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Ich mußte lächeln bei dem kurzen Wort

Und bei den faulen langsamen Geberden;
Worauf ich sprach: „„Belacqua, dieser Ort

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Bezeugt mir deutlich, du wirst selig werden.

Doch sprich: harrst du des Führers sitzend hier?
Wie? oder treibst du’s hier noch wie auf Erden?““

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Und Er: „Was, Bruder, hilft das Steigen hier?

Ich würde doch zur Qual nicht kommen sollen,
Denn Gottes Pförtner weist mich weg von ihr.

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Hier außen muß um mich der Himmel rollen,[1]

So oft als er im Leben that, da spät
Und erst im Tod mein Herz bereuen wollen,

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Wenn mir nicht früher beispringt das Gebet,

Das sich aus gläub’ger Brust emporgerungen.
Was hülf’ ein andres, da es Gott verschmäht?“

136
Schon war vor mir Virgil hinaufgedrungen,

Und rief: „Jetzt komm, schon hat in lichter Pracht
Die Sonne sich zum Mittagskreis geschwungen,

139
Und Mauritanien deckt der Fuß der Nacht.“[2]
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Fünfter Gesang.
I. Vorfegefeuer. Fortsetzung. Säumige. c), welche die Buße bis zu einem plötzlichen Tode aufsparten. (Ermordete, die noch im letzten Moment Gottes Gnade suchten, aber die Absolution nicht mehr empfingen.) Cassero. Buonconte.

1
Schon hatt’ ich, auf der Spur des Führers steigend,

Mich ganz von jenen Seelen abgewandt,
Als Ein’, auf mich mit ihrem Finger zeigend,

4
Mir nachrief: „Seht den Untern linker Hand

Die Sonne theilen und den Grund beschatten,[3]


  1. 130. Diejenigen, die bis an den Tod die Reue verschieben, müssen, ehe sie zur Läuterung zugelassen werden, so lange warten, als ihr ganzes Leben gedauert hat.
  2. 139. Wenn es auf dem Berge des Fegefeuers, den man sich im stillen Ocean zwischen Südamerika und Neuholland denken mag, Mittag ist, muß es in Jerusalem Mitternacht sein, in Marocco aber zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche Nacht werden.
  3. V. 5. [Die Dichter gehen weiter den untersten Abhang des Berges [224] hinan, welcher das Vorfegefeuer bildet.] Daraus, daß der Schatten des Dichters linker Hand ist, erkennen wir, daß er nach Westen geht, da die Sonne von Norden her leuchtet. Auch in solchen Dingen zeigt der Dichter die größte Genauigkeit, so daß wir immer durch ähnliche kleine Andeutungen die Richtung des Weges sicher zu wissen im Stande sind.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_223.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)