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Wer erkennen will, was unten,
Stiehlt das hohe Licht von oben.

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Als ich war im Licht betrunken

Und um Weisheit fleht von oben,
Sprach das Wort: Du sollst gesunden,
Wenn du mir das Fleisch willst opfern!

Wenn das Böse du verblutet,

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Wenn versiegt der irdsche Bronnen,

Wenn du wandelst in dem Guten,
Magst du schauen in die Sonne.

Fasten sollte ich und hungern
Und entbehren alle Wonnen,

155
Recht in Schmerzen sollt ich wurzeln,

Um im Lichte aufzusprossen.

Mit dem Licht stieg ich hinunter,
Und der Erdgeist, leicht gewonnen,
Gab zu trinken mir das Dunkel,

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Das in mir zum Licht geworden.


Und in diesem Licht betrunken
Ist mir die Erkenntnis worden,
Ich hab meinen Geist gefunden
Und verstehe seine Worte.

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Wie die Sterne oben runden,

Die Metalle unten wohnen,
Wie die Sonnen gehen unter,
Wie herauf sich ziehn die Monde,

Fühl ich all in meinen Pulsen,

170
Und mein Fuß fühlt in dem Boden,

Wo die goldnen Schätze wurzeln,
Wo die Quellen gehn verborgen.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_097.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)