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Gab mich Maria, die mit Angst und Beben

133
Die Mutter anrief, als sie Weh’n empfand,

Und dort, in unserm Taufgebäu, dem alten,[1]
Ward ich ein Christ und Cacciaguid genannt.[2]

136
Zwei Brüder hatt’ ich, und zu treuem Walten

Im Hause kam die Gattin mir vom Po,
Von der den zweiten Namen du erhalten.

139
Dem Kaiser Konrad folgt’ und dient’ ich, so,[3]

Daß er mich weihte zu des Ritters Ehren,
Und immer blieb ich seiner Gnade froh.

142
Mit ihm wollt’ ich des Gräuels Reich zerstören,

Deß Volk, durch eurer Hirten Fehler, sich
Der Länder anmaßt, die euch angehören.

145
Und dort, von jenem schnöden Volk, ward ich

Vom Trug der Welt entkettet und geschieden,
Der viele Herzen jeder Zeit beschlich,

148
Und kam vom Märtyrthum zu diesem Frieden.
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Sechszehnter Gesang.
Fortsetzung. – Cacciaguida über die spätere Geschichte und den gegenwärtigen Zustand von Florenz (vgl. Fgf. 14).

1
O du geringer Adel unsers Bluts,[4]

Kannst du hienieden uns zum Stolz verführen,
Wo wir noch fern vom Schau’n des wahren Guts,


  1. [134. Dem Taufgebäu, dem jetzt noch stehenden Baptisterium zu S. Johannes. Hölle 19, 16.]
  2. [135. Mit seltener Befriedigung und Weichheit des Gefühls verweilt Dante in der vorstehenden, schönen Stelle bei den glücklicheren Zeiten seiner Vaterstadt, seine unauslöschliche Liebe für dieselbe bekundend. Und auch in unsere Zeit klingt diese herrliche Schilderung eines entschwundenen, einfach-tüchtigen Bürgerthums schmerzlich wahr und zutreffend herein!]
  3. 139. Cacciaguida begleitete Kaiser Konrad den Dritten auf dem Kreuzzuge, den dieser im Jahre 1147 auf Zureden Bernhards von Clairvaux unternahm, und fand im heiligen Lande seinen Tod.
  4. [XVI. 1–9. Dante tadelt sich über seinen, bei den Worten des Urahn’s, selbst hier, im Himmel, sich regenden Ahnenstolz, durch die, heute noch beherzigenswerthen Worte, daß der blose Adel des Namens [491] wie ein altes Kleid sich abnütze, wenn er nicht durch eigenes Verdienst immer wieder verjüngt werde.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_490.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)