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In starrem Todesfrost und träg und schwer,
Lag Briareus, durchbohrt vom Himmelspfeile.[1]

31
Mars, Phöbus, Pallas standen hoch und hehr,

Auf die zerstreuten Riesenglieder sehend,
Bewaffnet noch um ihren Vater her.

34
Am Fuß des großen Werks den Nimrod stehend,[2]

Erblickt’ ich dann, und wie verwirrt und toll
Nach den Genossen seiner Arbeit spähend.

37
Dich Niobe, dich sah ich jammervoll,

– Hier sieben Kinder todt, dort andre sieben –
Wie jedem Aug’ ein Thränenstrom entquoll.

40
O Saul, du schienst, in’s eigne Schwert getrieben,

Todt, wie auf Gilboa, das seit der Zeit
Von Thau und Regen unbenetzt geblieben!

43
Arachne, Thörin, einst voll Eitelkeit,[3]

Halb Spinn’ jetzt, auf den Fetzen von Gewebe,
Das du, o Arme, wobst zu deinem Leid!

46
Rehabeam – es schien, als ob er bebe,

Als ob er, statt wie immer sonst zu drohn,
Im Wagen flüchtig, unverjagt, entschwebe.

49
Man sah Eriphylen sich mit dem Lohn,[4]

Für den Verrath am Gatten, frevelnd schmücken;


  1. 30. Briareus, der hundertarmige Riese, focht im Kriege zwischen den Titanen und Göttern für die letzten und zerschmetterte mit Felsstücken ihre Feinde. Er scheint hier mit den Titanen verwechselt, die er erlegte. Vgl. Hölle 31, 98.
  2. 34. Am Fuße des babylonischen Thurms, welchen Nimrods Stolz bis zum Himmel aufbauen wollte.
  3. 43. Arachne, von Pallas selbst in der Kunst des Webens unterrichtet, wagte es, ihre Lehrerin zu einem Wettstreite aufzufordern, und stellte auf einem kunstreichen Gewebe die nicht ruhmwürdigen Abenteuer der Götter dar. Hierüber erzürnt, zerriß Pallas das Gewebe und verwandelte Arachnen, die sich aus Verzweiflung selbst erhenkt hatte, in eine Spinne.
  4. 49. Amphiaraus, welcher, in die Zukunft blickend, den unglücklichen Ausgang des thebanischen Krieges und seinen eigenen Untergang voraussah, verbarg sich, um sich der Theilnahme an diesem Kriege zu entziehen. Aber seine Gemahlin Eriphyle konnte dem Reiz eines kostbaren Halsgeschmeides nicht widerstehen, das Polynices ihr darbot, und verrieth den Aufenthalt ihres Gemahls, der nun wider Willen an dem Kriege theilzunehmen genöthigt ward und darin seinen Tod fand. Diesen Verrath zu rächen, tödtete sie ihr Sohn Alkmäon.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_264.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)