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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

nun die Gerichtsleute in das Haus kamen, saß die Alte im Kuhstalle und sang ein geistliches Lied aus dem Kirchengesangbuche. Der Richter aber schrie hinein: »Heraus mit dir, du alte Donnerhexe!« Da kam das Weib heraus und that so übel und erbärmlich und unschuldig und beweglich, als wenn sie ein neugeborenes Kindlein wäre. »Mine leiben säuten heeren«, sagte sie, »wo müeget sä doch säo wat van mi denken; o lüe un kinners, eck äne hexe! Dat kann mi doch käner na seggen, dat eck in minen leben änen minschen wat täo lede daen hebbe. Un nu geit et mi säo? Bin eck nich jeden sönndag in de kerke gaen? Gott ja, lüe? eck segge man! hebbe eck nich ’esungen un ’ebäet! un nu meent ji, dat eck äne hexe bin?« Aber da half kein Jammern. »Ins Wasser«, hieß es, »ins Wasser!« und wurde das alte Weib alsbald an die Weser gebracht und da hinein geworfen. Ob die Alte nun wohl mit dem größten Vertrauen auf dem Wege gesagt hatte, ihre Unschuld werde sich schon durch Gottes Hülfe zeigen, ja schön! Sie schwamm nur oben auf und war also doch eine Hexe, wurde an den Pfahl gebunden und zu Tode gebrannt.


21.

Die Weiber, welche hexen können, müssen es ihren Kindern lehren, wenn sie noch unmündig sind. – Ein kleines Mädchen aus Bulmahns Hause in Wiedensahl spielte mit andern Kindern auf dem Rasen mit Bratbirnen. Da sagte es: »Soll ich mal Mäuse machen?« »Ja, ja!« riefen die Kinder. Und da schlug das Mädchen mit einem Stocke auf die Birnen, daß Mäuse daraus wurden; die liefen munter herum, hatten aber alle keine Schwänze. – Man sollte nicht glauben, daß ein Kind schon solche schlechten Künste verstände! – Da nun durch die Kinder diese Sache bald ruchbar wurde, so nannte man das Mädchen immer die Müsemakersche, und sie behielt den Namen auch noch, als sie in späteren Jahren sich nach Niedernwöhren (Nachbardorf von Wiedensahl) verheirathete. Übrigens hat man nichts Schlechtes von ihr gehört. Sie ist erst kürzlich verstorben.


22.

Hexen können sich in Gänse, Hasen und andere Thiere verwandeln. Eine Mutter und ihre Tochter arbeiteten eines Tages draußen auf dem Felde. Da trat ein Jäger mit seinen Hunden aus dem Walde, und die Tochter sagte zur Mutter: »Mutter, hebbe ji jäon räimen nich bi jück? snallt ’n äis ümme, dat ji ’n hase weret.« Die Mutter thats; da kamen die Hunde hinter sie, und die Tochter rief ihr zu: »Mutter, lôpet, lôpet! dat jück de swarte nich kriegt!« und meinte den schwarzen Hund. Der Hase lief aber so rasch, daß die Hunde zuletzt ganz müde wurden und zurückblieben. Da sah die Tochter, daß ihre Mutter doch wirklich Künste verstand.

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_122.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)