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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

das graue Männchen, das ist schon ganz dicht hinter uns!« »So wirf schnell den Kamm zurück!« Friedrich that es und alsbald wurde daraus ein langer tiefer Graben, den mußte das Männchen erst umgehen, eh es weiter konnte. Aber es dauerte nicht lange, da rief der Schimmel wieder: »Friedrich, sieh dich mal um, ob auch wer kommt!« »O weh«, sprach Friedrich; »ich sehe das graue Männchen, das ist schon wieder ganz nahe hinter uns.« »So wirf schnell die Bürste zurück!« Friedrich that es; und sogleich entstand daraus ein dichter, ganz mit Dorngebüsch durchwachsener Wald, da mußte das Männchen erst mit Mühe hindurch, ehe es weiter konnte. Aber es dauerte nicht lange, als der Schimmel zum dritten Male rief: »Friedrich, sieh dich mal um, ob auch wer kommt!« »O weh«, sprach Friedrich, »ich sehe das graue Männchen, das ist schon wieder ganz nahe hinter uns.« »So wirf schnell den Staublappen zurück!« Kaum war es geschehen, so entstand daraus ein großes, großes Wasser, das war so tief und gingen so hohe Wellen darauf, daß das Männlein nicht hinüber konnte und verdrießlich wieder nach Hause lief.

Friedrich ritt nun gemächlich weiter; und als er gegen Abend über einen Hügel kam, sah er auf einmal vor sich in der Ebene ausgebreitet eine prächtige Stadt, deren Thürme glänzten weithin von den Strahlen der rothen Abendsonne. Es war das aber die Stadt, wo der König Hof hielt. Nun stand nicht weit vom Wege ab ein großer hohler Eichbaum, als den der Schimmel sah, sprach er: »Ich will hier in dem hohlen Baume bleiben; du aber geh hin an den königlichen Hof und vermiethe dich als Küchenjunge; alle vierzehn Tage mußt du aber kommen und mir ein Pfund Brod bringen.« So blieb der Schimmel in der hohlen Eiche; Friedrich aber ging an den königlichen Hof und fragte den König, ob er nicht einen Küchenjungen gebrauchen könnte. »Du kommst mir recht,« sprach der König; »einen Küchenjungen habe ich gerade nöthig. Aber was heißt denn das? Du hast ja deinen Kopf und deine Hände verbunden.« »Mit Verlaub, Herr König! Ich habe einen bösen Grind.« Sprach der König: »So kann ich dich nur unter der Bedingung in meine Dienste nehmen, daß du des Nachts bei dem Vieh im Stalle liegst.« Friedrich war damit zufrieden und wurde nun des Königs Küchenjunge; das Gesinde aber nannte ihn nicht anders als den Grindhans, darum, daß er Kopf und Hände stets verbunden trug.

Nach vierzehn Tagen ging er zu der hohlen Eiche und brachte dem Schimmel ein Pfund Brod. Da fragte der Schimmel: »Nun, Friedrich, wie gefällt dir dein Dienst?« »Ach, schlecht,« entgegnete er; »sie schelten mich immer Grindhans, und dann muß ich auch bei dem Vieh im Stalle schlafen.« Sprach der Schimmel: »So geh hin zu dem Gärtner, der dicht neben des Königs Schlosse wohnt, bei dem verdinge dich als Gärtnerbursch. Hier nimm diese drei Büchsen voll Samen, wenn du den ausstreust, so werden daraus die

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_100.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)