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Ps LXX 78,5: ἕως πότε, κύριε, ὀργισθήσῃ, 10 ἡ ἐκδίκησις τοῦ αἵματος τῶν δούλων σου τοῦ ἐκκεχυμένου; vgl. Ps 80,5; Dtn 32,43; I Sam 16,1; II Kön 9,7; Hab 1,2; Sach 1,12; Ps 13,2. Das Attribut δεσπότης für Gott (im NT. nur noch Lk 2,29; Akt 4,24; II Pt 2,1; Jud 4) ist im Sprachgebrauch des jüdischen Hellenismus (wie κύριος ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ und ὁ ζῶν [εἰς τοὺς αἰῶνας]) verhältnismäßig oft nachweisbar (Rel. d. Judentums 314,2). Der Herr wird als der Heilige, der die Sünde richtet und als der wirkliche (vgl. 3,7.14), der diesen Namen verdient, angerufen. Zu dem Wort ἐκδικεῖν und der hier zu grunde liegenden urwüchsig leidenschaftlichen Stimmung vgl. 18,20; 19,2; Lk 18,1ff. „Die Erdbewohner“ (vgl. Hos 4,1) ist ein in der Apk häufig wiederkehrender Ausdruck, der gewöhnlich die übrigen Menschen im Gegensatz zu den Knechten Gottes bezeichnet. Die starke Rachestimmung, welche dies Gebet atmet (vgl. dazu noch Hen 9,1.3.9f.; 22,5.7; 47,2; 97,5), abzuschwächen, müht man sich vergebens. Wir müssen uns daran gewöhnen, daß der Apokalyptiker im Hinblick auf eine gemordete Märtyrerschar in kräftigeren Stimmungen des Hasses und der Hoffnung lebt, als wir sie gutheißen mögen, auch ohne sofort mit Vischer zu behaupten, hier läge jüdische Stimmung vor.

6,11. καὶ ἐδόθη[1] αὐτοῖς ἑκάστῳ[2] στολὴ λευκή. Mit den Kleidern, welche die Frommen bekommen, hat es, wie es scheint, eine besondre Bewandtnis. Es sind keine gewöhnlichen Kleider, sondern die neuere äußere Erscheinungsform der Gläubigen, ihr himmlischer Leib. Wenn diese Vorstellung Hen 62,15 noch nicht vorliegt, so doch sicher im slav. Henoch 22,8 (verglichen mit 56,2). In der Himmelf.Jes. kann der Seher nicht eher zum höchsten Himmel aufsteigen, als bis er sein himmlisches Kleid bekommen hat (9,2 vgl. 9,8.11.24ff.). In der „Perle“ des Bardesanes (?) wird dem aus der niederen Welt zurückkehrenden Gesandten Gottes an der Grenze der oberen Welt sein Strahlenkleid entgegengesandt (Preuschen, zwei gnostische Hymnen 24f.; vgl. II Kor 5,3ff.; E. Böklen, d. Verwandtschaft d. jüd.-christl. mit der persischen Eschatol. 61ff.; Bousset, Rel. d. Judent. 265f.). Auch hier ist das Kleid weiß, lichtstrahlend. Denn die Seligen tragen (s. zu 3,5) den Engeln (Gestirngeistern) gleich lichtstrahlende Gewänder (Leiber). Darf man also annehmen, daß die Märtyrer hier ihren neuen Leib bereits vorweg bekommen, so erklärt sich auch, wie dies für sie als eine besondere Veranlassung zur Geduld angesehen werden kann. καὶ ἐρρέθη αὐτοῖς, ἵνα ἀναπαύσονται[3] ἔτι χρόνον (χρόνον ἔτι)[4] μικρόν[5] (d. h. einfach: die Märtyrer sollen sich gedulden, aufhören zu schreien um die ἐκδίκησις; dagegen ist der Ausdruck nicht im Sinn der seligen himmlischen Ruhe zu nehmen), ἕως[6]


  1. εδοθησαν στολαι λευκαι vg. a ae. Cypr. Pr. Hipp.
  2. > εκαστω Q Rel. Hipp.; > αυτοις 2. 4. 11. 12. 19. Clem.
  3. αναπαυσονται A (falsche Angabe bei Tisch.) An¹²(⁵); d. übr. ωνται, s. o. S. 172.
  4. χρονον ετι A am. fu. tol. Hipp. ( εως καιρου χρονον μικρον).
  5. > Q Rel.
  6. εως ου An.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S271.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)