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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

dann will ich dir, soviel in meinen Kräften steht, behülflich sein.« Als der Fisch das gesprochen hatte, senkte er sich munter in die Tiefe des Wassers hinab. Der Junge aber ritt über die Brücke hinüber nach dem Schlosse hinzu, band seinen Schimmel vor die Thür und ging hinein. Er fand auch richtig das Zimmer, wo der Vogel in dem goldenen Käfig an der Wand hing, nahm ihn herab und wollte eben wieder umkehren, als er da auch eine Junfer sitzen sah, die hielt in der Hand ein Bund Schlüssel und lag in festem Schlafe, wie wenn sie todt gewesen wäre. Sie war aber so wunderschön, daß der Junge in seinem Leben nichts schöneres gesehen hatte. Eilig lief er nun zu seinem Schimmel zurück und sprach: »Ach liebster Schimmel, den Vogel habe ich nun, aber da im Schlosse sitzt auch eine Junfer, die ist so wunderschön, daß ich sie für mein Leben gerne mitnehmen möchte; was meinst du? Thu ichs wohl?« »Ich sage dir,« entgegnete der Schimmel, »laß du die Junfer, wo sie ist; du hast immer Dinge im Kopfe, die dich nichts angehen.« »Ach lieber, bester Herzensschimmel,« sprach der Junge, »du glaubst gar nicht, wie schön sie ist; ich muß und muß sie haben, es mag nun kommen, wie es will« »No ja!« entgegnete der Schimmel; »wenn du es denn durchaus willst, so thu, was du nicht lassen kannst; aber das sage ich dir vorher, du wirst dadurch in große Ungelegenheiten kommen.« Aber der Junge kehrte sich nicht an die Warnung seines Schimmels, trug die Junfer, die noch immer in festem Schlafe lag, auf seinen Armen aus dem Schlosse, nahm sie vor sich aufs Pferd, band den Käfig, worin der wunderbare Vogel saß, an den Sattel und ritt in Eile dem Strome zu. Kaum war er aber in der Mitte der Brücke angekommen, so entstand hinter ihm in der Gegend des Schlosses ein schrecklich Gekrach und Gepolter, wie wenn die Erde bärste, denn das Schloß war nun erlöst, die Junfer schrack zusammen und erwachte aus ihrem Zauberschlafe, ließ aber in demselben Augenblicke das Bund Schlüssel, das sie bis dahin in der Hand hielt, unversehens über den Brückenrand in den Strom fallen. Der Junge ritt nun, ohne sich an etwas zu kehren, an des Königs Hof zurück und brachte ihm den schönen Vogel in dem goldenen Käfig. Da aber der König die wunderschöne Junfer sah, entbrannte er in so heftiger Liebe zu ihr, daß er von Stund an darauf bedacht war, wie er den Jungen möchte aus dem Wege schaffen. Weil er ihm nun sonst nichts anhaben konnte, so machte er allerlei falsche Vorwände und befahl ihm zuletzt bei Todesstrafe den Hof zu meiden, den Schimmel, den Vogel und die Junfer aber zurückzulassen. Der Junge erschrak und machte Einwendungen, das half ihm aber alles nichts, denn der König verharrte fest bei seinem Worte. Da ging er unmuthvoll zu seinem Schimmel in den Stall und klagte ihm sein Leid und sprach: »Ach lieber Schimmel, wie will das mit mir noch werden! Nun der König die schöne Junfer gesehen hat, nun will er mich hier nicht länger leiden; ich soll den Hof verlassen und nichts

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_090.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)