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Einst Herr des Landes, das der Fluß durchschneidet,
Der in die Elb’, in ihr zur Meerflut eilt,

100
Hieß Ott’kar, der, mit Windeln noch umkleidet,

Besser als Wenzeslaus, sein Sohn, erschien,[1]
Der Bärt’ge, der an Ueppigkeit sich weidet.

103
Dort der Stumpfnas’ge scheint zu Rath zu ziehn[2]

Den Güt’gen dort – er ist es, der, geschlagen,
Entblätternd Frankreichs Lilien, starb im Fliehn.

106
Seht ihn die Brust in bitterm Kummer schlagen!

Den Andern seht – zum Bett für sein Gesicht
Macht er die Hand mit Seufzern und mit Klagen:

109
An Frankreichs Aussatz, an den Bösewicht,

Den Sohn und Eidam denken sie, deß Leben

Voll Schmutz und Schmach sie feindlich quält und sticht.
112
Den Gliederstarken sieh! Mit dem daneben,[3]

Dem Adlernas’gen, singt er im Accord,

Und ragt’ einst hoch in jedem wackren Streben.
115
Und konnt’, als er verstarb, der Jüngling dort,[4]

Der hinten sitzt, den Königsthron ererben,
So ging von Stamm zu Stamm die Tugend fort.

118
Jakob und Friederich, die andern Erben,

Sie sollten zwar des Thrones Herrlichkeit,


  1. [101. Gelegentliche, aber unrichtige Bemerkung über Wenzel IV. – nicht Wenzel VI. „den Faulen“ – von dem man nichts derartiges weiß.]
  2. 103–111. Philipp der Dritte, König von Frankreich (mit der kleinen Nase), spricht mit Heinrich dem Dritten von Navarra, dem Gütigen, dem Schwiegervater seines Nachfolgers, Philipps des Schönen. Im Kriege mit Peter dem Dritten von Aragonien mußte Philipp, weil seine Flotte geschlagen war, sich aus Mangel an Lebensmitteln zurückziehen und starb auf diesem Rückzuge in Perpignan. Beide sind betrübt über Philipp den Schönen, ihren Sohn und Eidam, der in den Versen 109–111 eben nicht vortheilhaft geschildert wird.
  3. 112–114. Der Gliederstarke, Peter der Dritte von Aragonien. Der Adlernas’ge, Karl der Erste von Sicilien, [der berüchtigte Anjou, der aber ebenfalls noch im letzten Augenblicke Buße gethan haben soll.]
  4. 115–120. Der jüngste der Söhne Peters des Dritten, welchem nach des Vaters Tode kein Land zufiel, da die beiden andern Söhne, Jacob und Friedrich, seine Staaten theilten.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_239.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)