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wird in einem selbständigen Hauptsatz — man sollte ὅτι erwarten — ihr bis zum Tode getreuer Zeugenmut genannt. Über die Verse 10-11, die sicher vom Apok. letzter Hand stammen, und ihr Verhältnis zum Ganzen wird weiter unten die Rede sein.

12,12. διὰ τοῦτο εὐφραίνεσθε οἱ[1] οὐρανοὶ καὶ οἱ ἐν αὐτοῖς σκηνοῦντες. Vgl. 13,6; 18,20; Ps LXX 95,11 εὐφραινέσθωσαν οἱ οὐρανοί. Unter den Himmelsbewohnern sind nur die Engel zu verstehen, nicht die vollendeten Gläubigen, die nach dem Apok. gar nicht im Himmel sind. Die Himmelsbewohner aber sollen sich freuen, weil nun aus dem Himmel der Satan entfernt und hier aller Streit und Kampf zu Ende ist. Das διὰ τοῦτο bezieht sich also über V. 11 hinüber auf V. 10 oder 9 zurück. οὐαὶ τὴν (s. o. S. 164) γῆν καὶ τὴν θάλασσαν[2], ὅτι κατέβη (dies intransitive Wort entspricht nicht genau dem ἐβλήθη oben; Gunkel 200,2 erklärt die Schwierigkeit durch Annahme einer Übersetzung von ירד. Aber wie ירד ausnahmsweise einmal eine mehr passive Bedeutung annehmen kann, so scheint dieselbe Auskunft schließlich auch bei dem griechischen κατέβη möglich) ὁ διάβολος πρὸς ὑμᾶς ἔχων θυμὸν μέγαν, εἰδώς, ὅτι ὀλίγον καιρὸν ἔχει. Die Zeit, die ihm gegeben ist, ist V. 6 und 14 genauer bestimmt. Der aus dem Himmel geworfene Satan, dem nach dieser Niederlage nur noch eine kurze Frist bis zur endgültigen Vernichtung bleibt, wendet nun seine volle Wut den Regionen unter dem Himmel zu. Daher wehe Land und Meer!

12,13-17. Die Flucht des Weibes. 12,13. καὶ ὅτε εἶδεν ὁ δράκων, ὅτι ἐβλήθη εἰς τὴν γῆν, ἐδίωξεν τὴν γυναῖκα, ἥτις (begründet, s. o. S. 178) ἔτεκεν τὸν ἄρσενα (V. 5). Ich bemerke im Voraus, daß auch bei der Erklärung des Folgenden zunächst nur die Frage gestellt werden soll, was der Apok. letzter Hand sich bei den einzelnen Symbolen gedacht habe. In erster Linie aber muß gefragt werden, was der Apok. unter dem Sonnenweib verstanden wissen wollte. Wenn dieser nun in dem Kinde den Messias sah und in seiner Errettung zu Gottes Thron (wahrscheinlich) die Himmelfahrt Jesu, so kann unter dem Weibe, seiner Mutter, da von der Beziehung katholischer Ausleger auf Maria natürlich ganz abzusehen ist, nur zweierlei verstanden werden: entweder die (ideale) jüdische[3] Gemeinde (so die meisten Ausleger), oder die urchristliche messianische Gemeinde (Bleek, Vlkm., Hilg., Weizs.), die, weil sie das wahre Israel repräsentiert, auch wieder als die Mutter des Messias gedacht werden kann[4]. Es kann also die im Folgenden geschilderte


  1. οι A An.¹²³ 95 a; > alle übr.; der Artikel beim Vokativ ist das Gebräuchliche in der Apk. S. o. S. 164.
  2. ACP An.(¹)² 95; Q Rel. τη γη και τη θαλασση; der Akkus. bei ουαι ist ganz ungewöhnlich.
  3. Vgl. zu diesem Bilde Hos 1,3; Jer 2,2ff.; IV Esra 9,38ff. u. ö.
  4. Die Möglichkeit solcher Deutungen vorliegender uralter Symbole von Seiten des Apok. oder seines Vorgängers kann kaum bestritten werden. So wird z. B. Sohar. Exod fol. 47. Ex 21,22 auf Michael und Samael, die sich im Kampf um die jüdische Gemeinde befinden, gedeutet. Auch im Pastor Hermae, Visio IV, wird die Kirche als Jungfrau dem Drachen gegenübergestellt. Und wenn einmal die Kirche als Weib oder Jungfrau symbolisiert wurde, warum hätte man dann nicht die Geburt des Kindes auf die Geburt des Messias beziehen sollen?
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S343.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)