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der Zerstörung Jes 34,1 (er wird eine Meßschnur darüber ziehen, daß sie wüste werde, und ein Richtblei, daß sie öde sei; vgl. Klagel. 2,6ff.; II Kön 21,13. Amos 7,7). Namentlich Erbes 69ff. hat neuerdings allen Nachdruck auf letztere Stellen gelegt und behauptet, daß es sich hier nur um Zerstörung des Tempels handeln könne (Vgl. Harenberg, Züll.). Aber E. hat nicht bewiesen, daß das Werfen des Senkbleis unter allen Umständen die Zerstörung und nicht die Erhaltung bedeute. Es läßt sich hier also nicht durch alttestamentliche Parallelen, sondern nur aus dem Zusammenhang beweisen, und der spricht hier deutlich genug (s. u.). Was nun das Ausmessen von Tempel und Altar betrifft, so kann jedenfalls, wenigstens wenn wir nach dem ursprünglichen Sinn der Stelle fragen, weder ναός noch θυσιαστήριον irgendwie bildlich verstanden werden, da hierauf nichts in dem Zusammenhang (vgl. nachher πόλις) hindeutet. Dann muß ναός das eigentliche (Allerheiligstes und Heiliges umfassende) Tempelgebäude sein. Es folgt daraus weiter, daß mit dem daneben genannten Opferaltar der innerhalb des Tempels befindliche Rauchopferaltar nicht gemeint sein kann. Ohnedies bedeutet θυσιαστήριον ohne nähere Bestimmung immer Brandopferaltar. Endlich hat es keinen Sinn, daß der kleine Rauchopferaltar ausgemessen werden sollte. Nach Ez 41,8 war die Meßrute sechs Ellen lang, der Räucheraltar aber war nur zwei Ellen hoch und eine lang (Sp. 418ff.). Auch Ez 43,13ff. wird der große Brandopferaltar gemessen. Die Erkenntnis, daß hier wirklich von dem Brandopferaltar die Rede ist, macht jedem unklaren Allegorisieren[1] ein Ende. Der Ausdruck καὶ τοὺς ἐν αὐτῷ προσκυνοῦντας bereitet Schwierigkeit. Wenn man übersetzt: „die, welche auf ihm anbeten“, so wären hier nur die Priester als zu rettende bezeichnet. Daher wird man gut tun zu übersetzen: die bei ihm (vgl. Joh 8,20 ἐν τῷ γαζοφυλακίῳ διδάσκων) — also in dem Vorhof der Gläubigen — anbeten. Wenn man dann nicht mit Vitringa, Sp. hier eine blasse Metonymie annehmen will, derart, daß das προσκυνοῦντες ἐν αὐτῷ einfach Umschreibung für den Vorhof wird, so ergibt sich von neuem eine Schwierigkeit. Der Ausdruck kann in der gegenwärtigen Situation unmöglich besagen (vgl. V. 2), daß alle Juden als Anbeter im inneren Vorhof gerettet werden sollen, sondern er setzt voraus, daß eine ganz bestimmte Schar von Gläubigen gemeint ist, die in einer bestimmten historischen Situation in der Lage sind, im innern Vorhof anzubeten (s. u. die zusammenhängende Erklärung).


  1. Allegoristen können sich auf Ignatius, ad Trallianos VII, 2 berufen: ὁ ἐντὸς θυσιαστηρίου ὢν καθαρός ἐστιν, τουτέστιν ὁ χωρὶς ἐπισκόπου καὶ πρεσβυτερίου καὶ διακόνου πράσσων τι οὗτος οὐ καθαρός ἐστιν τῇ συνειδήσει. Ignat., ad Magn. VII, 2: πάντες ὡς εἰς ἕνα ναὸν συντρέχετε θεοῦ, ὡς ἐπὶ ἓν θυσιαστήριον (vgl. ad Philad. IV). Von neueren Exegeten erklärt noch B. Weiß allegorisierend die Abmessung des Tempels auf die Erhaltung der gläubigen Judengemeinde. Nach Beyschlag wird in dem Vers angedeutet, daß der Opferkultus aufhören, der Kultus des Gebetes dauern werde (Beyschlag sieht in dem θυσιαστήριον den Rauchopferaltar) und die wahrhaft frommen Israeliten errettet werden sollen. Das sind Rückschritte hinter die durch Bleek, Ewald, Dstd. eingenommene Linie der Erklärung.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S316.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)