit ) hinter προφητιν noch ein ειναι liest, so kommen für die vorliegende Irregularität nur noch Q und einige Min. in Betracht, ein zu leicht wiegendes Zeugnis (B. Weiß 118).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S218.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)