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Graf. Die Königin?

August. Sophie, mein Vater!

Graf (wirft die Schachfiguren zusammen). Sophie und immer Sophie!

August. Die acht Tage bring’ ich noch bei Ihnen zu, dann werf’ ich mich in eine Extrapost, und reise ihr nach, wohin sie ihre Schritte auch wenden möge.

Graf. Die Dame ist sehr glücklich, Dich auf allen ihren Wegen zu finden – glücklicher als Dein Vater, der Dich im Laufe dieses Jahres im Spätherbst zum ersten Mal sieht.

August. Tadeln Sie mich darum nicht! Mein Herz ist an die Residenz gewachsen, – meine Studien nehmen meine ganze Zeit in Anspruch.

Graf. Was hast Du denn studirt? – die Augen der Mademoiselle Sophie.

August. Sie thun mir Unrecht! Ich habe den Plan zu einem großen Trauerspiel: „Das Leben im Tode“ entworfen, in welchem Sophie eine Rolle haben soll, wie sie selbst der Mars noch nicht zu Theil geworden ist. Ich bin vielleicht der Erste aus Ihrer Familie, der mit dieser Leistung in die Reihe der schönwissenschaftlichen Geister tritt.

Graf. So siehst Du auch aus, als ob Du unter die Geister treten wolltest mit dem blassen Gesicht, was Du aus der Residenz mitgebracht hast, und der schwarzen Cravatte darunter. Die Bauern erschrecken, wenn sie Dich einhergehn sehen.

August. Ich bin auch nicht mehr für die Bauern da.

Graf. Nicht für die Bauern da, und willst doch einmal ihr Gutsherr seyn?

August. Meine Gutsherrschaft liegt mir in diesem Augenblick weniger am Herzen als meine Liebe und mein Trauerspiel. Ich trete mit demselben und zugleich mit der kühnen Behauptung auf, daß Sophie nicht allein für das Tragische, sondern sogar vorzugsweise für das Tragische geschaffen sey. Wie gefällt Ihnen der Titel, den ich gewählt habe: „Das Leben im Tode“? – ich habe ihn den französischen Romantikern nachgebildet.

Graf. Ueber die französische Romantik also und über „das Leben im Tode“ vergißt Du Deinen Vater, der seit dem Tode Deiner Mutter schon drei Jahre im Wittwerstande lebt. Es wäre

Empfohlene Zitierweise:
Clementine Schrader: Der Hohlweg. Lustspiel in einem Akt. Vereins-Buchhandlung, Berlin 1843, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clementine_Schrader_-_Der_Hohlweg_(1843).pdf/4&oldid=- (Version vom 28.5.2023)