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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

Das that der Jäger auch; und den andern Morgen, als er aufwachte, war sein Kopf wieder heil und that ihm kein Finger weh. Es stand auch schon ein gutes Morgenbrod bereit, das verzehrte er mit Behagen, und nachdem so setzte er sich wieder hin und las noch viel schönere Bücher als er den Tag vorher gelesen hatte, und zu bestimmter Zeit kriegte er auch wieder sein gutes Essen und war ganz vergnügt bis zum Abend, wo es anfing dunkel zu werden; da fielen ihm die schwarzen Männer wieder ein und herzlich gerne hätte er sich auf und davon gemacht, wenn er nur gekonnt hätte.

Um elf Uhr sagte die Stimme: anstatt daß gestern acht gekommen wären, kämen heute zwölf; er sollte aber nur standhaft bleiben und kein Wort sagen, sonst müsste er sterben.

Und richtig! Mit dem Schlage zwölf that sich die Thür auf und herein traten zwölf kohlschwarze Männer, die banden ihm Hände und Füße mit eisernen Ketten und schleiften ihn im ganzen Schloße herum und zuletzt hinaus auf den Hof zu einem tiefen Brunnen und thaten, als ob sie ihn hineinwerfen wollten. Aber doch blieb er standhaft und gab keinen Laut von sich. Sowie der Schlag eins aus der Glocke ging, brachten sie ihn wieder zurück in sein Gemach. Er war halb todt und alle Knochen thaten ihm im Leibe weh, aber diesmal kam keine Salbe und wurde ihm auch kein Bett gegeben, so daß er auf allen vieren in eine Ecke kroch und da liegen blieb.

Die ganze Nacht that er vor Schmerz kein Auge zu, und den andern Morgen wurde auch kein Essen gebracht; aber es dauerte nicht lange, so klopfte jemand an die Thür, und als der Jäger »herein!« rief, da erschien ein wunderschönes Mädchen, das gab ihm von der Heilsalbe und sagte: in dem Nebenzimmer im Schranke, da hingen königliche Kleider, die sollte er anziehen, und wenn er das gethan hätte, so sollte er nur oben heraufkommen. Damit ging sie wieder hinaus.

Der Jäger zog nun, nachdem er mit der Salbe seine Schmerzen gestillt hatte, die königlichen Kleider an und ging dann oben in das Schloß hinauf, und als er in den Saal trat, so saß da eine wunderschöne Prinzessin mit ihren elf Jungfrauen; das waren die zwölf Hirsche gewesen, die der Jäger verfolgt hatte; der mit den goldenen Hörnern war die Prinzessin. Da bedankten sie sich bei dem Jäger, daß er sie durch seine Standhaftigkeit nun erlöst hatte. Nachdem so wurde der Jäger König und hielt Hochzeit mit der schönen Prinzessin, und wurde getanzt und geschmaust; und wenn die Hochzeit noch nicht zu Ende ist, so dauert sie heute noch.


25. Drei Königskinder.

Es war einst ein König, der hatte Befehl gegeben, daß in seinem Reiche abends nach zehn Uhr keiner mehr arbeiten sollte, und wer das doch thäte,

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_059.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)