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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

hereinkommen und die neue Braut sehen wollte. Wie sie nun hereintrat, saß da neben dem König eine junge schöne Prinzessin und auch ein junger Prinz. Da sprach der König: »Das ist meine Braut; nun sag, Isabelle, wie gefällt sie dir?« »O, sehr gut,« sagte sie; aber bei den Worten brach ihr Schmerz hervor, daß sie bitterlich weinen mußte. »Weine nicht, Isabelle,« sprach der König und faßte sie bei der Hand; »sieh! die da sitzt, ist nicht meine Braut, sondern unsere Tochter, und da ist auch unser Sohn; sie sind nicht todt, wie du geglaubt hast, sondern gesund und wohl; deine Prüfungszeit ist aus, und nun sollst du wieder frohe Tage haben.« Da sind die Kinder ihrer Mutter um den Hals gefallen und alle haben sie angefangen zu weinen vor lauter Freude. Der König aber und die Königin haben noch einmal Hochzeit gehalten und haben glücklich zusammengelebt bis an ihr Ende.


10. Die bestrafte Hexe.

Es ist einmal eine rechte alte Hexe gewesen, die hatte zwei Töchter, eine rechte Tochter und eine Stieftochter, und die Stieftochter war schön und gut, die rechte Tochter aber boshaft und häßlich. Da kam ein junger Jäger, nahm die Stieftochter zur Frau, weil sie ihm gut gefiel und zog mit ihr in sein Haus, das im Walde lag. Die alte Hexe stellte sich dazu ganz freundlich; in ihrem Herzen wußte sie sich aber vor Ärger und Bosheit nicht zu lassen, darum, daß der Jäger ihre eigene Tochter nicht genommen hatte, sondern die Stieftochter, die sie gar nicht leiden konnte.

Über eine Zeit kriegte die Jägersfrau einen kleinen Jungen und mußte zu Bett liegen. Da wurde die Stiefmutter geholt, daß sie das Kind wüsche und anzöge, auch die Suppe kochte und sonst zur Hand wäre, wenn die kranke Frau ihrer bedürfen sollte. Der Jäger aber hatte zur Erheiterung und Kurzweil seiner Frau allerlei Vögel in die Stube gebracht, die sangen, und ein Spiel hatte er gemacht von allerlei Glocken, die klangen.

Dicht an dem Hause lag ein großer Teich, auf dem viele Enten schwammen. Nun stand eines Tages die Stiefmutter am offenen Fenster und sah auf den Teich hinaus, und weil des Jägers Frau schon wieder auf Besserung war und zuweilen aufstehen konnte, rief ihr die Hexe zu: »Steh doch auf, mein Kind, und sieh einmal die vielen Enten, die da auf dem Teiche schwimmen.« Ohne an Arges zu denken, stand die Frau auf und lehnte sich aus dem Fenster, und indem, so gab ihr das boshafte Weib einen heftigen Stoß, daß sie hinab in den Teich stürzte, und verwünschte sie in eine Ente; da schwamm sie nun mit den anderen Enten auf dem Teiche herum. Ihr Kind aber fing an zu weinen, und ihren Mann befiel zu derselben Stunde eine große Traurigkeit und wußte doch nicht warum; die Vögel sangen nicht, die Glocken klangen nicht. Da nahm die Hexe ihre eigene Tochter, legte

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_023.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)