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in 1,15 und 19,6, V. 3a weist deutlich auf Kap. 4, V. 3b auf 5,9; V. 4a weist an sich schon in eine spätere Zeit, 4b erinnert an 7,17, 4c an 5,9[1]. Wenn in diesem Abschnitt ein älteres kleines Fragment verarbeitet wäre (s. o.), so ist vom Ursprünglichen jedenfalls nicht mehr viel stehen geblieben.

Schwierig ist nur das Verhältnis von 7,1ff. und 14,1-5. Wie verhalten sich unter diesen Umständen die 144000 aus den 12 Stämmen Israels zu den 144000 Asketen und Märtyrern? Wie kommen diese beiden Bilder in eine Apk? Wir haben oben nachgewiesen, daß 7,1-8 eine ältere Tradition voraussetzt, in der von der Versiegelung der 144000 Israeliten die Rede war, die in der letzten Zeit getreulich ausharren würden. Es ist nun anzunehmen, daß die 144000 in Kap. 14,1 ursprünglich mit den 7,1 erwähnten identisch waren, die Szene 14,1ff. also derselben apokalyptischen Tradition angehört. Wir befinden uns hier nur am Ende, dort am Anfang der apokalyptischen Erzählung. Die 144000, die dort versiegelt wurden, sind hier schon errettet. Der Messias, der ihnen zu Hülfe gekommen ist, steht mit ihnen auf dem Berg Zion, und sie leben bereits in Ruhe und Frieden, während rings umher die Feinde der Vernichtung preisgegeben werden. Der Apok. hat die Spuren von der ursprünglichen Identität der 144000 in 7,1-8 und 14,1-5 (vgl. den fehlenden Artikel 14,1) allerdings so ziemlich verwischt. Er benutzte aber das hier vorliegende überkommene Bild, um in seiner Weise vorläufig eine lichtvollere Szene jenen grauenvollen in Kap. 13 gegenüber zu stellen. Während jener furchtbare Kampf beginnt, steht das Lamm Gottes mit den 144000 Erstlingen, den Märtyrern und Asketen unter den Gläubigen, in Ruhe und Frieden auf dem Berg Zion, d. h. wahrscheinlich, es regiert mit ihnen im tausendjährigen Reich (vgl. 20,4ff.). Das Bild ist also vom Apok. proleptisch gedacht. Einen Fortschritt in dem apokalyptischen Drama bedeutet die Szene nicht.

14,6-13. Die Engelrufe. 14,6. καὶ εἶδον [ἄλλον][2] ἄγγελον πετόμενον ἐν μεσουρανήματι. Die Beziehung des ἄλλος (ἄγγελος) bereitet Schwierigkeiten. Hilgf. Einl. 438 hält das Lamm 14,1, d. h. den Messias, für den ersten unter den Engeln. Sp. und B. Weiß denken an die Engelstimmen im vorhergehenden. Dstd. bezieht auf den Engel 10,1. Vlt. III 235 schlägt die Übersetzung vor: einen andern, nämlich einen Engel, J. Weiß konjiziert unter Beziehung auf 8,13 ἄλλον ἀετόν. Vielleicht ist das ἄλλον nach Textzeugen (als Dittographie?) zu streichen. Dann läge keine Schwierigkeit vor. ἔχοντα εὐαγγέλιον αἰώνιον εὐαγγελίσαι[3]. Zum Infinitiv vgl. Lk 12,50; 7,40; Joh 16,12. Es steht nicht τὸ εὐαγγέλιον da, sondern εὐαγγέλιον. Es ist demgemäß auch nicht „das Evangelium“ zu übersetzen. Ein ewig (geltendes) Evangelium ist der schon 10,7 den Engeln Gottes verkündete Ratschluß in Beziehung auf das baldige Ende, der im folgenden


  1. τω αρνιω mag von einem späteren Abschreiber eingeschoben sein.
  2. cc ACP An.²³ 95 g vg. c s¹² a ae. Pr. Cypr. Tic.; ℵQ Rel. sa. Or. >. Bei der unüberwindlichen Schwierigkeit, welche die Erklärung des ἄλλον macht, ist die Streichung desselben empfehlenswert. Vgl. auch das zu V. 8 Bemerkte.
  3. An.²³ Or. ευαγγελισασθαι s. o. S. 161.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S383.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)