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13
Verstündest du das drin enthalt’ne Flehen,[1]

So wäre dir die Rache schon erklärt,
Die du noch wirst vor deinem Tode sehen.

16
Von droben fällt zu frühe nicht das Schwert,

Und nicht zu spät, wie’s dem scheint, der mit Grauen
Es harrend fürchtet, oder es begehrt. –

19
Jetzt blicke nur auf Andres mit Vertrauen;

Sieh dortenhin: du wirst in großer Zahl
Dort hochberühmte sel’ge Geister schauen.“

22
Ich sah, den Blick gewandt, wie sie befahl,

Wohl hundert Kreise, welche Funken sprühten,
Verschönert von dem gegenseit’gen Strahl.

25
Wie auch in mir der Sehnsucht Stacheln glühten,

Doch wagt’ ich keine Frag’ und hieß sie ruhn,
Um vor zu großer Kühnheit mich zu hüten.

28
Die größte, hellste Perle nahte nun,[2]

Um jenem Wunsch, den sie in mir ergründet,
Mit süßem Liebeswort genug zu thun.

31
„Wenn du die Liebe säh’st, die uns entzündet,“

So sprach die Stimme jetzt aus jenem Licht,
„Du hättest, was du denkst, mir frei verkündet.

34
Doch horch, auf daß du, harrend, später nicht

Zum hohen Ziel gelangest, und ich deute
Dir, was zu fragen dir der Muth gebricht.

37
Des Berges Höh’, an dessen Abhang heute[3]

  1. XXII. 13. ff. Hier ist erklärt, was der am Schlusse des vorigen Gesanges unerklärt gebliebene Donner bedeutet hat. Es war die nach V. 8 und 9 aus dem Drange gerechten Eifers entstandene Bitte der Seligen, daß Gott solche Verdorbenheit des Clerus züchtigen möge. Allein sie flehen nur um das, was sie in Gott schon gewährt finden, V. 16, daher die baldige Strafe hier und V. 94 ff. verkündigt wird. – [Vgl. unsre Anm. zu Ges. 9, 139 und Fegf. 32, 157.]
  2. [28. Vgl. zu V. 37 ff.]
  3. 37 ff. Auf dem Gipfel des Berges, an welchem Cassino liegt, soll in alter Zeit ein Apollo-Tempel gestanden und Viele sollen zu dessen Orakeln ihre Zuflucht genommen haben. Der heilige Benedict [von Nursia, geb. 480, Stifter des ausgezeichneten Benediktiner-Ordens], dessen Geist spricht, hat hier, wie der Text sagt, zuerst das Christenthum gepredigt und den heidnischen Dienst verbannt.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_531.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)