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hinterlistiger Weise mit sich nach Dänemark. Unter ihnen befand sich Gustav Wasa. Ein zweiter Feldzug im Jahre 1520 hatte besseren Erfolg. Der tapfere und kluge Reichsverweser wurde in einem Gefechte getödtet und nun gewann Christian durch Waffenglück und Unterhandlungen Stockholm und den größten Theil des Landes. Aber er verdarb seine Stellung völlig durch eine entsetzliche That, welche er in der Meinung verübte, sie dadurch recht zu befestigen, die unter dem Namen des Stockholmer Blutbades in der Geschichte bekannte Hinrichtung von 94 Personen, größtentheils vornehmen Standes, an einem Tage, dem 8. November. Durch Schrecken läßt eine Herrschaft sich nicht befestigen. Gustav Wasa, der Gelegenheit gefunden hatte, über Lübeck nach Schweden zurückzukehren, wurde der Rächer der Hingerichteten und der Befreier seines Vaterlandes.

Außerordentlichen Einfluß auf den König hatte eine Frau, Namens Siegbrit Willums, Holländerin von Geburt. (Sie kommt in den Briefen mehrmals unter dem Namen Syborch vor.) Sie betrieb anfangs einen Kleinhandel in Amsterdam, später eine Gastwirthschaft in Bergen. Dort sah Christian noch als Kronprinz ihre Tochter Düweke, das Täubchen, und faßte eine innige Zuneigung zu ihr. Nach seiner Thronbesteigung ließ er Mutter und Tochter nach Copenhagen kommen. Die Düweke starb 1517, wahrscheinlich vergiftet, die Mutter aber hatte sich längst dem Könige unentbehrlich zu machen gewußt und behielt ihren Einfluß auch nach der Tochter Tode. Ihre Rathschläge galten viel bei ihm. Namentlich bewirkte sie durch ihre Erzählungen von der Wohlhabenheit und Macht, zu der Holland durch die Blüthe seiner Städte gelangt sei, und durch ihre Darstellung von der Freiheit der Gewerbe und des Verkehrs als der Grundlage aller Blüthe eines Landes, daß der König eine Erbitterung gegen den Adel empfand, dessen Privilegien eine solche Entwickelung verhinderten, überdies ihn vielfach in seiner Regierungsgewalt beschränkten. Und diese Stimmung benutzte sie, um ihn in einzelnen Fällen zu ungerechtem und grausamem Verfahren gegen ihr mißliebige Personen zu verleiten, was bei Christian’s zur Gewaltthätigkeit geneigtem Character nicht schwer war. Sie war daher, ohnehin schon als Emporkömmling und unbefugte Rathgeberin, gehaßt und gefürchtet. Denn wenn Einer sie erzürnte, sagt Reimar Kock, so mußte er mit dem Kopfe büßen, er mochte von edelm oder unedelm Stande sein.

Das Stockholmer Blutbad erregte nicht blos in Schweden, sondern auch in Dänemark allgemeine Bestürzung und Erbitterung. Was


Empfohlene Zitierweise:
Carl Friedrich Wehrmann (Hrsg.): Briefe an Matthias Mulich, geschrieben im Jahre 1523. In: ZVLGA 2, 1867, S. 296–347. Friedrich Asschenfeldt, Lübeck 1867, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefe_an_Matthias_Mulich.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)