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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

27.[1]

In einem Hause wohnten Zwerge unter dem Gossenstein in der Küche. Das Dienstmädchen goß immer das schmutzige Wasser hindurch und verbrannte die ausgekämmten Haare. Eines Tages wurde sie zur Zwergenkindtaufe geladen, und der Pastor, den sie um Rath fragte, sagte ihr, sie dürfte wohl hingehen, sollte aber nichts essen, was die Zwerge nicht selber anrührten und ihr geben würden. Als sie zu Tische saßen, sah das Mädchen auf einmal einen schweren Stein an einem seidenen Faden über ihrem Kopfe hangen. Da sprach der Zwerg zu ihr: »Wie dieser Stein, so hängt dein Leben an einem seidenen Faden, hättest du etwas gegessen, ohne daß ich es angerührt, so wär’s dein Tod gewesen. Auch mußt du mir versprechen, kein schmutziges Spülwasser mehr durch den Gossenstein zu schütten oder die Haare zu sengen, sonst wird dir’s schlimm ergehen.« Das hat das Mädchen versprochen, und als es fortgegangen, haben ihm die Zwerge Hobelspäne mitgegeben, die sind nachher zu Gold geworden.


28.

Unter einem Pferdestall hatten schon seit langen Jahren Zwerge ihre Wohnung, und alles war gut gegangen, und es wäre auch wohl so geblieben, wenn nicht der Bauer den alten Runen (Wallach) gekauft und auch in den Stall gestellt hätte. Schon den nächsten Morgen kam der Vater Zwerg und beklagte sich, daß der alte Rune gerade über der Schlafkammer der Kinder stünde; denen liefe jetzt die Jauche immer ins Bett hinein, ob sich denn das nicht ändern ließe? Aber der Bauer, so oft er auch gebeten wurde, hatte allerlei Ausreden. Der alte Rune blieb stehen, wo er stand. Auf das hin sind die Zwerge eines Nachts verschwunden und mit ihnen das Glück und der Wohlstand des Hauses.


29.

Es findet sich in manchen Häusern ein Snakenkönig; davon erzählt man wie er mit dem Kinde gespielt und dies in seinem Kinderkauderwelsch mit ihm gesprochen habe. – Läßt man ihn in Ruhe, so legt er jedes Jahr seine Krone ab, die hat großen Geldeswerth. – Sind die Snaken in Noth, so geben sie einen Pfiff von sich, dann kommen die andern zur Hülfe herbei. – Hat man das Glück, einen Snakenkönig mit der Krone anzutreffen, so muß man ein weißes Tuch auf den Rasen breiten, dann legt er seine Krone darauf. Sie ist von reinstem Golde und hat die Eigenschaft, daß, wenn man


  1. Vergl. Volksmärchen Nr. 13.
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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_126.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)