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große Schlange (Zimmern KAT³ 504, auch an die babylonischen Darstellungen des chaotischen Ungetüms mušruššû [Schlangenkopf mit 2 Hörnern] ist zu erinnern. Zimmern 502 vgl. 503). Mehrköpfig ist auch der Leviathan Ps 74,14. In der gnostischen Pistis Sophia (übers. v. C. Schmidt 88,34) wird eine Schlange in Gestalt „eines Basilisken, der sieben Köpfe hat“, erwähnt. Sp., der sehr richtig gesehen hat, daß die Siebenzahl der Häupter ursprünglich mit römischen Zäsaren gar nichts zu tun hat, meint, daß die Zahl durch eine Kombination der vier Tiere in Dan 7 entstanden sei. Doch entstehen derartige urwüchsige Phantasien, wie sie hier vorliegen, kaum auf so mechanischem Wege. Die Vorstellung, daß auf den sieben Häuptern sich sieben Diademe befinden, läßt sich meines Wissens sonst nicht nachweisen und mag wohl aus dem parallelen Bilde 13,1 eingetragen sein. Gunkel 277 findet schon hier eine Beziehung auf sieben Könige angedeutet. Die zehn Hörner stammen sicher aus Dan 7. Durch die Kombination verschiedener Vorstellungen ist ein Mangel an Plastik in das Bild hineingekommen, und man fragt sich vergeblich, wie die zehn Hörner sich auf die sieben Häupter der Tiere verteilen. Die rote Farbe des Drachen hält Gunkel 363 für uralte Tradition. Mir scheint das gewagt zu sein; solche kleinen Attribute und Symbole hat sicher auch hier und da die freischaffende Phantasie der Apokalyptiker erfunden und hinzugetan. Die rote Farbe wird, wie in 6,4, auf den mörderischen Charakter des Tieres gehen (Hltzm.). Immerhin mag erwähnt werden, daß das chaotische Ungetüm mušruššû vielleicht (?) in roter Farbe dargestellt wurde (Zimmern 503. 512). Was das Gesamtbild des Drachen anlangt, so wird darüber unten im Zusammenhang gehandelt werden. Hier sei nur hervorgehoben, daß der Drache an vielen Stellen im alten Testament als der Hauptfeind Gottes erscheint (vgl. Hiob 7,12; Ez 29,3-6; 32,2-8; Jer 51,34.36.42; Jes 27,1; 51,9 u. ö.; Gunkel 29-90). Unsrer Stelle zeitlich am nächsten steht Ps Sal 2,25-31, die Schilderung des Pompejus als des Drachenungeheuers.

12,4. καὶ ἡ οὐρὰ αὐτοῦ σύρει τὸ τρίτον τῶν ἀστέρων (vgl. 8,7.8f.10.12 u ö.) τοῦ οὐρανοῦ καὶ ἔβαλεν αὐτοὺς εἰς τὴν γῆν. Eine verwandte Stelle liegt Dan 8,10 vor: „Auch gegen das Heer des Himmels erhob es sich (das kleine Horn) und stürzte etliche von dem Heer des Himmels zu Boden und trat sie mit Füßen.“ Hinter dieser Vorstellung mag ein alter Sternenmythus liegen. Gunkel, Schöpfung und Chaos 387, findet hier einen ätiologischen Mythus, eine Erzählung, durch welche man eine Lücke im Sternenhimmel zu erklären suchte: In der Urzeit hat der Drache dort die Sterne vom Himmel geschlagen. Sehr alt und weit verbreitet ist wenigstens die Vorstellung von einem schlangenartigen Ungeheuer, das am Himmel sein Unwesen treibt, Sonne und Mond umstrickt und verfinstert Hiob 3,8f.; 26,13; Jes 27,1; vgl. noch den Mythus vom Kampf der Gestirne Sibyll. V, 512ff. καὶ ὁ δράκων ἕστηκεν („er stand hochaufgerichtet“ Hltzm.) ἐνώπιον τῆς γυναικὸς τῆς μελλούσης τεκεῖν[1], ἵνα ὅταν τέκῃ (Futurum exactum) τὸ τέκνον αὐτῆς, καταφάγῃ. Also ein


  1. An.³ Hipp.e.r τικτειν s. o. S. 169f.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S337.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)